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JUGEND/062: Die Jugend bleibt in der Nähe der Eltern (idw)


Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin - 05.04.2011

Die Jugend bleibt in der Nähe der Eltern


Die Jugend weiß, wo es am schönsten ist: Ganz in der Nähe von Mutter und Vater. In die Ferne zieht es nur die wenigsten jungen Männer und Frauen, wenn sie das Elternhaus verlassen. Im Durchschnitt liegt ihre neue Bleibe gerade einmal 9,5 Kilometer entfernt vom Heim der Eltern. Jeder zehnte wagt sich sogar nur weniger als einen halben Kilometer weg. Das ist das Ergebnis einer jetzt vom DIW Berlin veröffentlichten Studie einer Forschergruppe um Thomas Leopold von der Universität Bamberg. "Besonders, wenn Mutter und Vater noch in dem Ort leben, in dem die Jugendlichen aufgewachsen sind, bleiben sie in deren Nähe", sagt der Sozialwissenschaftler.

Leopold und seine Kollegen hatten Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet. Besonders anhänglich sind demnach vor allem wenig gebildete Jugendliche aus bildungsfernen und ärmeren Familien. Drei Viertel von ihnen gründen ihren ersten eigenen Haushalt weniger als 20 Kilometer entfernt von den Eltern. "Selbst wenn es in der Region an Arbeitsplätzen mangelt, ist das für sie offenbar kein Grund, weiter weg zu ziehen", sagt Thomas Leopold.

Vor allem junge Männer in Ostdeutschland sind stark im Ort ihrer Kindheit verwurzelt. Wesentlich mobiler sind dort die Frauen, die in der Regel besser ausgebildet sind als die jungen Männer. "Sie finden in ihren Heimatorten oft weder einen geeigneten Studien- oder Arbeitsplatz noch den passenden Partner", so Leopold. "Für gebildete Frauen kommt es in der Regel nicht in Frage "nach unten" zu heiraten, also einen Mann zu wählen, der weniger verdient und einen schlechteren Schulabschluss hat", erläutert der Bamberger Soziologieprofessor Hans-Peter Blossfeld, der über mehrere Jahre das Heiratsverhalten der Deutschen untersucht hat.

Die Ergebnisse der Sozialwissenschaftler stellen eine gängige Auffassung in Frage. "Wir gehen davon aus, dass die erste eigene Wohnung eine geringere Rolle beim Erwachsenwerden spielt als bisher angenommen", sagt Thomas Leopold. "Die meisten jungen Menschen bleiben in der Nähe der Eltern wohnen und verlassen ihr vertrautes Umfeld nicht. Warum sollten sie anschließend wesentlich selbständiger sein als zuvor?"


Stichwort SOEP
Die Untersuchung basiert auf den Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), der größten und am längsten laufenden interdisziplinäre Längsschnittuntersuchung in Deutschland. Das SOEP ist am DIW Berlin angesiedelt und gibt Auskunft über Faktoren wie Persönlichkeitsmerkmale, Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit.
Im Auftrag des DIW Berlin werden jährlich mehr als 20 000 Personen in rund 10 000 Haushalten von TNS Infratest Sozialforschung befragt. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden, können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends sondern auch die gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen besonders gut analysiert werden.

Die Studie:
How Far Do Children Move? Spatial Distances After Leaving the parental Home. Thomas Lepold, Ferdinand Geißler, Sebastian Pink. SOEPpaper 368
http://www.diw.de/de/diw_01.c.369051.de/soeppapers.html

Weitere Informationen unter:
http://www.diw.de/soep
Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) im DIW
http://www.diw.de/de/diw_01.c.369051.de/soeppapers.html
SOEPpapers

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution375


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin, Monika Wimmer, 05.04.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2011