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SCHULE/500: Damit die Grundschule zeitgemäß bleibt (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 18.04.2017

Damit die Grundschule zeitgemäß bleibt


Digitale Medien in der Grundschule und Videos im Studium: Das sind zwei Schwerpunkte von Sanna Pohlmann-Rother. Die Professorin ist neue Inhaberin des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik.

Wenn Kinder in die Grundschule kommen, unterscheiden sie sich in ihren individuellen Fähigkeiten bisweilen deutlich. Während die einen kaum einen Buchstaben kennen, können andere schon ganze Sätze lesen. Grundschullehrkräfte stehen vor der Herausforderung, diese Verschiedenheit aufzugreifen und die Kinder möglichst individuell zu fördern.

Wie gehen Lehrkräfte an Grundschulen vor, wenn sie Kindern Lesen und Schreiben beibringen, welche Methoden setzen sie ein und was könnten sie besser machen? Das ist ein Schwerpunkt der Forschung von Sanna Pohlmann-Rother. Die Professorin leitet seit dem 1. März 2017 den Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik der Universität Würzburg; sie folgt damit Margarete Götz nach, die diesen Lehrstuhl 19 Jahre lang inne gehabt hatte.

540 Texte ausgewertet

In einem aktuellen Forschungsprojekt von Sanna Pohlmann-Rother dienen rund 540 Texte als Grundlage, die Kinder aus ersten Klassen von Grundschulen geschrieben hatten. Diese hatten von ihren Lehrerinnen eine Geschichte vorgelesen bekommen. Die Aufgabe der Kinder bestand darin, sich in die Hauptperson hineinzuversetzen und aus deren Perspektive einen Brief zu schreiben. Die gesamte Unterrichtsstunde wurde zusätzlich per Video aufgezeichnet und liegt der Wissenschaftlerin zur Auswertung vor.

"Uns interessieren in erster Linie die Effekte des Unterrichts auf die Schreibleistung der Kinder", schildert Sanna Pohlmann-Rother das Ziel ihrer Untersuchungen. Wie sind die Lehrerinnen in der Stunde vorgegangen? Welche Hilfen haben sie gegeben? Kam von ihnen ein Feedback? Solche und weitere Fragen klärt die Grundschulpädagogin nun anhand der Videos und vergleicht sie mit den Texten der Kinder, die zuvor in einem aufwendigen Prozess ausgewertet und bewertet worden waren.

Das Video verbindet Theorie und Praxis

Der Einsatz von Videos ist nach Ansicht von Sanna Pohlmann-Rother nicht nur ein sinnvolles Mittel, um den Unterricht an Grundschulen zu erforschen. Er soll auch dazu beitragen, die Ausbildung angehender Lehrkräfte im Studium zu verbessern. Deshalb will sie Aufzeichnungen von realen Situationen im Klassenzimmer immer dann, wenn es sinnvoll ist, auch in ihren Vorlesungen und Seminaren einsetzen.

"Wenn ich beispielsweise über Klassenführung oder kognitive Aktivierung als wichtige Unterrichtsmerkmale spreche, macht eine Aufzeichnung aus dem Unterricht die abstrakten Themen anschaulich", sagt die Professorin. Sie könne auf diese Weise Theorie und Praxis miteinander in Verbindung bringen.

Ein Uni-Klassenzimmer, untergebracht an einer Würzburger Grundschule: Dieses Ziel hofft Sanna Pohlmann-Rother in den kommenden Jahren verwirklichen zu können. Während in dem einen Raum Unterricht stattfindet - möglicherweise sogar von ihren Studierenden gehalten - können in einem angrenzenden Raum sie und ihre Seminarteilnehmer das Geschehen beobachten und diskutieren.

Übergänge gestalten

Übergänge im Bildungssystem sind ein weiteres Forschungsgebiet der Professorin. Diese gelten als kritische Phasen, die mit Chancen und Risiken für die Betroffenen verbunden sein können, unter anderem weil die zu treffenden Bildungsentscheidungen gesellschaftliche Ungleichheiten verstärken können. In ihrer Forschung beschäftigt sich Sanna Pohlmann-Rother sowohl mit dem Übergang vom Kindergarten in die Grundschule als auch mit dem Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen. Bei beiden Übergängen richtet sie ihr Augenmerk auf die Kooperation der beteiligten Akteure sowie auf die Anschlussfähigkeit der Bildungsprozesse.

Wie können Übergänge gelingen? Wie nehmen die Beteiligten die Phase der Einschulung wahr und welche Entscheidungen treffen sie? Mit Blick auf den Übergang am Ende der Grundschulzeit beschäftigt sich die Wissenschaftlerin mit der Frage, wie Eltern im Übergang angemessen beraten und bei ihrer Entscheidung über die Wahl der weiterführenden Schulform unterstützt werden können. Auch auf die Lehrpersonen richtet sie den Fokus: Welche Kriterien, Entscheidungsprozesse, Bewertungsaspekte liegen dem Handeln der Lehrpersonen zugrunde, wenn sie eine Übertrittsempfehlung aussprechen müssen?

Digitales Lernen erforschen

"Digitales Lernen" bildet einen weiteren Schwerpunkt von Sanna Pohlmann-Rothers Forschung. Wenn sich Erstklässler schon mit Tablets beschäftigen, will sie wissen, ob diese Technik tatsächlich den gewünschten Erfolg bringt. Unter welchen Umständen? Und welche Inhalte eignen sich eigentlich dafür? Sie kann sich beispielsweise vorstellen, den Einsatz spezieller Apps wissenschaftlich zu evaluieren - mit Schulklassen, die mit dieser App arbeiten und Kontrollklassen, die auf "konventionelle" Weise unterrichtet werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist in ihren Augen die Zusammenarbeit von Grundschulpädagogik, Medienpädagogik und Fachdidaktik.

Ihre Studierenden will sie im Rahmen von Unterrichtsversuchen mit der Technik in Kontakt bringen. "Sie sollen die entsprechenden Kompetenzen entwickeln und vielleicht schon erste, didaktisch sinnvolle Lernarrangements erarbeiten", sagt sie.

Zur Person

Sanna Pohlmann-Rother hat von 1997 bis 2003 an der Universität Gießen für das Lehramt an Grundschulen studiert und am Studienseminar Marburg den Vorbereitungsdienst absolviert. Bis 2005 war sie Grundschullehrerin mit Klassenleitung im Landkreis Marburg-Biedenkopf.

Ihr "großes Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten" sei dafür verantwortlich, dass sie nach den zwei Jahren an der Schule zurück an die Uni sei, sagt die Professorin. Von 2003 bis 2006 studierte sie deshalb Deutsche Literaturwissenschaft, Erziehungswissenschaft und Psychologie an der Universität Gießen.

Weitere Stationen ihrer Karriere waren Tätigkeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Akademische Rätin am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik der Universität Bamberg. 2009 wurde sie mit einer Arbeit über "Der Übergang am Ende der Grundschulzeit. Zur Formation der Übergangsempfehlung aus der Sicht der Lehrkräfte" promoviert. Von 2015 bis zu ihrem Wechsel nach Würzburg war sie Professorin für Pädagogik und Didaktik der Primarstufe an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution99

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 18.04.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2017

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