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SCHACH-SPHINX/06562: Ehernes Daseinsrecht (SB)


Eine sonderbare Situation beherrschte das Schachjahr 1993. Erstmals in der Turniergeschichte verteidigten, an verschiedenen Orten wohlgemerkt, zwei gekrönte Häupter ihren Titel. Die FIDE war nicht mehr alleinige Vertreterin weltweiter Schachinteressen, sondern hatte Konkurrenz bekommen, nämlich die von Garry Kasparow und Nigel Short ins Leben gerufene PCA. So kam es, daß diese beiden in London ihren Titelkampf ausfochten, während in Amsterdam und später in Djakarta Anatoli Karpow und Jan Timman für die alte Tante FIDE um Ehren rangen. Diese Zäsur hat mittlerweile ein festes Daseinsrecht bekommen. Trotz des Rücktritts des unliebsamen Präsidenten Campomanes fanden die zerstrittenen Lager nicht zusammen. Kasparow geht seinen Weg. Seine Hand zum Friedensschluß hatte er hingehalten, nur wurde sie ausgeschlagen. Nach diesem neuerlichen Fauxpas, so empfindet es Garry Kasparow zumindest, wird es absehbar keine Vereinigung der beiden Schachverbände geben. Karpow dürfte das nur recht sein. Sein Ansehen hat trotz der Titelverteidigung gegen seinen indischen Herausforderer Viswanathan Anand mehr als gelitten. Immer enger rückt die Verfolgerschar an ihn heran. In der Weltrangliste steht sein Name ohnehin nicht mehr auf den vordersten Plätzen. Formtiefs durchlaufen alle Spieler einmal, doch wird man den Eindruck nicht los, als sei Karpow nicht nur erschöpft, sondern auch seelisch ausgebrannt, müde geworden vom Ringen gegen den Lauf der Zeit, der über ihn hinweggeht und ihn kaum noch beachtet. Seinerzeit, 1993, in Djakarta, konnte er überzeugen, ohne daß der geringste Verdacht einer Ermattung auf ihn gefallen wäre. Im heutigen Rätsel der Sphinx aus der 15. Wettkampfpartie überrannte er Timman geradezu wie in einem Mongolensturm. Der Holländer hatte zuletzt 1.b2-b3 gezogen und wurde dann mit einem schönen Opferzug positionell erledigt, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06562: Ehernes Daseinsrecht (SB)

Timman - Karpow
Djakarta 1993

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Schade, daß Zeitnot die Stellung verdarb, denn mit 1...Tc8-b8! 2.Sf3xg5 Tb8-b1+ 3.Kh1-h2 Dc5-g1+ 4.Kh2-g3 Dg1-e3+ 5.Kg3-g4 De3-e2+! - 5...De3xc3?? 6.d5-d6! - 6.Kg4-h4 De2xe4+! 7.Sg5xe4 Sg7-f5+ hätte Großmeister Jan Smejkal leicht und bequem gewinnen können.


Erstveröffentlichung am 15. Mai 2005

12. Mai 2018


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