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INTERVIEW/020: Ungleichheit sozial - Bruch der Hoffnungen, Friederike Bahl und Philipp Staab im Gespräch, Teil 1 (SB)


Der soziologische Blick

Erster Teil des Gesprächs mit den Soziologen Friederike Bahl und Philipp Staab am 31. März 2014 in Hamburg



Globale Ungleichheit bedeutet zum Beispiel, daß über eine Milliarde Menschen an chronischem Hunger leidet und 25.000 Menschen täglich daran sterben. Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, der Schweizer Soziologe Jean Ziegler, bezeichnete schon vor Jahren den Hungertod eines jeden Kindes, weil aus seiner Sicht vermeidbar, als Mord. Angesichts weltweit sich verschärfender, nach wie vor ungelöster Probleme von Armut, Umweltzerstörung und prekärer werdender sozialer Konflikte selbst in den als Wohlfahrtsinseln geltenden Staaten des Nordens gewinnt die Frage nach der Zukunft der globalen Ungleichheit zunehmend an Brisanz. Das der bürgerlichen Gesellschaft immanente Aufstiegsversprechen kann im nationalen wie internationalen Kontext immer weniger eingelöst werden. Die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Folgen sind nicht abzusehen.

Die Wissenschaft, in diesem Fall die Soziologie, pflegt bis heute einen ganz speziellen Blick auf diese Realität. Das Hamburger Institut für Sozialforschung widmete dem Thema jüngst gleich zwei Veranstaltungen. Am 20. März fand eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema "Die Zukunft globaler Ungleichheit" mit den Makrosoziologen Prof. Dr. Heinz Bude und Prof. Dr. Anja Weiß statt. [1] Einen Tag später diskutierten Experten anläßlich eines nicht-öffentlichen Workshops am Institut über "Kernfragen der gegenwartsdiagnostischen Ungleichheitsforschung". Dabei ging es um Themen wie Herrschaft und Reproduktion von Ungleichheit, Subjektivitäten am Rande der Arbeitsgesellschaft sowie Protest und Transformation in der europäischen Krise.

Maßgeblich organisiert wurde der Veranstaltungskomplex von den Soziologen Friederike Bahl und Philipp Staab. Beide sind seit 2007 am Hamburger Institut für Sozialforschung tätig und haben mit der Podiumsdiskussion und dem Workshop ihre eigene Forschungsarbeit zum Thema Dienstleistungsproletariat in der Bundesrepublik Deutschland zum Abschluß gebracht. Mit beiden führte der Schattenblick am 31. März ein längeres Gespräch. Wegen seines nicht unerheblichen Umfangs und der thematischen Vielfalt veröffentlichen wir dieses Interview in mehreren Teilen.

Die Interviewten vor einer Zeitschriftenwand stehend - Foto: © 2014 by Schattenblick

Philipp Staab und Friederike Bahl
Foto: © 2014 by Schattenblick


Schattenblick (SB): Unter den Teilnehmenden an dem Workshop zur "Zukunft der Ungleichheit" schienen nicht wenige Studenten und junge Wissenschaftler zu sein. Für wen haben Sie den Workshop konzipiert?

Friederike Bahl (FB): Wir haben eine gesunde Mischung aus etablierten Kollegen und jungen Nachwuchswissenschaftlern von ungefähr fifty-fifty im Sinn gehabt, und das hat sich auch ganz gut realisieren lassen. Sie kamen aus verschiedenen soziologischen Bereichen, die aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema Ungleichheitsforschung schauen und dabei jeweils andere Gruppen in den Blick nehmen.

SB: Gab es einen speziellen Grund dafür, daß der Workshop nicht öffentlich war?

FB: Wir wollten eine Mischung aus öffentlicher und nicht-öffentlicher Veranstaltung machen. Zum Auftakt die Podiumsdiskussion, weil es einfach von öffentlichem Interesse ist, etwas über Ungleichheit zu erfahren und darüber zu diskutieren. Daß der Workshop nicht öffentlich war, hatte den Grund, den Kreis ein bißchen handhabbar zu halten, damit die Gruppe dann auch wirklich in die Diskussion eintauchen und das Ganze vertiefen kann.

SB: Was war die größte Kontroverse in der Diskussion?

Philipp Staab (PS): Es ist tatsächlich ein bißchen irritierend gewesen, daß wir uns eigentlich, in weiten Teilen zumindest, ziemlich einig waren.

FB: Wir haben von verschiedenen Bereichen aus auf das Thema Ungleichheit geschaut. Philipp zum Beispiel aus dem Blick des Dienstleistungsproletariats, Sighard Neckel aus Frankfurt [2] mehr von oben, von den Eliten einer Financial Global Class aus. So wurden quasi zwei verschiedene Perspektiven geliefert, die letztendlich eher komplementär zueinander sind, als daß sie sich wirklich widersprochen hätten.

PS: Wir haben die Veranstaltungen auf diese Weise organisiert, weil wir einerseits als Haus der Öffentlichkeit etwas bieten und Interessierte am Denken und Forschen, wie es hier im Institut stattfindet, teilhaben lassen wollen. Andererseits wollten wir eine gute Diskussionsatmosphäre schaffen für Arbeiten, die eher so den Charakter von "Work in Progress" haben und vielleicht noch nicht ganz abgeschlossen sind, wo man dann auslotet, wie eigentlich die Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Strängen von Forschung sind, die es in der Bundesrepublik zum Thema gibt.

Auf dem Workshop haben wir im Prinzip drei große Fragen gestellt. In der Podiumsdiskussion war das die Frage nach globaler Ungleichheit und ihren Bedingungen unter gewandelten ökonomischen Voraussetzungen. Das ist die Frage der Herrschaft, wie man das im Grunde in der Soziologie adressiert. Die zweite Frage war die nach den Betroffenen, die wir vor allem über Subjektivitätsmodelle befragt haben. Das hat unter anderem Friederike im Rahmen eines Projektes zum Thema Dienstleistungsproletariat gemacht, das wir hier im Haus gemeinsam bearbeitet haben und das jetzt gerade zum Schluß gekommen ist. Friederike hat sich einfache Dienstleistungsarbeit angeschaut, die Arbeit in Discount-Märkten, bei Post- und Paketdiensten, in großen Teilen des Einzelhandels, bei der Gebäudereinigung und dergleichen, also sozusagen die weibliche Seite der Arbeiterklasse in der Gegenwart. Klaus Dörre [3] hat dann Forschung aus den industriellen Kernbereichen beispielsweise großer Automobilhersteller präsentiert und gefragt: Wie läuft eigentlich die soziale Stratifizierung [4], die Logik der Ungleichheit in diesen doch sehr etablierten Arbeitsmarktsegmenten?

Das Dritte war dann die Idee, daß man eigentlich nicht über Ungleichheit und vor allem nicht über die Zukunft der Ungleichheit sprechen kann, ohne nicht auch in einem bestimmten Ausmaß über den Widerstand gegen Ungleichheit zu reden. Dazu hatten wir Claus Offe [5] eingeladen, eine Koryphäe, einen Elder Statesman in der Bundesrepublik zu diesem Thema, und Oliver Nachtwey [6], der hier am Haus gerade Gastwissenschaftler ist. Die beiden haben sich mit der Frage beschäftigt, ob die Proteste gegen die europäische Austeritätspolitik eigentlich Proteste gegen Ungleichheit sind oder nicht und was das für Konsequenzen hat.

SB: Und sind sie das?

PS: Ich glaube, die beiden sind sich ziemlich einig gewesen, daß sie es sind, und zwar unter der Voraussetzung einer extremen Ungleichzeitigkeit. Was wir jetzt zum Beispiel in den Ländern des europäischen Südens sehen, ist das Durchpauken einer politisch-ökonomischen Agenda, die wir in Deutschland schon vor zehn Jahren durchgedrückt haben. Die Proteste beispielsweise gegen die Agenda 2010, die ja massiv waren in Deutschland, sind zehn Jahre her und existieren in dem Sinne nicht mehr als eine politische Bewegung, die man jetzt mit den Indignados in Spanien oder dergleichen verknüpfen könnte. Aber man muß natürlich auch sehen, daß wir gerade in gewisser Weise die Früchte dessen ernten, und zwar in zweierlei Hinsicht. Wir haben einen extrem dynamischen Arbeitsmarkt, eine sehr hohe Erwerbsbeteiligungsquote und relativ wenig Arbeitslose. Aber wir haben auf der anderen Seite auch die Radikalisierung von Ungleichheit: Acht Millionen Menschen im Niedriglohnsektor mit Stundenlöhnen, die unter 9 Euro liegen. Das sind zwei Seiten einer Medaille.

SB: Damit sind wir schon fast bei Ihrem Forschungsprojekt. Würden Sie einmal schildern, wie Sie da vorgegangen sind, welche Ansätze Sie verfolgt haben und zu welchen Ergebnissen Sie gekommen sind?

FB: Wir haben eine Untersuchung zum Bereich einfache Dienstleistungsarbeit gemacht unter dem Stichwort "Dienstleistungsproletariat". Im Kern haben wir die Branchen Post- und private Paketdienstleister, Discount-, Lebensmittel- und Textileinzelhandel, Gebäudereinigung und Service-Dienstleistungen im Bereich von Gebäudesicherung und Parkplatzbewachung untersucht, und dann auch noch, unter dem Stichwort soziale Dienstleistung, die Altenpflege. Wir haben im Prinzip ein Projekt gemacht, das methodisch aus einem dreifachen Zugriff besteht. Wir haben Interviews geführt zum einem mit Experten, d.h. mit Arbeitgebern und Wissenschaftlern, die in diesem Bereich forschen, und dann auch mit Gewerkschaftsvertretern gesprochen. Und schließlich haben wir - jenseits dieser Expertengespräche - mit Arbeitnehmern aus all diesen Branchen und aus verschiedenen Unternehmen Interviews geführt, die wir auch kontrastierend gegenübergestellt haben.

Friederike Bahl spricht gestikulierend, Philipp Staab hört zu - Foto: © 2014 by Schattenblick

Wie sieht die Arbeit im Dienstleistungsproletariat aus?
Foto: © 2014 by Schattenblick

Der zweite Zugriff bestand in Beobachtungen, die wir selbst gemacht haben. Wir sind einfach einmal mit auf eine Gebäudereinigungsschicht gegangen oder mit den Postdienstleistern eine Tour gefahren. Der dritte Zugriff ging über Gruppendiskussionen, d.h., wir haben Arbeitnehmer aus derselben Branche an einen Tisch gesetzt und sie über verschiedene Thesen diskutieren lassen, um einen Zugriff auf mögliche Zugehörigkeitskategorien und Deutungshaushalte zu bekommen. Wir haben dann solche Thesen in den Raum gestellt wie "Jede Arbeit ist besser als keine Arbeit" und gefragt: "Stimmt das eigentlich, sehen Sie das so?"

PS: Wir wollten herausfinden, ob die eine gemeinsame Position finden oder nicht.

SB: Und stimmt die These?

FB: Unter Einschränkungen. Tatsächlich ist nicht jede Arbeit besser als keine Arbeit, aber die Leute sind schon in all diesen Bereichen branchenübergreifend der Ansicht, daß es für sie wichtig ist, Arbeit zu haben. Es macht für sie einen großen Unterschied, ob man im Kern für sich selbst sorgen kann oder ob man nur von sozialstaatlichen Transferleistungen lebt. Das hört aber natürlich dann auf, wenn die Arbeit unglaublich verdichtet wird, d.h. wenn bei der Postzustellung etwa die Touren sehr ausgeweitet werden, aber trotzdem die Belegschaftszahl gleich bleibt etc. Dann äußern die natürlich schon Kritik und sehen das auch so. Letztendlich bleibt es aber dabei, daß sie sagen, es macht für sie tatsächlich einen Unterschied ums Ganze. Es kommt für sie nicht in Frage, ganz auf sozialstaatliche Leistungen angewiesen zu sein, selbst wenn sie das letzten Endes häufig sind, wenn sie zum Beispiel aufstocken müssen.

SB: Haben Sie auch Menschen befragt, die zur Stammbelegschaft gehören, also "normale" Arbeitsverhältnisse haben, oder nur Betroffene des, wie Sie sagen, Dienstleistungsproletariats?

PS: Die Gewerkschafter hatten normale Arbeitsverhältnisse.

SB: Sonst keiner?

PS: Nein. Aber was heißt da schon normale Arbeitsverhältnisse? Welchen Geltungsanspruch die Idee von einem normalen Arbeitsverhältnis, das Sie vielleicht meinen und wie wir uns das in der Nachkriegszeit vorgestellt haben, quer durch die Arbeitswelt eigentlich wirklich noch hat, ist eine ganz große Frage. Und ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht sicher, ob das viel mehr als ein Drittel der Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland richtig beschreibt. Und wenn es das nicht tut, ist doch die Frage, haben wir uns normale oder nicht normale, atypische Arbeit angeschaut? Ich würde sagen, wir haben uns ein mittlerweile relativ normales und etabliertes Arbeitsmarktsegment angesehen.

SB: Das heißt, das Atypische ist heute das Normale?

PS: In dem Fall ja, das würde ich so sagen. Wobei unsere Argumentation nicht so sehr darauf hinausläuft, uns zum Beispiel den Wandel von Arbeitsverträgen anzugucken. Aus dieser Debatte kommen ja Begriffe wie atypische oder prekäre Beschäftigung usw. Das ist nicht so sehr unser Schwerpunkt. Bei unserem Projekt haben wir uns nur Dienstleistungsarbeit angeschaut. Dabei haben wir drei große Fragen gestellt. Die erste ist die nach der Arbeit: Was tun die Leute eigentlich den ganzen Tag und unter welchen Bedingungen? Die zweite ist die nach den Kontroll- und Herrschaftsdynamiken: Wie ist eigentlich die Herrschaftserfahrung der Leute und wie hängt das mit der Reproduktion ihrer eigenen Lage zusammen? Die dritte Frage ist die nach den Gesellschaftsbildern, also danach, wie die Leute eigentlich über die Gesellschaft, in der sie leben, denken.

Das ist ein ziemlich etabliertes Forschungsprogramm, das in den 80er Jahren abgerissen ist, nachdem es in der Nachkriegszeit hauptsächlich auf die Industriearbeiterschaft angewendet wurde. Das war die Debatte, die man in der Industriesoziologie in Deutschland unter dem Stichwort Proletarisierung oder Entproletarisierung geführt hat. Was passiert mit der einfachen Industriearbeit? Die Antwort lautete in der Nachkriegszeit letzten Endes: Entproletarisierung. Inzwischen sind wir bei einer neuen Dimension von Arbeit und Herrschaft angelangt, weil die einfachen Arbeiten durch technische Substitution weniger geworden und sukzessive verschwunden sind. Stattdessen gibt es die sogenannten Systemregulierer, also Leute, die Maschinen, die die vormals einfache menschliche Arbeit gemacht haben, bedienen und auch reparieren müssen. Diese Art Jobs sind wichtiger geworden. Deswegen haben wir im Ganzen eher eine Aufwertung der Industriearbeit gesehen, wobei natürlich die Frage immer lautet: Ist die Arbeitslosigkeit der 80er und 90er Jahre ein Effekt dieser Aufwertung? So war die Debatte. Wir haben dieses Programm genommen und uns das für die einfache Dienstleistungsarbeit angeschaut mit genau der Frage, die der Titel des Projektes auch nahelegt: Sehen wir eine Logik von Proletarisierung in der einfachen Dienstleistungsarbeit?

SB: Könnten Sie die Ergebnisse Ihres Projekts kurz skizzieren?

PS: Ja. Darum ging es unter anderem auch bei dem Workshop. Wir sehen einerseits, daß bestimmte Hoffnungen, die mit dem Aufkommen der Dienstleistungsgesellschaft - also der Dominanz von Dienstleistungsarbeit in den Staaten der OECD, zu denen auch Deutschland gehört - verbunden waren, enttäuscht worden sind. Die Erwartungen bestanden im Prinzip darin, daß Dienstleistungsarbeit hauptsächlich Wissensarbeit ist, geistige, qualifizierte und interaktive Arbeit, die direkt im Austausch zwischen Personen stattfindet wie zum Beispiel beim Friseur und die deswegen - und das ist jetzt der entscheidende Kniff im Vergleich zur Industriearbeit - verhältnismäßig rationalisierungsresistent ist. Die kann man nicht einfach technisch ersetzen, weil sie eben im direkten Kontakt mit dem Gegenüber stattfindet und weil das Wissen, das in unseren Köpfen ist, nicht einfach technisch ersetzt werden kann.

Wir sehen, daß das in unserer Gegenwart einerseits zutrifft. Wir haben die sogenannten Dienstklassen. Das betrifft in gewisser Weise uns, die Wissensarbeiter, die wissenproduzierend arbeiten, aber auch in den verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen großer Unternehmen tätig sind, Werbefachleute, Designer, Ärzte, Anwälte. All das faßt die Soziologie unter Dienstklassen mit hohem Einkommen und hohen Autonomie-Spielräumen in der Arbeit. Als sozialstrukturellen Spiegel dessen haben wir aber auch eine Expansion von einfacher Dienstleistungsarbeit erlebt. Was wir oder die soziologische Debatte "Dienstleistungsproletariat" nennen, sind Tätigkeiten wie in der Gebäudereinigung. Das sind im Prinzip sehr viele. Es handelt sich um eine in Wert gesetzte, vermarktlichte Form der ehemals von Frauen in Haushalten erbrachten Dienste: Pflege, Reinigung und Catering in Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen. Das ist sozusagen die Dynamik, mit der wir es zu tun haben.

Wir sehen in den einfachen Diensten einerseits, daß die Arbeit unter einem extremen Rationalisierungsdruck steht, d.h. standardisiert und teilweise tatsächlich schon technisch ersetzt wird. Denken Sie an die Selbstkassiererkassen bei Ikea. Da sitzt nicht mehr eine Frau an der Kasse, sondern eine Frau oder ein Mann betreut vier bis fünf Kassen, an denen sich die Kunden selbst kassieren. Das ist ein Strang von Rationalisierung. Arbeit wird im Prinzip vom Beschäftigten auf die Kunden verlagert. Das ist auch die Logik, wie zum Beispiel das Internet funktioniert. Da gibt es keinen Verkäufer mehr, sondern ich klicke mich bei Amazon selber durch.

Wenn solche komplexen Tätigkeiten wie das Kassieren jetzt auf einmal durch die Kunden ausgeführt werden, bleiben für die Beschäftigten nur noch einfache Tätigkeiten übrig, im Supermarkt Sachen wegzuräumen, die Regale immer wieder neu aufzufüllen und gleichzeitig zwischen diesen einfachen Tätigkeiten hin- und herzuspringen. Dieses Springen ist das Zweite. Das ist Universalisierung und bedeutet, daß auf einmal alle für alles zuständig sind. So kann man logischerweise Personal einsparen und Flexibilität steigern. Und das Dritte, was Friederike gerade schon angesprochen hat, ist die Verdichtung von Arbeit. Die Leute müssen pro Zeiteinheit immer mehr Sachen tun - mehr Briefe austragen, mehr Sachen wegräumen, größere Flächen reinigen und dergleichen mehr.

(Fortsetzung folgt)

Blick von vorn auf das Institut - Foto: © 2014 by Schattenblick

Fragen globaler Ungleichheit am Hamburger Institut für Sozialforschung
Foto: © 2014 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] Siehe den Bericht zu dieser Podiumsdiskussion im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFOPOOL → SOZIALWISSENSCHAFTEN → REPORT:
http://schattenblick.de/infopool/sozial/report/sorb0028.html

[2] Sighard Neckel ist Professor für Soziologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. An dem Workshop zur Zukunft der Ungleichheit sprach er mit Philipp Staab zum Thema "Herrschaft und Reproduktion von Ungleichheit".

[3] Prof. Dr. Klaus Dörre ist am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena tätig. Er ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac und hat das Institut Solidarische Moderne mitgegründet. Auf dem Hamburger Workshop widmete er sich in Kooperation mit Friederike Bahl dem Thema "Subjektivitäten am Rande der Arbeitswelt".

[4] Der Begriff Stratifizierung wird in Statistik und Qualitätsmanagement verwendet in bezug auf eine Vorgehensweise, bei der eine zumeist inhomogene Grundgesamtheit in Teile bzw. Schichten zerlegt wird, aus denen Teilstichproben gezogen werden, aus denen dann wiederum eine Gesamtstichprobe gebildet wird.

[5] Prof. Claus Offe ist Soziologe und Politikwissenschaftler. Vor seiner Emeritierung im Jahr 2005 war er an der Berliner Humboldt-Universität tätig. Er engagiert sich im wissenschaftlichen Beirat des Netzwerks Grundeinkommen und sprach beim Workshop zum Thema "Transformation und Protest".

[6] Dr. Oliver Nachtwey ist Soziologe und Ökonom. Auf dem Workshop zur Zukunft der Ungleichheit begleitete er das Panel mit Prof. Offe zu "Transformation und Protest".


Bisherige Beiträge zur "Zukunft globaler Ungleichheit" im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFOPOOL → SOZIALWISSENSCHAFTEN → REPORT:

BERICHT/028: Ungleichheit sozial - Die Klassenfrage (SB)
INTERVIEW/019: Ungleichheit sozial - Primat der Politik? Prof. Dr. Anja Weiß im Gespräch (SB)

12. April 2014