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SPLITTER/353: Pompöse Werbetour durch elf amerikanische Städte (SB)


Oscar de la Hoya und Floyd Mayweather werben für ihren Megakampf

Bevor Oscar de la Hoya und Floyd Mayweather jr. am 5. Mai im Ring aufeinandertreffen, absolvieren sie eine Werbetour durch elf Städte, die mit allem aufwarten kann, was das US-Publikum im Vorfeld eines derartigen Boxspektakels in den Bann schlägt: Mit reichlich Stoff versehene Reporter, dröhnende Musikbeschallung, unablässige Videoclips, der legendäre Boxexperte Bert Sugar mit seiner kalten Zigarre und natürlich die beiden Hauptakteure, die sich gegenseitig Prügel androhen, während Beleidigungen zwischen ihren Lagern hin und her fliegen. Zum krönenden Abschluß fixeren die Kontrahenten einander mit starrem Blick für die Fernsehkameras und die zahlreich erschienenen Fotografen.

Natürlich hat die Welt nur auf dieses Ereignis gewartet, bei dem Geschichte geschrieben wird. Organisiert und finanziert wird die Tour von Oscar de la Hoyas Vermarktungsgesellschaft Golden Boy Promotions, die bei der ersten Station im Starlight Roof des Waldorf-Astoria reichlich Fans versammeln konnte, um für die nötige Kulisse zu sorgen. Je nachdem, wie ihre Sympathien verteilt waren, jubelten sie ihrem Favoriten zu und deckten den Gegner mit lautstarken Schmähungen ein, so daß sich das Medienereignis turbulent austobte.

Im Laufe der kommenden Wochen wird dieses Ritual in zehn weiteren Städten über die Bühne gehen, wobei Oscar de La Hoya schon zum Auftakt durchblicken ließ, wie sehr ihn diese Wiederholung langweile. Darauf verzichten möchte er dennoch nicht, gilt es doch das 54,95 Dollar teure Pay-per-view-Produkt des Senders HBO über jene 1,4 Millionen Kunden hinauszutreiben, die bei seinem Duell mit Felix Trinidad im Jahr 1999 für eine seither nie wieder erreichte Rekordmarke für einen Kampf unterhalb des Schwergewichts sorgten. Es sei eben sehr wichtig, zu den Fans hinauszugehen, um sich sehenzulassen, Autogramme zu schreiben und Hände zu scxhütteln. Außerdem sei es erfreulich, Don King einmal nicht im Boot zu haben, merkte der "Golden Boy" an.

Wo der Promoterkönig in Erscheinung tritt, ist er der unangefochtene Mittelpunkt jeder Pressekonferenz, indem er mit atemberaubender Beredsamkeit sein Publikum bei Laune hält. Diese Funktion des Zeremonienmeisters fällt auf der Werbetour dem freilich weitaus zurückhaltenderen Vorsitzenden der Golden Boy Promotions, Richard Schaefer, zu. Ausgesucht höflich und vergleichsweise kurzgefaßt brauchte er doch immer noch 40 Minuten, un die gesamte Vorgeschichte dieses Kampfes samt den wesentlichsten finanziellen Implikationen auszubreiten.

Dann endlich kamen die Boxer selbst zum Zuge, wobei sich zunächst Floyd Mayweather als verbales Maschinengewehr hervortat. Er respektiere seinen Gegner zwar als Menschen, nicht jedoch als Kämpfer, tönte er, worauf er sich Jacke und Hemd herunterriß, um seine perfekte körperliche Verfassung optisch zu demonstrieren. Dies nötigte Oscar de la Hoya, seinerseits abzulegen und den wohlgeformten Torso ins rechte Licht zu rücken. Unterdessen ging Mayweather bereits dazu über, ihn als Langweiler und Schwindler zu verunglimpfen, worauf sein Berater Leonard Ellerbe höhnisch nachlegte, De la Hoya habe sich ja schon in einem Kampf hingelegt.

Dieser hatte Mayweathers Tirade demonstrativ ignoriert und erhob sich nun zu einer Gegenrede, was sein Widersacher zum Anlaß nahm, sich in gespielter Ehrfurcht achtmal vor ihm zu verbeugen. Nun war Oscar de la Hoya an der Reihe, der dem Gegner Schmerzen ankündigte, die dieser noch eine Woche später spüren werde. Jede Beleidigung motiviere ihn nur um so mehr, Mayweather wehzutun. Wie De la Hoya hinterher versicherte, meine er Wort für Wort ernst, was er gesagt habe. Für hohles Geschwätz und Werbesprüche sei hier kein Raum.

Der "Golden Boy" läßt es sich einige hunderttausend Dollar kosten, Repräsentanten beider Lager mit Privatjets auf die strapaziöse Städtereise zu schicken, um kräftig für den großen Kampf zu werben. Man brauche schon einen Megakampf, um eine derartige Vorbereitung zu rechtfertigen, merkte Mark Taffet, Vizepräsident beim Sender HBO, an.

Bill Caplan, die lange Öffentlichkeitsarbeit für Promoter Bob Arum gemacht hat, erinnert die aktuelle Kampagne an ähnliche Touren in den achtziger Jahren und insbesondere an die Auftritte in 26 Städten binnen elf Tagen vor dem legendären Kampf Oscar de la Hoyas gegen das mexikanische Boxidol Julio César Chávez 1996. Caplan warnt jedoch vor der Routine immer gleicher Fragen und Antworten, inszenierter Wortgefechte und zelebrierter Feindschaft, die das Interesse der Boxer fast zwangsläufig erlahmen lasse.

Zudem gilt es darauf zu achten, daß die Show nicht unversehens außer Kontrolle gerät und die ohnehin diffuse Grenze zu ernsthaften Animositäten überschreitet. Beispielsweise spielte Mike Tyson den ihm zugedachten Part des Provokateurs so hingebungsvoll und überzeugend, daß selbst seine inszenierte Rangelei mit Lennox Lewis auf einer Theaterbühne 2002 in Manhattan als weitere Schandtat des unverbesserlichen Monsters bitter ernst genommen wurde. Im selben Monat drängte Fernando Vargas auf Abbruch seiner Werbetour mit Oscar de la Hoya und provozierte bei ihrem Auftritt in Los Angeles ein Handgemenge, bei dem sich ein Journalist, der für Bob Arum arbeitete, das Bein brach. Fernando Vargas war es auch, der 2002 vor einem Kampf gegen Marco Antonio Barrera bei einer Werbeveranstaltung in Houston seinen Gegner im Verlauf eines hitzigen Wortgefechts derart beleidigte, daß ihm Barrera wutentbrannt einen Faustschlag ans Kinn versetzte.

Von solchen Ausbrüchen war zum Auftakt der Werbetour von Oscar de la Hoya und Floyd Mayweather allerdings nichts zu bemerken, was sich freilich ändern kann, wenn im Streß der strapaziösen Auftritte die Nerven blankliegen. Höchstwahrscheinlich arbeiten die beiden jedoch so professionell zusammen, daß sie das Geschäft nicht aus den Augen verlieren. Oscar de la Hoya hat wie kaum ein anderer seine enorme Popularität so gekonnt vermarktet, daß er zeitweise der bestverdienende Boxer der gesamten Branche war. Wenngleich er den Zenit seines sportlichen Könnens längst überschritten hat und schon halbwegs zurückgetreten war, sagt man ihm noch immer nach, daß alles, was er geschäftlich anfaßt, zu Gold wird. Gegen ihn anzutreten, ist buchstäblich ein Gewinn für jeden Gegner.

Wie ein römischer Feldherr läßt sich Floyd Mayweather, dessen Auftritte vom Sender HBO pompös in Szene gesetzt werden, zum Ring tragen. Für die renommierte Fachzeitschrft "The Ring" ist er derzeit der beste Boxer der Welt. Im November 2006 hatte sich der 29-Jährige den Titel in der vierten Gewichtsklasse geholt. Er war zuvor bereits Champion im Superfedergewicht (58,9 kg), Leichtgewicht (61,2 kg) und Halbweltergewicht (63,5 kg). Nun besiegte er den Argentinier Carlos Baldomir einstimmig nach Punkten und wurde damit neuer WBC-Weltmeister im Weltergewicht (66,6 kg). Im Mai will er der Ringlegende Oscar de la Hoya den Titel im Halbmittelgewicht (69,8 kg) abnehmen und dann mit 38 Siegen in Folge und dem fünften Gürtel zurücktreten. Er kassierte zuletzt eine Börse von 8 Millionen Dollar, die beim spektakulären Duell mit Oscar de la Hoya noch übertroffen werden dürfte.

1. März 2007