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SCHACH-SPHINX/05862: Wie ein müdes Hutzelmännchen (SB)


Der abgebrochene Weltmeisterschaftskampf in Moskau zwischen Anatoli Karpow und Garry Kasparow erregte seinerzeit die Gemüter der ganzen Schachwelt. Nur ein einziges Mal zuvor in der Geschichte der Weltmeisterschaftsduelle war dies geschehen, und zwar 1921 in Havanna, als Emnauel Lasker das Match gegen José Capablanca vor Ende der ausgelobten Zahl an Partien aufgab. In Moskau standen die Zeichen jedoch anders. Damals in Havanna gab sich der amtierende Weltmeister Lasker geschlagen, der Titel ging an den Kubaner. Als in Moskau die Saaltür geschlossen wurde, blieb Karpow weiterhin im Besitz der Krone, obwohl Karpows Ja zum Abbruch des Kampfes auf den entschiedenen Protest von Kasparow stieß. Karpow war zum Ende sichtlich erschöpft. Kränklich blaß wirkte seine Gesichtsfarbe, und daß er sich kaum noch konzentrieren konnte, belegten die beiden Partien, die er zuletzt nacheinander verlor. Während Kasparow mit unerschütterlichem Elan in den Spielsaal trat, ein Muster an Kraft und Entschlossenheit, stolperte Karpow mehr schlecht als recht hinterher. Der "Zeit"- Reporter Wolfram Runkel sah in Karpow nur mehr "ein gebeuteltes, gebeugtes, müdes Hutzelmännchen". Die Hintergründe dieses Abbruch- Eklats sind durchleuchtet und hinreichend kritisiert worden, allein es blieb dabei, daß in Moskau die Schachtradition mit Füßen getreten wurde. Schon Lasker hatte einst gesagt: "Ein Weltmeister, der nicht die Welt hinter sich hat, ist eine lächerliche Figur." Das heutige Rätsel der Sphinx stammt aus der Schlußphase der 16. Wettkampfpartie. Kasparow mit den schwarzen Steinen hatte seinen Sizilianer aggressiv und zielstrebig entwickelt, und als Karpow mit seinem letzten Zug den schwarzen Läufer auf d3 schlug, setzte sein Herausforderer zum Partiefinale an. Kannst du den sinnverwirrend schönen Zug des Rächers finden, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05862: Wie ein müdes Hutzelmännchen (SB)

Karpow - Kasparow
WM 1985

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Meister Dueball witterte den Finalzug, denn die siebte Reihe war schwach und anfällig, und als er 1.Lf4-e3! zog mit der fürchterlichen Drohung 2.Le3-a7!, lächelte sein Kontrahent Ackermann ein wenig betreten und gab umgehend auf.


Erstveröffentlichung am 23. Juni 2003

09. Juni 2016


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