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SCHACH-SPHINX/07011: Raub geistiger Werke (SB)


Das Problem des Urheberrechtschutzes an Schachpartien wurde bereits im Jahre 1908 auf dem Düsseldorfer Schachkongreß erörtert, aber ohne Ergebnis vertagt und erst wieder 1927 anläßlich des Kongresses des Weltschachbundes in London wiederaufgenommen, wo erstmals auch juristische Gutachten vorgelegt wurden. Die Meinungen der Experten spreizten sich je nach Standpunkt. So sahen die französischen Gutachter in den Schachpartien und auch -problemen sehr wohl so etwas wie literarische Geisteswerke, die unter Schutz gestellt werden müßten. Die holländische Fraktion widersprach dem zum Teil, da sie befand, daß in keiner der europäischen Gesetzgebungen ein derartiger Anspruch ableitbar sei, dennoch empfahl sie eine Neuregelung. Auch die Stimme aus Österreich begrüßte eine juristische Lösung. Ansätze hat es seitdem mehrere gegeben, zumal von Großmeistern, die sich um ihre geistigen Werke unentgeltlich betrogen fühlten, da ohne ihre Partien die im Zuge der letzten Jahrzehnte anwachsende Literatur auf diesem Gebiet gar nicht denkbar gewesen wäre. Dennoch weigern sich bis heute alle Verbände und Funktionäre diesem Faktum Rechnung zu tragen. Lediglich die Schachprobleme und freien und turnierunabhängigen Partien wurden bislang unter juristischem Schutz gestellt. Die Gegner einer Reform führen gern ins Gefecht, daß in einer Partie stets zwei Köpfe am Werke seien und daher nicht eindeutig zu bestimmen ist, ob nun wie bei einem Maler oder Komponisten ein Urheberrecht vorliege. Ein Argument, das hinkt und wohl auch die nächsten Jahrzehnte hinken wird, ohne daß eine gesetzliche Initiative greifen könnte. Die Interessen sind zu unterschiedlich, und noch gibt es keine Lobby, die sich der Schachmeister annehmen würde. So darf denn auch das heutige Rätsel der Sphinx aus dem Moskauer Turnier von 1966 eine Partie "stehlen" und damit die Frage aufwerfen, mit welchen taktischen Mitteln der weiße Angriff durchschlug, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/07011: Raub geistiger Werke (SB)

Grushevsky - Sakharov
Moskau 1966

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der denkende Automat und sein verborgener Lenker hätten die nicht einfache Angriffswendung 1.e4-e5! Sc4xe5 - 1...f6xe5 2.Tf1-f7+ oder 1...d6xe5 2.Sd4-f5+! - 2.Sd4-f5+! e6xf5 3.Dd3xd6+ Ke7-d8 4.Sb3-d4 Tc8- c4 5.Dd6-b8+ Tc4-c8 6.Sd4-c6+! Se5xc6 7.Td1xd7+! Kd8xd7 8.Tf1-d1+ finden müssen, um behaupten zu können, etwas vom Schachspiel zu verstehen.


Erstveröffentlichung am 8. August 2006

28. August 2019


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