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SCHACH-SPHINX/05855: Getrübter Endspielblick (SB)


Von Großmeistern wird eigentlich erwartet, daß sie in allen Phasen der Partie die Übersicht behalten. Man gesteht ihnen allenfalls zu, daß sie zu Beginn in der Eröffnung auf vorbereitete Fallen und Neuerungen hereinfallen können. Das Zeitlimit erlaubt es ihnen in der Regel nicht, in einer verbesserten Eröffnungsvariante allzu lange nachzudenken. Ausnahmen hat es selbstredend immer wieder gegeben. So ist von Sämisch bekannt, daß er nur deswegen und fast regelmäßig in Zeitnot zu geraten pflegte, weil er kaum einen Zug in der Eröffnungsphase ausführte, von dessen stellungsverbriefter Exaktheit er nicht überzeugt war. Kenner der Endspielmaterie muß jedoch jeder Großmeister sein, ansonsten wäre er seinen Titel nicht wert. Und doch kommt es auch auf höchster Ebene zu haarsträubenden Fehlentscheidungen, ohne daß das Pardon einer Zeitnot angefügt werden könnte, wie beispielsweise in der Partie zwischen Anatoli Karpow und Lew Polugajewski aus dem Interpolis-Turnier in Tilburg 1983. Die Endspielstellung im heutigen Rätsel der Sphinx ist tot, remis, chancenlos für einen Sieg. Weiß besitzt nur einen minimalen Vorteil, der allerdings nie und nimmer zu verwerten ist. Die Kenntnis des Remisweges sollte von Polugajewsky, der die schwarzen Figuren führte, eigentlich angenommen werden dürfen. Statt dessen beging er jedoch einen schweren Fehler, als er sich nun zu 1...Sc6xa5? 2.Lc7xa5 Kb5xa5 3.Kf3xf4 Ka5-b5 4.Kf4-g5 Kb5-c5 5.Kg5-h6 verleiten ließ. An dieser Stelle gab er auf, weil er um das entscheidende Tempo zu spät gekommen wäre, um den weißen Freibauern aufzuhalten. Also, Wanderer, Endspielmeister müssen Zählmeister sein, oder wie würdest du das Remis sicherstellen?



SCHACH-SPHINX/05855: Getrübter Endspielblick (SB)

Karpow - Polugajewski
Tilburg 1983

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Mit ruhiger Beamtenmiene zog Max Euwe 1...Lb7-f3! Gut gedacht, denn der Läufer war nicht zu nehmen wegen 2.g2xf3 Dh4xh3 3.f3-f4 Ld6xb4 4.De1xb4 Dh4-g4+ nebst 5...Dg4xd1. Keres spielte daher 2.Sb4xa6, wissend, daß er nach 2.Sb4-d3 f7-f5 nebst 3...Tf8-f6 glatt verlieren würde. Aber auch der Bauernraub nützte nichts. Euwe zog 2...f7-f5 3.Lc1-a3 Ld6xa3 4.Ta1xa3 Lf3xd1 und verwertete seinen Materialvorteil im 61. Zug.


Erstveröffentlichung am 16. Juni 2003

02. Juni 2016


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