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SPLITTER/358: Cardiff bleibt uneinnehmbare Festung Joe Calzaghes (SB)


Großgeredeter Amerikaner Peter Manfredo erlebt ein Debakel

Joe Calzaghe hat seinen WBO-Titel im Supermittelgewicht zum 20. Mal erfolgreich verteidigt und ist damit weiterhin der am längsten amtierende aktuelle Weltmeister. Der Waliser bezwang vor 35.000 Zuschauern in Cardiff den US-Amerikaner Peter Manfredo durch technischen K.o. in der dritten Runde und blieb auch in seinem 43. Profikampf ungeschlagen. Der 35-Jährige gilt als weltbester Boxer dieser Gewichtsklasse.

Sollte sich Peter Manfredo große Chancen ausgerechnet haben, Joe Calzaghe in der Höhle des Löwen zu entthronen, dürfte dies nicht zuletzt auf dem Mist Sugar Ray Leonards gewachsen sein, der ihn größer geredet hat, als dies seiner bisherigen Laufbahn entsprach. Manfredo ist ein guter und ambitionierter Boxer aus Providence, aber mehr auch nicht. Nennenswert in Erscheinung trat er zuvor allenfalls bei "The Contender", einem Turnier in den USA, das als Reality Show aufgezogen war und Sugar Ray Leonard als prominentes Aushängeschild verpflichtet hatte.

Obgleich Manfredo gegen namenlose Gegner verloren hat, redete Leonard ihm ein, er werde "die Welt erschüttern" und Calzaghe in Cardiff den Titel abnehmen. Sein Schützling mußte ihm das wohl oder übel glauben, stand er doch vor der gewaltigen Aufgabe, das Unmögliche Wirklichkeit werden zu lassen. Ob Peter Manfredo jedoch bewußt war, in welchem Ausmaß Leonard Wind für die Medien machte, vermag nur er selbst zu sagen.

Um die Werbetrommel kräftig zu rühren, zog Sugar Ray Leonard eine Parallele zwischen jenem unvergeßlichen Abend, an dem er einst den hoch favorisierten Marvin Hagler besiegt hatte, und Manfredos Griff nach dem Gürtel Joe Calzaghes. Sei es nicht bemerkenswert, daß der zwanzigste Jahrestag dieses historischen Ereignisses bevorstehe und nun erneut eine Sensation heraufziehe?

De facto gab es zwischen den beiden Ereignissen nicht den geringsten Zusammenhang, wenn man einmal von der Beschwörung angeblich bedeutsamer Jahrestage und dem absurden Glauben an das Schicksal absieht. Wäre Leonard aufrichtig mit Manfredo gewesen, hätte er auch erwähnen müssen, wie er vor gut zehn Jahren als 40-Jähriger verkündet hatte, er werde seine Karriere triumphal fortsetzen, nur um dann gegen Hector Camache 1997 in nur fünf Runden unterzugehen.

Im selben Jahr wurde Joe Calzaghe durch einen Sieg über Chris Eubank Weltmeister im Supermittelgewicht und hat den Gürtel bis heute nicht mehr abgegeben. Erst drei Jahre später nahm Manfredo seine Karriere als Profiboxer auf. In der gesamten Geschichte des Boxsports weisen nur fünf Champions eine längere Regentschaft als der Waliser auf.

Peter Manfredo, dem Sugar Ray Leonard eine gehörige Portion Selbstüberschätzung eingetrichtert hatte, mußte zudem mit dem Handicap antreten, daß ihn ausgerechnet vor dem bislang wichtigsten Auftritt seiner Karriere Trainer Freddie Roach verlassen hatte, um fortan Oscar de la Hoya zu betreuen. So standen bei dem Kampf in Cardiff sein Vater und Manager Peter Manfredo sr. und Sugar Ray Leonard in seiner Ecke, ohne das Verhängnis abwenden zu können.

Daß der Herausforderer ins offene Messer laufen würde, hatte sich schon im Vorfeld abgezeichnet. Manfredo kündigte von Beginn an heftige Angriffe an, die den Walliser überrollen würden. Das klang eher nach dem Mut der Verzweiflung und der Hoffnung auf einen Lucky Punch, als einer fundierten boxerischen Strategie. Calzaghe mag die eine oder andere kleine Schwäche haben, doch gilt er mit Fug und Recht als der präziseste und gefährlichste Konterboxer seiner Gewichtsklasse. Ein aufgeregt anrennender Herausforderer ist ein gefundenes Fressen für den Waliser, der mit beiden Händen verheerende Schläge austeilen kann und am liebsten Angreifer vermöbelt, die sich wie wilde Stiere zu gebärden versuchen.

In seinem vorangegangenen Kampf hatte Calzaghe beträchtliche Mühe gehabt, den beinharten Australier Sakio Bika zu besiegen, der ihm erheblich mehr Blessuren verpaßte, als man das von dem Champion gewohnt ist. Bika verwickelte den Waliser in eine regelrechte Ringschlacht und unterlag. Manfredo war nicht vom Kaliber des Australiers und wollte dennoch mit dessen gescheiterter Vorgehensweise zum Zuge kommen.

Überdies hatte Manfredo bei "The Contender" im Mittelgewicht geboxt, und war erst zweimal im höheren Limit angetreten. Wenn Leonard unermüdlich erklärte, sein Schützling habe seither reichlich zugelegt und komme in der neuen Klasse bestens zurecht, mußte er doch wissen, daß Calzaghe seit nunmehr vierzehn Jahren in diesem Limit zu Hause ist und dabei mehr Gegner auf die Bretter geschickt (31) als Manfredo Kämpfe bestritten hat (29).

Natürlich findet jeder Champion am Ende seinen Meister, sofern er die Boxhandschuhe nicht rechtzeitig an den Nagel hängt, was bekanntlich nur den allerwenigsten gelingt. Peter Manfredo, genannt "The Pride of Providence", hatte jedoch nicht das Format, um Joe Calzaghe das Wasser zu reichen, was immer Sugar Ray Leonard auch daherreden mochte. Die Amerikaner, so scheint es, halten sich für die Meister der Vermarktung. Man kann sich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, daß sie dabei nicht nur ihrem Publikum, sondern auch sich selbst einen Bären aufbinden.

10. April 2007