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MELDUNG/314: Kongress-TeilnehmerInnen kritisieren Asylpaket II (NGfP)


Neue Gesellschaft für Psychologie (NGfP) - 7. März 2016

NGfP-Kongress-TeilnehmerInnen kritisieren Asylpaket II

Traumatisierte Geflüchtete haben ein Recht auf qualifizierte psychotherapeutische Behandlung


Erklärung der Teilnehmer_innen des Kongresses "Migration und Rassismus" der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP) vom 3. bis 6. März 2016 in Berlin zum Asylpaket II


Mit der im Asylpaket II beschlossenen Verschärfung des Aufenthaltsrechts soll eine raschere Abschiebung von durch Krieg und Flucht traumatisierten Menschen ermöglicht werden. Gegen Abschiebungen wenden wir uns. Anders als in der Begründung des Gesetzes behauptet, stellt die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zweifelsfrei eine erhebliche, schwerwiegende und oft lebensbedrohliche Erkrankung dar. Dies zu leugnen, bedeutet eine eklatante Missachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die internationale Klassifikation von Krankheiten (ICD 10) führt genaue Diagnosekriterien für PTBS auf.

Das im Asylpaket II vorgesehene Schnellverfahren verhindert jegliche seriöse, professionelle Diagnostik. Die Bagatellisierung der PTBS soll zu mehr Abschiebungen nach lediglich oberflächlicher Prüfung führen. Umso befremdlicher ist es, wenn andererseits die Bundesregierung im Jahr 2014 eine Sondervereinbarung mit der Bundespsychotherapeutenkammer abgeschlossen hat, um eine zeitnahe Behandlung im Auslandseinsatz psychisch traumatisierter Bundeswehrsoldat_innen zu gewährleisten. Die Gesundheit von Geflüchteten darf nicht weniger Wert sein, als die Gesundheit von Soldat_innen.

Insbesondere wenden wir uns gegen die 14-Tage-Frist, innerhalb derer Flüchtlinge alle Untersuchungen absolviert und Gutachten über eine psychische Krankheit eingeholt haben sollen. Psychologische Psychotherapeut_innen sind nach dem neuen Gesetz zur Begutachtung nicht mehr zugelassen, dafür aber jede_r approbierte_r Arzt oder Ärztin, auch ohne psychotherapeutische Qualifikation. Diagnose und Behandlung psychischer Erkrankungen bedürfen aber in jedem Fall fachpsychotherapeutischer Kompetenz.

Traumatisierte Geflüchtete müssen verlässlich ein Aufenthaltsrecht erhalten. Die Beendigung der traumatisierenden Situation, ein sicherer Ort und eine sichere Lebenssituation sind unabdingbare Voraussetzungen für die Behandlung traumatischer Störungen. Das gilt besonders für Kinder und Jugendliche. Das Gesetz erhöht die Gefahr einer erneuten Traumatisierung und einer erheblichen Verschlimmerung des Krankheitsbildes. Die Menschenwürde und das Recht auf Unversehrtheit von Leib und Leben werden verletzt.

Das Asylpaket II belegt, dass es nicht um eine unvoreingenommene Prüfung von Asylanträgen, sondern nur um rasche Abschiebung geht. Es ist ein alarmierender Beweis für die menschenfeindliche Politik gegenüber Geflüchteten und Migrant_innen, die wir entschieden verurteilen.

Berlin, März 2016


Die NGfP
Die Neue Gesellschaft für Psychologie e.V. ist ein Zusammenschluss von WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen aus der Psychologie und deren Nachbarprofessionen. Ihr gemeinsames Ziel ist die methoden- und gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit psychologischen Themen. Zu diesem Zweck bemüht sich die NGfP um eine fächerübergreifende Zusammenarbeit sowie um die Überwindung der Spaltung von Wissenschaft und Praxis.

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Quelle:
Neue Gesellschaft für Psychologie (NGfP)
Pariser Str. 56, 10719 Berlin
E-Mail: orga2016-PR@ngfp.de
Internet: http://www.ngfp.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2016

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