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MELDUNG/350: Bach hilft nicht immer beim Sprachenlernen (idw)


Humboldt-Universität zu Berlin - 19.08.2016

Bach hilft nicht immer beim Sprachenlernen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, wie Hirnaktivität unabhängig von Hintergrundmusik den Erfolg beim Lernen von Vokabeln vorhersagt


Leistungssteigerung beim Sprachenlernen mithilfe von Hintergrundmusik ist ein Thema, das Forscherinnen und Forscher seit Jahrzehnten beschäftigt. Neuere Befunde legen nahe, dass Persönlichkeitseigenschaften wie z.B. Introvertiertheit sowie Art bzw. Kontext der Aufgaben eine bedeutsame Rolle spielen. Ob es Musik gibt, die bei kognitiven Aufgaben wie dem Lernen von Vokabeln leistungsfördernd wirkt, ist weiter umstritten. Dr. Mats Küssner, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) konnte nun gemeinsam mit Kolleginnen der Universität von Amsterdam zeigen, dass Vokabeln besser im Gedächtnis bleiben, wenn mehr von einer bestimmten Hirnaktivität vorherrscht - ein Effekt der unabhängig von Hintergrundmusik gemessen wurde. Ihre Ergebnisse wurden nun in der Open-Access-Zeitschrift PLOS ONE veröffentlicht.


Für die Studie "EEG Beta Power but Not Background Music Predicts the Recall Scores in a Foreign-Vocabulary Learning Task" haben die Forschenden in zwei Phasen die Hirnaktivität von Testpersonen vor dem Vokabellernen gemessen. Mittels Elektroenzephalographie (EEG) konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler belegen, dass der Anteil der Beta-Wellen, die im Allgemeinen mit gesteigerter Aufmerksamkeit und Wachsamkeit assoziiert werden, das Abschneiden in einem Vokabeltest vorhersagt. EEG ist eine Methode der medizinischen Diagnostik und Neurowissenschaften und wird zur Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns eingesetzt. Sie fanden heraus, dass diejenigen Personen, die einen höheren Anteil an Beta-Wellen hatten, besser in anschließenden Vokabeltests abschnitten als diejenigen mit einem geringeren Anteil an Beta-Wellen. Das EEG-Signal wird üblicherweise in verschiedene Frequenzbereiche eingeteilt. Beta-Wellen liegen in einem Spektrum zwischen ca. 14 und 35 Hz und können unter anderem den Grad der Aufmerksamkeit im Wachzustand anzeigen.

In dem Experiment mussten die Testpersonen in zwei Phasen neue Vokabeln lernen. In der einen hörten sie dabei Hintergrundmusik, während in der anderen Stille herrschte. Bei den zu lernenden Vokabeln handelte es sich um 64 Fantasiewörter wie "niek", "bondas" oder "isfo", um auszuschließen, dass sie den Personen vor dem Experiment bekannt waren. In beiden Fällen gab es drei Lernrunden, an die sich jeweils direkt ein Vokabeltest anschloss. Zudem wurden sie eine Woche später erneut ins Labor gebeten, um zwei weitere Vokabeltests zu absolvieren.

"Dieser Zusammenhang zwischen Beta-Wellen und kognitiver Leistung war unerwartet und eröffnet viele neue Forschungsperspektiven. Eine Frage, die sich direkt daraus ergibt, ist: Wie kann der Anteil der Beta-Wellen beim Lernen erhöht werden? Hierbei kann Hintergrundmusik durchaus eine große Rolle spielen. Ob Mozart oder Motörhead, Bach oder Beatles - der Erfolg der kognitiven Leistungssteigerung mittels Musik wird aber stark vom individuellen Musikgeschmack abhängen", ergänzt Küssner. Es ist daher praktisch ausgeschlossen, dass ein Musikstück gefunden oder komponiert werden kann, das bei allen Menschen die kognitive Leistung erhöht.

Ob und welche Musik in der Lage ist, mehr Beta-Wellen zu erzeugen, ist eine von zahlreichen Forschungsfragen, denen im neu gegründeten Erich von Hornbostel Audio Emergence Lab (HAEL) nachgegangen wird. Das Labor ist angesiedelt am Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der HU. Es wird finanziert aus Mitteln der Förderlinie "Kontinuität exzellenter Forschung" im Rahmen des HU-Zukunftskonzepts "Bildung durch Wissenschaft - Persönlichkeit, Offenheit, Orientierung".


Originalpublikation:

Mats B. Küssner, Annette M. B. de Groot, Winni F. Hofman, Marij A. Hillen:
"EEG Beta Power but Not Background Music Predicts the Recall Scores in a Foreign-Vocabulary Learning Task":
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0161387



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution46

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Humboldt-Universität zu Berlin, Hans-Christoph Keller, 19.08.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2016

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