Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/06231: Altes Vorurteil im ewigjungen Kleid (SB)


Kein Gedanke ist absurd genug, daß er nicht gedacht werden könnte. Schließlich gibt es neben dem Großhirn auch noch ein Kleinhirn, und wer von beiden gerade das Sagen hat in den Äußerungen zu bestimmten Fragen und Themenkomplexen, ist hinterher nicht unbedingt eindeutig auszuloten. Jedenfalls soll im heutigen Rätsel der Sphinx zu einem der ältesten Spekulationen der Menschheitsgeschichte Stellung bezogen werden, und zwar zur vermeintlichen Schwäche der Frauen hinsichtlich ihrer Entscheidungsfähigkeit. Im Schach, wo neben Erfahrung, Intuition und Sacherkenntnis nur noch das Auge hin und wieder ein Wörtchen mitzureden hat, zumal in Situationen, wo gröbste Fehler gemacht werden, geistert seit Jahrhunderten das Gespenst der Mann-Frau- Dualität herum. Einst wurde der Ex-Weltmeister Michail Botwinnik gefragt, ob er glaube, daß die beste Schachfrau einmal gegen den besten Schachmann in einem Weltmeisterschaftskampf gewinnen werde. Seine Antwort war Nein und seine Erklärung lautete: "Ich erkläre mir dies mit der Physiologie der Frau. Der Umfang des Nervensystems ist zwar bei Männern und Frauen gleich, aber ein bedeutender Teil des Nervensystems wird für den Steuermechanismus des Organismus gebraucht. Und da wirkt sich aus, daß der Organismus der Frau schwieriger und komplizierter ist, wohl vor allem deshalb, weil die Frauen die Kinder zur Welt bringen. Da bleiben im Nervensystem der Frau weniger Ressourcen für das Treffen von Entscheidungen." Bei allem Respekt für die Leistungen von Botwinnik auf dem Schachbrett, aber diese Worte klingen dann doch sehr mittelalterlich, um nicht zu sagen, vorsintflutlich. Verliert ein Mann dann doch gegen eine Frau, dann liegt es wohl daran, daß er gerade ein Kind austrägt?! 21 Jahre alt war Nona Gaprindaschwili, als sie Frauenweltmeisterin wurde. 16 Jahre lang behielt sie den Titel. Sie war nach Vera Menchik übrigens wieder die erste Frau, die sich auf Männerturnieren behaupten konnte. Mit den weißen Steinen besiegte sie im heutigen Rätsel der Sphinx den jugoslawischen Meister Kuraica. Weiß hat einen Bauern mehr, und im Endspiel war sie ebenso bewandert wie ihre männlichen Kollegen, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06231: Altes Vorurteil im ewigjungen Kleid (SB)

Gaprindaschwili - Kuraica

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Zunächst die Hintertür verschließen mit 1...Ta8-c8!, denn nun verbietet sich 2.Se5xd7 wegen 2...Tf8-f4! 3.Sd7-e5 Tf4-d4+ 4.Se5-d3 Le7-g5# Dann den weißen König nach dem bestmöglichen Zug 2.Dd1-b3 mit 2...Le7-g5+ 3.Kd2-d3 - 3.Kd2-d1 Df2-d4+ - ins Freie treiben und ihn mit 3...Tf8-f4 4.Se5-f3 Ld7-e8 zur Kapitulation zwingen. Gegen die Drohung Le8-g6+ hilft kein Fluchtversuch.


Erstveröffentlichung am 20. Juni 2004

14. Juni 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang