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PORTRAIT/053: Fritz Sdunek feiert seinen 60. Geburtstag (SB)


Erfolgreichster deutscher Trainer - Vaterfigur einer großen Boxfamilie

Gestern hat Fritz Sdunek seinen 60. Geburtstag in aller Ruhe an einem geheimen Urlaubsort gefeiert. Als sich der Jubilar vor wenigen Tagen Gesundheit für sich und seine Familie wünschte, hatte dies einen ernsten Hintergrund. Kürzlich mußte er sich eine bösartige Geschwulst aus der Lippe entfernen lassen, nachdem er mehrere Tage in der Angst gelebt hatte, der Krebs könne gestreut und das Lymphsystem angegriffen haben. Glücklicherweise kam wenige Stunden nach der Operation eine Entwarnung seitens der Ärzte.

In sportlicher Hinsicht ist es sein Geburtstagswunsch, die Brüder Klitschko gemeinsam als Weltmeister zu erleben. Wladimir, für den er die Athletik-Trainingspläne schreibt, hält den Titel des Weltverbands IBF. Vitali soll beim Comeback unter seiner Betreuung Ende des Jahres um den Gürtel des WBC kämpfen.

Der Cheftrainer der Hamburger Universum Box-Promotion ist Deutschlands erfolgreichster Coach und hat elf Profiweltmeister unter seinen Fittichen gehabt, bei mehr als 80 Weltmeisterschaftskämpfen in der Ecke gestanden und mit Weltstars wie Dariusz Michalczewski und den Klitschkos gearbeitet.

Der gebürtige Mecklenburger begann mit siebzehn Jahren zu boxen, wobei ihm damals noch vorschwebte, eine Laufbahn in seinem Ausbildungsberuf als Ingenieur der Landwirtschaftstechnik einzuschlagen. Die Begabung, Boxkenntnisse an andere weiterzugeben, entdeckte er zunächst im privaten Bereich. Von da an gab er dieser Neigung immer größeren Raum, leitete mit 23 Jahren bereits drei Trainingsgruppen und wurde zwei Jahre später Trainer an der Sportschule Güstrow. Weitere zwei Jahre darauf gelang ihm der Sprung zum Auswahltrainer der DDR.

Er habe damals alles gelernt, was er für seinen Job brauchte, berichtet Fritz Sdunek, der das Sportausbildungssystem der DDR auch aus heutiger Sicht für vorbildlich hält. Nach der Wende baute er sich in seinem Beruf eine neue Existenz auf und wurde Cheftrainer der Bundesliga-Staffel von Bayer Leverkusen, wobei er im dortigen Werk nebenbei in seinem erlernten Ingenieursberuf arbeitete und zudem Cheftrainer der niederländischen Amateurboxer war.

Vom Hamburger Promoter Klaus-Peter Kohl umworben, wechselte Sdunek im März 1994 ins Profilager, wo er trotz seiner Funktion als Cheftrainer stets darauf Wert legte, als Gleicher unter Gleichen zu arbeiten. Michael Timm, der von ihm einst als Amateur zur Europameisterschaft geführt wurde und sein designierter Nachfolger ist, sagt über sein Vorbild: "Wir wollen alle so gute Trainer werden wie Fritz. Er ist fürs Boxen das, was Franz Beckenbauer für den Fußball ist."

Klaus-Peter Kohl schätzt an seinem Cheftrainer dessen "einzigartige Art zu motivieren, und daß er aus schlechtesten Bedingungen das Beste herausholen kann." Die Ruhe, die Sdunek in der Ringecke ausstrahlt, lehrte ihn der frühere DDR-Auswahltrainer Günter Debert, der ihn dazu anhielt, die Fassung zu wahren, um seine Schützlinge nicht zu verwirren. Im Privatleben schätzt Fritz Sdunek indessen eine direkte Art, sagt offen seine Meinung und kann leicht in Rage geraten, wenn er sich oder seine Schützlinge ungerecht behandelt wähnt.

Er ist ein harter Arbeiter, der schon einmal sechs Jahre auf Urlaub verzichtet hat, weil er glaubte, es seinen Boxern schuldig zu sein. Seine größte Schwäche sei, nicht Nein sagen zu können, so Sdunek. Diese Neigung hat ihn des öfteren in Schwierigkeiten gebracht. Da der Cheftrainer, der als freier Unternehmer tätig ist, immer neue Boxer in Betreuung genommen hat, wurde der Vorwurf laut, er handle aus Geldgier, worüber er sich maßlos ärgern kann.

Aus welchem Holz er geschnitzt ist, zeigte sich nicht zuletzt im Herbst 2005, als Vitali Klitschko vor der Verteidigung seines WBC- Titels gegen Hasim Rahman stand. Obgleich dieses Duell auch für den Trainer der größte Zahltag seiner Karriere geworden wäre, war es Sdunek, der nach einer Knieverletzung des Ukrainers darauf bestand, den Kampf abzusagen. "Da hat mich Fritz einmal mehr menschlich überrascht und meine Hochachtung gewonnen", sagt der ältere der Klitschko-Brüder, der damals seine Karriere beendet hat, inzwischen jedoch an einem Comeback arbeitet.

Sdunek, dessen fachliche Kompetenz unbestritten ist, wird vor allem für seine Geduld gelobt. Er sei für alle Boxer wie ein Vater, berichtet Dariusz Michalczewski, mit dem Sdunek grandiose Erfolge feierte, aber auch deprimierende Niederlagen hinnehmen mußte. Als bittersten Moment seiner Karriere bezeichnet der Erfolgstrainer die K.o.-Niederlage gegen den Franzosen Fabrice Tiozzo im Februar 2005 in Hamburg.

Fritz Sdunek will erst seinen 75. Geburtstag groß feiern, wenn er Zeit habe, Freundschaften zu pflegen. "Die habe ich bisher nie gehabt", räumt er ein. "Echte Freunde habe ich nicht." Statt dessen eine große Boxfamilie, die ihn als Vaterfigur braucht und der er erhalten bleiben will, bis es eines Tages gesundheitlich nicht mehr geht.

19. April 2007