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BERICHT/033: Migrationswissenschaftliche Fragen - Bekenntnis und Verständnis ... (SB)


Humanistisch, kapitalismuskritisch und interdisziplinär

NGfP-Kongress "Migration und Rassismus. Politik der Menschenfeindlichkeit" in Berlin


Logo der Veranstaltung - Skizzierte Landkarte mit Fluchtrouten.Quelle: NGfP

Quelle: NGfP

Vom 3.-6. März 2016 findet in Berlin der Kongress "Migration und Rassismus. Politik der Menschenfeindlichkeit" statt. Veranstalter sind die Neue Gesellschaft für Psychologie (NGfP) und der AStA der Freien Universität Berlin. Mit dem Thema knüpft die NGfP an den Kongress des Vorjahres "Krieg um Köpfe" an, über den die Redaktion Schattenblick berichtet hat. 2015 ging es um die Mittel und Methoden, mit denen die Politik die Zustimmung zu militärischen Operationen erreicht hat gegen alle Vorbehalte in weiten Teilen der Bevölkerung. Diesmal ist es die Flüchtlingsproblematik, für die aus Sicht von Dr. Christoph Bialluch, stellv. Vorsitzender der Organisation, genau diese militärischen Interventionen und die Kriege in Syrien, Libyen und weiteren Ländern verantwortlich sind. Die direkte und indirekte Beteiligung Deutschlands und Europas an diesen Interventionen und die damit verbundene Mitverantwortung für die daraus entstandene Krise wird von Politikern ebenso wie von den meisten Medien kaum thematisiert.

Beim Kongress werden der deutsch-persische Schriftsteller Bahman Nirumand, der Historiker und Konfliktforscher Kurt Gritsch und Klaus-Jürgen Bruder, Vorsitzender der NGfP, auf diese Problematik eingehen. Aber es wird auch eine ganze Reihe von Vorträgen über die psychotherapeutische Arbeit mit Flüchtlingen geben. Das betrifft z.B. Boris Friele vom Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin, Dr. Uwe Langendorf, Psychoanalytiker und Dozent am Junginstitut Berlin, und Michaela M. Müller, die in ihrer Münchener Praxis überwiegend Flüchtlinge und Migranten aufgrund von Posttraumatischer Belastungsstörung, Depression und anderen Erkrankungen behandelt. Dass sie nicht nur beispielhaft auf die Besonderheit bei diesen Therapien eingeht, sondern auch das Asylpaket II scharf wegen seiner Passagen zu psychischen Erkrankungen kritisiert, ist typisch für viele Referenten auf den NGfP-Kongressen. Sie sind nicht nur Fachleute auf dem Gebiet der Psychotherapie, Psychologie oder Pädagogik; sie sind auch immer politisch Mitdenkende, die sehr aufmerksam Prozesse in der Gesellschaft über ihren Fachbereich hinaus beobachten und reflektieren. So wird der Nervenarzt Dr. Christoph Seidler über den Konflikt sprechen, ob er einen Patienten mit Migrationshintergrund an einem bestimmten Punkt der Behandlung eher in seiner Kultur oder in den Prozessen zur Anpassung an die hiesige Kultur unterstützen sollte.

Christoph Bialluch sieht Informationslücken, in die der Kongress vorstoßen kann. Das betreffe z.B. Prof. Elisabeth Rohr, die über ihren Forschungen in Lateinamerika berichten wird. Dort ging es um das Schicksal zurückgebliebener Kinder, deren Eltern nach Nordamerika emigrierten, um so die Daheimgebliebenen finanziell besser unterstützen zu können. Aus diesen Erfahrungen wird sie versuchen, pädagogische und psychische Betreuungsansätze für die 60.000 unbegleiteten Kinder und Jugendlichen abzuleiten, die seit 2014 nach Deutschland gekommen sind. Ein Panel wird sich ganz dem gegenwärtigen Rassismus zuwenden, ein anderes den Folgen des Kolonialismus im Kontext mit heutigen Migrationsbewegungen. Junge Wissenschaftlerinnen wie Gesa Köbberling steuern aus ihrer aktuellen Forschungsarbeit Erkenntnisse zur Bewältigung rassistischer Gewalt im Kontext mit gesellschaftlichen Bedingungen bei. Bei Monique Kaulertz geht es um Erzählen und Schweigen in der Institution Asyl - von der Anhörung beim Bundesamt für Migration bis zum lebendigen Gedankenaustausch in Selbstorganisationen.

Insgesamt werden mehr als 30 Referenten aus Wissenschaft und Praxis beim Kongress sprechen. Dieser ist wie immer bei der NGfP interdisziplinär. Das erlaubt der eigenen Profession den Blick über den Tellerrand der Psychologie und gestattet u.a. Politologen, Historikern, Ethnologen umgekehrt Einblick in Forschung und Praxis von Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiatern.


Mehr Informationen unter:

http://www.ngfp.de/ und auf
http://www.ngfp.de/wp-content/uploads/2015/12/MuR_Ankuendigungsflyer_21122015.pdf

26. Februar 2016


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