Schattenblick →INFOPOOL →SOZIALWISSENSCHAFTEN → FAKTEN

FORSCHUNG/092: Was verstehen Asiaten unter Asien? (idw)


Jacobs University Bremen - 25.02.2009

Was verstehen Asiaten unter Asien? Jacobs University erforscht asiatische Selbstdefinitionen in Geschichte und Gegenwart


Die Jacobs University Bremen erhält rund 320.000 Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Erforschung von "Asianismen" - seit dem 19. Jahrhundert von Asiaten geprägte kulturelle, politische und gesellschaftliche Konzepte von Asien. Im Fokus des Projekts steht die Analyse von Daten und Quellen aus verschiedenen Ländern, darunter China, Japan, Indonesien, Thailand und Indien. Ziel ist es, über die historischen Wurzeln das heutige enorme Integrationspotential Asiens als Wirtschafts- und Kulturraum zu verstehen. Das mit Verlängerungsoption zunächst für zwei Jahre bewilligte Projekt wird von den Historikern und Jacobs-Professoren Marc Frey und Nicola Spakowski geleitet.

Asien umfasst rund ein Drittel der Landmasse der Erde. Mit rund 4 Milliarden Menschen leben in diesem größten Erdkontinent etwa 60 % der Weltbevölkerung. Die Bezeichnung "Asien" im Sinne eines Kulturraumes ist, im Vergleich zu der aus der Antike stammenden Europa-Idee, vergleichsweise jung und gelangte als ein von Europäern gesetzter Begriff erst mit dem Kolonialismus und Imperialismus in den asiatischen Sprachgebrauch. Eine Kultur- und Wertedefinition Asiens seitens der Asiaten selbst entstand erst im späten 19. Jahrhundert in der Auseinandersetzung mit dem Westen, vor allem durch japanische und chinesische Intellektuellen sowie Politiker. Sie waren es auch, die auf der Suche nach kulturellen, politischen oder wirtschaftlichen Verbindungselementen eines einheitlichen Asien den Begriff "Asianismen" prägten.

Heute sind Integrationsbestrebungen in verschiedenen Regionen Asiens unübersehbar: Einige ASEAN-Staaten diskutieren gemeinsame Sicherheitszonen, über Foren wie den 'East Asian Summit' wird die wirtschaftliche Integration vorangetrieben, die politische Zusammenarbeit zwischen asiatischen Staaten wie etwa zwischen China, Japan und Südkorea nimmt zu. In einer Zeit, die von vielen Beobachtern als 'asiatisches Jahrhundert' bezeichnet wird, verändern sich geopolitische Konstellationen und weltwirtschaftliche Kreisläufe - Integrationsprozesse, die auch für die westliche Welt von größter Bedeutung sind. Diese asiatischen Integrationsbestrebungen beruhen jedoch nicht nur auf aktuellen strategischen, politischen oder wirtschaftlichen Erwägungen. Sie beziehen sich auch auf jene gemeinsamen Werte und Ideen, die im Asien des ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden.

Das neue DFG-Forschungsprojekt, das jetzt im Frühjahr an der Jacobs University startet und an dem sich auch Wissenschaftler der ETH Zürich, der Chulalongkorn University Bangkok, der National University of Singapore, der Sophia University in Tokyo und der Fudan-Universität in Shanghai beteiligen, spürt diesen Werten und Ideen nach und erforscht die Bandbreite asiatischer Vorstellungen von Asien und von realen asiatischen Integrationsbemühungen, von ihren ersten Anfängen bis in die Gegenwart.

In einer ersten Projekthase untersuchen die Wissenschaftler drei Themenfelder, in denen sich Asianismen prägnant nachweisen lassen. Ein Teilprojekt widmet sich der chinesischen Asiengeschichtsschreibung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In dieser Zeit begannen chinesische Wissenschaftler und Politiker, ihre Nachbarländer als Bezugsgrößen wahrzunehmen und die Position Chinas in der Geschichte, Gegenwart und Zukunft Asiens zu bestimmen. Ein zweites Teilprojekt widmet sich den 'Asian Games', einer regionalen Olympiade asiatischer Sportler. Erstmals 1913 ausgerichtet, entwickelten sich die 'Asian Games' zu Plattformen, auf denen nationale Identität, aber auch Vorstellungen eines einheitlichen Asien verhandelt wurden. Ein drittes Teilprojekt erforscht aktuelle Asiendebatten ostasiatischer Intellektueller. Dabei geht es um globalisierungskritische Versuche, einer westlich definierten Moderne asiatische Alternativen entgegenzusetzen.

"Mit dem Forschungsprojekt wollen wir nachweisen, dass in Asien ungeachtet aller politischen Fragmentierung ein enormes Potential für Integrationsprojekte vorhanden ist", erklärt die Historikerin Nicola Spakowski. "Nur wenn wir deren historische Wurzeln kennen, können wir verstehen, was sich an aktuellen Integrationen in Asien eigentlich vollzieht." Und Marc Frey, Professor of History an der Jacobs University ergänzt: "Das Projekt leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Erforschung mentaler Karten, und es macht deutlich, wie schwierig, aber auch wirkmächtig die Suche nach dem einen Asien in der Gegenwart ist.".

In einer zweiten Projektphase soll das zunächst für zwei Jahre geförderte Projekt um Forschungen zu aktuellen politischen und wirtschaftlichen Integrationen ergänzt werden.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution698


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Jacobs University Bremen, Dr. Kristin Beck, 25.02.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2009