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SPLITTER/347: Neuer Boxstall wildert im Revier der Konkurrenz (SB)


Ahmet Öner macht sich keine Freunde in der Branche


Für die deutschen Boxställe ist die Zusammenarbeit mit Fernsehpartnern von existenzieller Bedeutung, da diese für den Löwenanteil ihrer Einkünfte sorgen und wie kein anderes Medium Präsenz beim Publikum schaffen. ARD (Sauerland), ZDF (Universum), RTL (Einzelverträge mit Wladimir Klitschko, Axel Schulz und Henry Maske), Eurosport (Spotlight) und DSF (SES) sind im Geschäft. Anders verhält es sich jedoch mit dem im Sommer gegründeten Arena-Boxstall, dessen Veranstaltungen bislang nur von einem kleinen Hamburger Lokalsender sowie von türkischen Stationen übertragen werden. Promoter Ahmet Öner muß früher oder später die Segel streichen, falls es ihm nicht gelingen sollte, mit einem größeren Sender handelseinig zu werden.

Wie aus dem Umfeld des türkischstämmigen Boxunternehmers verlautet, verhandle man derzeit mit verschiedenen Sendern und befinde sich mit ProSiebenSat.1 bereits in der dritten Gesprächsrunde. Gefordert wird dort ein quotenträchtiger Boxer, der Zuschauer bindet und als Flaggschiff den wenig bekannten Rest der Flotte in seinem Kielwasser nachzieht. Kann Arena einen derartigen Akteur verpflichten, ist die Einigung mit dem Sender angeblich so gut wie perfekt.

Folglich arbeitet Ahmet Öner mit Hochdruck daran, sein Aufgebot auszubauen und insbesondere einen namhaften Boxer an sich zu binden. Da Arena zunächst fast ausnahmslos türkische Profis von lokalem Bekanntheitsgrad unter Vertrag hatte, war damit beim breiteren deutschen Publikum kein Staat zu machen. Öner holte zuerst seinen Landsmann Sinan Samil Sam ins Boot, dessen persönlicher Manager er ist. Da der Schwergewichtler bei Kohl unter Vertrag steht, trat er zunächst leihweise für Arena auf. Kaum war dies geschehen, als Öner auch schon davon sprach, sein Schützling werde künftig immer für Arena in den Ring steigen. Dann folgte mit dem Kubaner Juan Carlos Gomez ein Boxer, der bei Universum wegen falscher Angaben hinsichtlich des Konsums verbotener Substanzen entlassen worden war. Der Kubaner tritt heute erstmals nach seiner Dopingsperre für seinen neuen Arbeitgeber an.

Ahmet Öner, der früher als Boxer mit durchwachsener Bilanz bei Kohl unter Vertrag stand und nach dem Abbruch seiner nicht allzu erfolgreichen Karriere Manager wurde, hatte mit Sinan Samil Sam schon in der Vergangenheit für reichlich Ärger gesorgt. Nach einer Niederlage seines Schützlings gegen Luan Krasniqi bezichtigte er Kohl vor aller Augen des Betrugs und wollte handgreiflich werden, worauf der Promoter den rabiaten Manager samt seinem Boxer vor die Tür setzte. Öner ging mit Sam zum Konkurrenten Sauerland, doch als der "Bulle vom Bosporus" in einem WM-Ausscheidungskampf unterlag, warf Ahmet Öner dem neuen Umfeld Versagen vor und kehrte auch diesem Boxstall den Rücken. Nun tauchte das Gespann wieder bei Kohl auf, der sich bereiterklärte, Sinan Samil Sam wieder unter Vertrag zu nehmen, wobei er fortan betonte, keinerlei geschäftliche Beziehungen mit Ahmet Öner zu pflegen, der mit der Tochter von Cheftrainer Fritz Sdunek verheiratet ist.

Um ProSiebenSat.1 als Fernsehpartner zu gewinnen und den geschäftlichen Durchbruch zu schaffen, mußte der umtriebige Promoter jedoch mehr als Sam oder Gomez in die Waagschale werfen. Er sorgte mit seinem aggressiven Vorgehen für beträchtlichen Aufruhr in der Szene, als er vor wenigen Wochen dem Berliner Promoter Wilfried Sauerland dessen IBF-Weltmeister im Mittelgewicht, Arthur Abraham, abspenstig machen wollte. Öner bot sagenhafte drei Millionen Euro Gage für drei Kämpfe, doch hatte er dabei übersehen, daß sein Wunschkandidat über eine einseitige Option an den Sauerland-Boxstall gebunden ist.

Dieses spektakuläre Angebot warf die Frage auf, auf welchem Weg ein neugegründetes Unternehmen wie Arena mit derart hohen Summen locken kann, die bei weitem übersteigen, was ein führender Promoter wie Wilfried Sauerland zu zahlen bereit ist. Möglich ist der finanzielle Kraftakt angeblich durch einen potenten Investor aus dem Wettgeschäft, der im Hintergrund bleiben möchte.

Kaum war die feindliche Übernahme Arthur Abrahams gescheitert, als Ahmet Öner zum nächsten Streich ausholte. Nun ist es Jürgen Brähmer aus dem Universum-Boxstall, den er für Arena unter Vertrag nehmen möchte. Wieder ließ sich Öner nicht lumpen und machte ein fettes Angebot, um den Schweriner ins Grübeln zu bringen, der Promoter Kohl und dessen Trainern viel verdankt, die ihm bei zwei Haftzeiten die Treue hielten und die Rückkehr in eine Boxkarriere möglichmachten.

Brähmer selbst wollte sich zu Einzelheiten des Angebots nicht äußern, doch ist inzwischen durchgesickert, daß es sich um einen Vertrag über drei Jahre mit festem Einkommen plus Kampfbörsen handeln soll. Wie der umworbene Boxer berichtete, habe man ihm sogar ohne sein Zutun eine Bankbürgschaft über die in Aussicht gestellte Summe angeboten. Er soll das Aushängeschild des Arena-Boxstalls werden und überdies bei einer späteren beruflichen Karriere unterstützt werden. Es sei ein sehr lukratives Angebot, und Universum habe mit seiner letzten Offerte weit darunter gelegen, sagte Brähmer: "Wenn die nicht ordentlich nachbessern, werde ich keinen neuen Vertrag unterschreiben."

Beim Universum-Boxstall hat man natürlich andere Pläne. Jürgen Brähmer soll nach seinem K.o.-Sieg über den Argentinier Francisco Mora Ende Oktober in Stuttgart am 24. Februar in Oberhausen wieder aus dem Rahmenprogramm aufrücken und als Hauptkämpfer im ZDF zu sehen sein. Da Brähmer langfristig vertraglich gebunden sei, sei die Offerte von Arena im Grunde kein Thema, erklärte Geschäftsführer Stefan Braune: "Der Vertrag verlängert sich durch die Haftstrafe um die Zeit, in der Jürgen inaktiv war. Wir sind zwar in Verhandlungen um einen neuen Vertrag, aber nur, weil wir den bestehenden modifizieren und den Gegebenheiten anpassen wollen."

Demgegenüber vertritt Jürgen Brähmer die Auffassung, er sei vertraglich nicht gebunden und habe zuletzt mit Klaus-Peter Kohl Verträge von Kampf zu Kampf gemacht. Daher werde er in den anstehenden Verhandlungen auf eine Verbesserung seiner vertraglichen Situation drängen: "Dann werden wir ja sehen, wohin die Reise geht."

Daß sich Ahmet Öner mit seinem Geschäftsgebahren in der Branche keine Freunde macht, liegt auf der Hand. Zwar sind die führenden deutschen Promoter gewiß keine Kinder von Traurigkeit, doch wildert der Chef des neuen Hamburger Boxstalls allzu dreist im Revier der Konkurrenz, als daß man seine zwischenzeitlichen Beteuerungen, ihm sei an einer fruchtbaren Zusammenarbeit in Hamburg gelegen, ernstnehmen könnte. Bedenklich stimmt zudem, daß seine weit überhöhten Lockangebote an bestimmte Boxer nicht zwangsläufig auf deren Vorteil hinauslaufen.

Beste Voraussetzung für eine zügige und erfolgreiche Karriere ist der Einfluß des Promoters, der seinen Schützling mit Kanonenfutter versorgt, die gefährlichsten Klippen umschiffen läßt und in der Rangliste nach oben befördert. So gesehen könnte der Verbleib bei Kohl oder Sauerland auch bei deutlich geringeren aktuellen Einkünften auf lange Sicht einträglicher und sportlich erfolgreicher als der hochdotierte Wechsel zu einem anderen Boxstall sein. Nicht unterschätzen sollte man zudem die Einstellung und Vertrauenswürdigkeit des jeweiligen Umfelds.

Gewiß vergißt Kohl sein Geschäft nicht, wenn er Jürgen Brähmer als "Jahrhunderttalent" anpreist und dafür gesorgt hat, daß dieses Attribut in keinem Medienbericht über den Schweriner fehlt. Doch Kohl ließ seinen talentierten Boxer auch nicht im Stich, als dieser im Gefängnis saß, und trat gegenüber den Behörden als Garant für die Betreuung beim Freigang und als Arbeitgeber für die Zeit nach der Haftentlassung auf. Er sorgte dafür, daß der Schweriner von fachkundigen Trainern betreut wurde und sofort wieder Kämpfe bekam. Selbst unter Maßgabe des bloßen Vorteilskalküls sollte sich Jürgen Brähmer die nächsten Schritte reiflich überlegen. Mit Blick auf seinen gesamten Lebenszusammenhang gilt es um so sorgfältiger zu prüfen, in wessen Hände er die kommenden Jahre seiner Karriere legt.


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Die höchsten Quoten der letzten Wochen:

Axel Schulz - Brian Minto ......... RTL 11,53 Mio
Felix Sturm - Gavin Topp ......... ZDF 4,5 Mio
Arthur Abraham - Edison Miranda ... ARD 4,37 Mio
Jürgen Brähmer - Francisco Mora ... ZDF 3,88 Mio
Wladimir Klitschko - Calvin Brock . RTL 2,33 Mio

15. Dezember 2006