Aaron Nimzowitsch, der mit seiner Theorie über die Blockade die Schachstrategie revolutionierte, war ein Mensch mit ungebärdigem Verhalten. Seine Rede war direkt, ohne Scheuklappen und zuweilen auch recht "bäurisch". Sein Empfang auf der internationalen Schachbühne war allerdings alles andere als sympathieerweckend gewesen. Die kragensteifen Meister jener Jahre sahen herablassend auf seinen Schachstil, der 1905 bei seinem ersten Auftritt in Barmen noch sehr unausgegoren war. Zwei Jahre später meldete sich Nimzowitsch beim Meisterturnier in Ostende an. Etikette und Statuten verboten jedoch, daß Nimzowitsch, der Jüngling aus Lettland, den Spielsaal betrat. Er hatte seinerzeit sein 21. Lebensjahr noch nicht vollendet. So mußte er "draußen vor der Tür" zum Kursaal seine Partien spielen. Für diese Beleidigung rächte sich Nimzowitsch fürchterlich. Er vergaß auch in späteren Jahren nicht, daß man ihn wie einen Hausierer behandelt hatte, was vielleicht zum Teil sein grobschlächtiges Benehmen erklärte. Jedenfalls schlug er in Ostende eine Reihe der seinerzeit berühmtesten Meister und wurde nach den Cäsarenhäuptern Bernstein und Rubinstein Dritter im Klassement. Im heutigen Rätsel der Sphinx aus dem Turnier in Ostende servierte der Lette den Berliner Meister Erich Cohn ab. Also, Wanderer, Meister Cohn hatte im Stellungsdiagramm mit seinem nächsten Zug 1.e4xd5? den entscheidenden Fehler gemacht und so dem schwarzen Angriff Tür und Tor geöffnet.
Cohn - Nimzowitsch
Ostende 1907
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die Zeitnot hat schon so mancher Partie das Genick gebrochen, die
durchaus noch vital und kampftüchtig war. Auch Judit Polgar, Ungarns
Wunderkind, mußte sich dem Tyrannen Zeit beugen. Statt mit 1.e5-e6??
die Flinte ins Korn zu werfen, hätten sie mit 1.Dg3-g5! und der
Drohung 2.Dg5-f6 und 3.Df6-g7# durchaus noch ein Feuerwerk entzünden
können.
Erstveröffentlichung am 23. September 2004
17. September 2017
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