Schattenblick →INFOPOOL →Schattenblick →

PORTRAIT/049: Arthur Abraham auf dem Gipfel der Popularität (SB)


Weltmeister in Deutschland zum "Boxer des Jahres" gewählt

Mittelgewichts-Weltmeister Arthur Abraham ist von den Lesern des Magazins "BoxSport" und einer Expertenjury zum "Boxer des Jahres 2006" gewählt worden. Er wurde am 20. Februar 1980 als Avetik Abrahamyan in Eriwan, Armenien, geboren und zog 1995 ins fränkische Bamberg um. In seiner Heimat und später auch in Deutschland war er zunächst Radsportler, wobei er es zum Frankenmeister und Nordbayerischen Meister brachte. Für das Boxen begeisterten ihn die Übertragungen großer Kämpfe im Fernsehen, die ihn bewegten und faszinierten. Er fragte sich durch, bis er im ETSV Bamberg 1930 einen Verein und mit Uwe Schulz seinen ersten Trainer fand, der ihn als Amateur zum Internationalen Deutschen Meistertitel führte.

Zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele kehrte Abraham 1999 nach Armenien zurück, wo er auch Internationales Management studierte. Er wurde mehrfach armenischer Meister und kam nach einer kurzen, aber erfolgreichen Amateurkarriere 2003 mit Schulden wieder nach Deutschland. Gemeinsam mit seinem Bruder Alexander wurde er im selben Jahr Profi. Zunächst verpflichtete man ihn jedoch nur für 75 Euro pro Sparring als Partner Sven Ottkes, der damals Weltmeister im Supermittelgewicht war. Dessen Trainer Ulli Wegner hatte jedoch einen Blick für das Potential das jungen Armeniers, den er einen "Rohdiamanten" nannte.

Dennoch mußte Abraham sein Können zunächst unter Beweis stellen und hart für seinen ersten Vertrag arbeiten. Ihn habe die Ungewißheit sehr bedrückt, und als die Unterschriften endlich geleistet waren, sei ihm ein Stein vom Herzen gefallen. Beim Profidebüt am 16. August 2003 trat er noch in einem Zelt am Nürburgring auf, in dem es so hell gewesen sei, daß er kaum sehen konnte, wo er hinschlug.

Das Management deutschte seinen Namen ein, und so wurde aus Avetik Abrahamyan der Künstlername Arthur Abraham, der für das hiesige Publikum leicht auszusprechen ist und vertraut klingt. Zugleich verpaßte man ihm das alberne Image des Schlumpfboxers, mit dem er anfangs gar nicht glücklich war. Wie sich jedoch bald herausstellte, machte ihn gerade diese Maskerade populär und sorgte für einen besseren Kontakt zum Publikum. Aus rechtlichen Gründen mußte man später auf die Mütze verzichten und den Namen in "King Arthur" ändern, der sich ernster und distanzierter anhört.

Wie Abraham erzählt, habe er sich mit 20 Jahren fest vorgenommen, binnen fünf Jahren Weltmeister zu werden. Dies befand er, sei gerade das richtige Alter, und wie sich herausstellte, ging dieser Plan auf. Er wurde nicht allzu lange gegen schwache Boxer aufgebaut, sondern recht frühzeitig mit Prüfsteinen konfrontiert. Auf diese Weise stieg er rasch in den Ranglisten auf und wurde bereits nach 19 Kämpfen am 10. Dezember 2005 Mittelgewichtsweltmeister des Verbandes IBF.

Armenische Jugendliche, so berichtet er, interessierten sich vor allem für Fußball, Schach und Boxen. Es gebe viele Talente, die sich jedoch nur selten entwickeln könnten, da es an den finanziellen Möglichkeiten fehle. Von Trainingslagern und Reisen in andere Länder könne man nur träumen. Bald müsse man sich um den Broterwerb kümmern und habe keine Zeit mehr zum Boxen.

Abraham bestreitet die oft gehörte These, daß der Boxsport gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten aufblühe und mehr junge Leute angesichts fehlender beruflicher Perspektiven Profiboxer werden wollten. Boxer kämen nicht mehrheitlich von der Straße. Vor allem müßten sie intelligent sein, denn im Ring gewinne nicht der Stärkere, sondern immer der, der schlau ist. Natürlich gebe es in keiner Sportart Leute, die schwach seien und dennoch um die Weltmeisterschaft kämpften. Den entscheidenden Unterschied mache am Ende jedoch der Kopf, die Intelligenz, die Konzentration, die Disziplin.

Ihn selbst habe dieser Sport gepackt und nicht mehr losgelassen, denn schon wenn er die Halle betrete, bekomme er eine Gänsehaut. Dies sei ein Augenblick, den man nicht mit Geld bezahlen könne, denn er wisse, daß er für sich, seine Familie, aber auch für Millionen Fans boxe. Das motiviere ihn derart, daß er wie elektrisiert sei und vor Aufregung fast explodiere. Sein Trainer wisse, daß er unter Adrenalin stehe, denn er merke das an den Reaktionen und der Konzentration.

Wie Abraham sagt, könne man sich seine Freunde aussuchen, aber nicht seine Eltern und auch nicht sein Land. Er sei in Armenien aufgewachsen und liebe seine Heimat. Sein letzter Kampf hatte dort im Fernsehen eine Einschaltquote von 81 Prozent, was den Stolz und die Begeisterung seiner Landsleute zeige. Auch lebten seine Eltern in Armenien, und er besuche sie, so oft er könne. Meistens kämen sie jedoch nach Deutschland, und er wolle für sie eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, um sie auf Dauer nachzuholen.

Er habe sich für Deutschland entschieden, wolle hier leben und fände es ganz normal, daß jedes Land seine Leute oben sehen möchte. Er sei seit August deutscher Staatsbürger und wisse, daß man mit dem Land umgehen müsse, wenn man von den Menschen akzeptiert werden wolle. Wenn man eine Persönlichkeit sei, akzeptiere einen das Volk, und nur darauf komme es an. Er fühle sich hier sehr wohl und wisse, daß er hierhergehöre.

Am 22. September 2006 bestritt der Weltmeister einen dramatischen Kampf, nach dem sein Name endgültig in aller Munde war. Bei seiner Titelverteidigung in Wetzlar boxte er die letzten acht Runden gegen den Kolumbianer Edison Miranda mit einem doppelt gebrochenen Kiefer und erreichte trotz starker Schmerzen einen Punktsieg. Hinterher begab er sich sofort ins Krankenhaus, wo man den Unterkiefer mit zwei Titanplatten fixierte. Weltweit haben etliche Profiboxer mit einem gebrochenen Kiefer weitergekämpft, aber keiner außer Arthur Abraham hat das acht Runden durchgehalten, den Kampf gewonnen und damit den Weltmeistertitel erfolgreich verteidigt.

Arthur Abraham lebt in Berlin und hat als Profiboxer alle 22 Kämpfe gewonnen, wovon er 17 durch K.o. beenden konnte. Im April 2007 will er seinen Titel erneut verteidigen.

26.12.2006