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GESELLSCHAFT/357: Studie - "Erschreckend viele Wähler der AfD teilen Verschwörungsmentalität und antidemokratische Einstellungen" (idw)


Universität Leipzig - 25.02.2020

Studie: "Erschreckend viele Wähler der AfD teilen Verschwörungsmentalität und antidemokratische Einstellungen"


Rechtsextremismus, Gewaltbereitschaft, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und Verschwörungsmentalität - Wähler der AfD zeigen in allen Bereichen antidemokratischer Einstellungen deutlich höhere Zustimmungswerte als die Anhänger anderer Parteien. Das geht aus einer am (heutigen) Dienstag (25. Februar 2020) veröffentlichten, repräsentativen Studie des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig hervor.

Im Rahmen der Leipziger Autoritarismus-Studien befragten die Forscher von Mai bis Juli 2018 insgesamt 2.344 Personen im Alter zwischen 18 und 91 Jahren zu ihren politischen Einstellungen. Sie fanden unter anderem heraus, dass bei Wählern der AfD ein höherer tradierter Antisemitismus zu finden ist. Zudem seien in keiner anderen Wählergruppe rechtsextreme Einstellungen und Muslimfeindschaft weiter verbreitet als unter den Wählern dieser Partei, sagt der Leiter der Studie, PD Dr. Oliver Decker.

Aus den Ergebnissen lasse sich ableiten, dass ein Großteil der Anhänger die AfD nicht trotz, sondern wegen ihrer antidemokratischen Positionen wähle, ergänzt die an der Studie beteiligte Wissenschaftlerin Julia Schuler. Jene Bundesbürger, die zwar schon lange extrem rechte Einstellungen teilten - sei es Chauvinismus, Befürwortung einer Diktatur, Antisemitismus oder Ausländerfeindlichkeit - aber bis 2014 SPD oder CDU wählten, stimmten jetzt für eine Partei, die eine Programmatik entsprechend ihrer Einstellung umsetzt. Sie hätten in der AfD eine politische Heimat gefunden, so Decker. "Vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten Monate ist diese klare Positionierung gegen den demokratischen Zusammenhalt mit Sorge zu betrachten", betont der Rechtsextremismusforscher. Die Ermordung des hessischen Politikers Walter Lübcke, das Attentat auf die Synagoge in Halle und die anschließenden Morde, wie auch der jüngste rassistische Terroranschlag in Hanau mit zehn Ermordeten seien durch dieselbe rechtsextreme Ideologie der Ungleichwertigkeit motiviert gewesen.

Konkret fanden die Forscher heraus, dass AfD-Anhänger nicht nur mehrheitlich chauvinistischen und ausländerfeindlichen Aussagen zustimmten, sondern viele von ihnen auch eine rechtsautoritäre Diktatur bevorzugten und Demokratie ablehnten. Die Wissenschaftler, unter ihnen auch ein Forscher der Universität Siegen, bescheinigten ihnen zudem ein hohes Maß an Antisemitismus, Sozialdarwinismus sowie einen "ausgeprägten Hang zur Verharmlosung des Nationalsozialismus". 80,6 Prozent der AfD-Wähler hätten angegeben, sich durch "die vielen Muslime" fremd im eigenen Land zu fühlen. Mehr als 70 Prozent finden, Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden. Ein Großteil stellte triftige Asylgründe wie Verfolgung im Heimatland infrage.

Zudem war der Umfrage zufolge jeder fünfte AfD-Anhänger bereit zur Anwendung körperlicher Gewalt, um eigene Interessen durchzusetzen. Mehr als die Hälfte der AfD-Wähler findet Ressentiments gegen Juden mindestens teilweise verständlich. "Bei keiner anderen Partei nutzen die Anhänger so offen die Möglichkeit, ihren Antisemitismus zu äußern", erläutert der ebenfalls an der Auswertung beteiligte Soziologe Dr. Johannes Kiess von der Universität Siegen. Über ein Drittel der AfD-Wähler befürchteten, dass hinter politischen und sozialen Ereignissen in der Welt geheime Organisationen mit großem Einfluss stecken. Decker betont, dass "erschreckend viele Wähler der AfD diese Verschwörungsmentalität und antidemokratische Einstellungen teilen".

"Dass diese Motive in einigen Teilen der Bevölkerung geteilt werden, diese eine parlamentarische Repräsentanz haben und damit auch als legitim erfahren werden, macht das Risiko weiterer rassistischer Terroranschläge groß", warnt Decker. Er und seine Kollegen sehen die Vertreter der AfD in der Verantwortung, sich sowohl inhaltlich, als auch in der Rhetorik für den demokratischen Zusammenhalt in einer pluralen und liberalen Demokratie einzusetzen.


Weitere Informationen unter:
www.kredo.uni-leipzig.de
http://home.uni-leipzig.de/decker/wahlpraeferenz.pdf

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution232

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Leipzig, 25.02.2020
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Februar 2020

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