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SCHACH-SPHINX/05958: Im Gewühle der Deutungen (SB)


Der Mensch ist ein Geschöpf voller Eigensinnigkeiten, und die Psychologen haben dafür einen Namen geprägt. Sie nennen dies Individualität, was wohl soviel heißen soll wie: Jeder geht seinen eigenen Weg auf der Hauptstraße des Lebens. Jede Geste, jedes eigentümliche Wort scheinen an dieser Individualiät wie an einem Spinnennetz festzukleben. Das Stirnfaltenziehen in Augenblicken der Nervosität, das Herumnesteln am Jackettknopf oder das Kräuseln der Lippen, all das mögen wohl Ausdrucksformen des inneren Menschen sein auf dem Spiegel der Äußerlichkeit, allein an der Übersetzung hapert es zuweilen. Man sieht nur Schatten und glaubt daher, es müsse auch ein Licht hinter der Finsternis vorhanden sein. Eine Spur und Vermutung indes, mehr nicht. Vom Schachstil eines Meisters wird ähnliches gesagt. Daß er die Springer vor den Läufern bevorzugt, lieber lang als kurz rochiert und partout nie den Damenbauern als ersten Zug wählt, wir meinen hinter diesen symbolhaften Erscheinungen etwas aufdecken zu können, das unverfälscht nur für diesen Menschen charakteristisch ist. Daraus leiten sich dann Überlegungen her: Wie mache ich mir diese Gewohnheit zunutze? Die Beharrlichkeit ist ein Bekenntnis, das solideste überhaupt und gleichzeitig die Achse aller Gegenwehr. Also beratschlagen sich an diesem Punkt die Gedanken, fassen einen konkreten Plan. Wir merken immer erst hinterher, daß das entscheidende Puzzle nicht in Erwägung gezogen wurde. Im Gewühle der Deutungen läßt sich selten etwas Faßbares greifen. Vielleicht liegt es ja daran, daß der so sicher geglaubte Standpunkt, den jedes Einzelgeschöpf einzunehmen scheint, sich nur aus dem Vergleich her definiert. Wer also nie gelernt, sich selbst aus dem Spiel zu halten, stillzustehen, wie sollte der Individuelles erkennen? Oder anders gefragt: Was war so individuell daran, daß Zsuzsa Polgar im heutigen Rätsel der Sphinx 1...Le7-d8 spielte und verlor? Nun, Wanderer, die Zeichen machen noch keinen Menschen!



SCHACH-SPHINX/05958: Im Gewühle der Deutungen (SB)

Hodgson - Z. Polgar
Haifa 1989

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Das Flüstern drang ins Ohr, wurde Bild und dann siegreiche Kombination: 1.Tc1xc6! Lb7xc6 2.Sf3-e5 Dd7-b7 3.Le4xh7+! Kg8-f8 - auf 3...Kg8xh7 entscheidet 4.Dd1-h5+ rasch - 4.Dd1-h5 Le7-b4 5.Lh7-d3 g7- g6 6.Dh5-h6+ Kf8-e7 7.d4-d5! Lb4xe1 8.Lb2-a3+ Ke7-d8 9.Dh6-h4+ Kd8-c7 10.d5xc6 Db7-a8 11.Dh4-f6 b6-b5 12.La3-c5 Tc8-d8 13.Df6xf7+ Kc7-c8 14.Ld3xb5 a7-a6 15.Df7-d7+ und Schwarz gab auf; ihm waren Hören und Sehen vergangen.


Erstveröffentlichung am 26. September 2003

14. September 2016


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