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PORTRAIT/059: Jedes Kind in Sambia kennt Esther Phiri (SB)



Erste Weltmeisterin des armen Landes im Süden Afrikas

In Sambia hat die erste Weltmeisterin des südafrikanischen Landes ihren Titel erfolgreich verteidigt. Esther Phiri besiegte im Woodlands-Stadion der Hauptstadt Lusaka die erfahrene US-Amerikanerin Belinda Laracuente und behielt unter dem Jubel ihrer enthusiastischen Landsleute den Gürtel der Global Boxing Union (GBU) im Superfedergewicht. Die frühere Straßenhändlerin und alleinstehende Mutter stammt aus einfachsten Verhältnissen des Armenviertels Mutendere und ist nach einem phänomenalen Aufstieg trotz ihrer Jugend bereits ein landesweit bekanntes Sportidol, dem zahllose Kinder und Halbwüchsige nacheifern. Da sie noch gar nicht so recht weiß, wie sie mit ihrem plötzlichen Ruhm fertigwerden soll, ist dies eine gewaltige Herausforderung, zumal hochgesteckte Erwartungen auf ihr ruhen.

Esther Phiri hat sieben Geschwister, und ihr Vater starb, als sie die sechste Klasse besuchte. Daraufhin mußte sie die Schule verlassen und Gemüse auf der Straße verkaufen, um zum Unterhalt der Familie beizutragen. Mit 16 Jahren wurde sie schwanger und bekam ein Kind.

Im Rahmen einer örtlichen Initiative gegen Aids nahm sie an einem Sportprogramm teil, bei dem sie erstmals Bekanntschaft mit dem Boxen machte. Sie zeigte Talent und wurde 2003 dem Trainer Anthony "Preacher Man" Mwamba vorgestellt, der es einst als Amateurboxer bis ins Viertelfinale der Olympischen Spiele 1988 in Seoul gebracht und im Jahr 2000 seine aktive Karriere beendet hatte. Er erkannte Mut und Entschlossenheit bei ihr, und so nahm er sie unter seine Fittiche. Dank ihres Erfolg avancierte er zum führenden Trainer des Landes.

Im Juli 2005 schickte er sie erstmals zu einem Kampf in den Ring, dem bald weitere folgten. Zunächst setzte es vor allem Niederlagen, und von Seiten der männlichen Boxer erntete sie nichts als Spott, Beleidigungen und Anzüglichkeiten. Ende 2006 bekam sie jedoch überraschend Gelegenheit, in Nairobi die Interkontinentalmeisterin der WIBF im Superfedergewicht, Kelli Cofer aus Ohio, herauszufordern, die sie in einem Kampf über acht Runden besiegte.

Dank dieses unverhofften Erfolgs wurde Esther Phiri in ihrer Heimat schlagartig berühmt, da ein armes afrikanisches Land wie Sambia mit Sportlern von Weltklasse wahrlich nicht reich gesegnet ist. Heute sieht man ihr Bild auf zahlreichen Plakaten an den Straßenrändern und das staatliche Fernsehen sendet Live-Übertragungen ihrer Kämpfe.

Das Unternehmen National Milling Corporation Ltd. sorgt als Sponsor für ihren Unterhalt, so daß sie inzwischen mit ihrer Mutter und der Tochter in einem größeren Haus in einem Viertel der Mittelklasse Lusakas wohnt und nach den Standards ihres Landes wohlhabend ist. Sie geht auch wieder zur Schule, um einen Abschluß zu machen und später irgend ein Geschäft zu eröffnen.

Ihre Popularität bringt es mit sich, daß man hohe Erwartungen an sie heranträgt und sie mit Ratschlägen überhäuft. Selbst der Präsident Sambias, Levy Mwanawasa, empfing sie zu einem Gespräch, bei dem er ihr riet. sich vor Männern in Acht zu nehmen und den neugewonnenen Ruhm und Wohlstand nicht zu verschwenden. Viele sehen in ihr vor allem ein Vorbild für Mädchen und junge Frauen, wobei sie von ihr ein verstärktes Engagement in der Gemeindearbeit erwarten.

Esther Phiri hat einem Waisenhaus Geld und Kleidung gespendet wie auch Jugendmannschaften eines Fußballklubs besucht. In ihren Gesprächen mit den Kindern betont sie, wie wichtig Sport sei, um Selbstvertrauen zu entwickeln und den zahllosen Fallstricken eines Lebens in armen Verhältnissen zu widerstehen. Sie gibt ein Beispiel für die Überzeugung ihres Mentors Mwamba, daß man vom Boxen leben könne und das sogar als Frau in einer von Männern dominierten Gesellschaft. Wie sie warnt, verfielen unzählige Mädchen in den Armenvierteln dem Alkohol und der Prostitution, bekämen ungewollt Kinder und infizierten sich mit Aids. Sie wolle die Kinder und Jugendlichen einfach ermutigen, denn ihr eigenes Leben habe sich durch das Boxen von Grund auf verändert. Früher habe sie keine Hoffnung gehabt, etwas aus ihrem Leben zu machen. Gott habe sie auf diesem Weg gesegnet.

Im März 2008 bestreitet Esther Phiri ihren nächsten Kampf, wobei ihre Promoter mittelfristig von einem Auftritt in Las Vegas träumen. Kann ihr Aufstieg die Jugend Sambias inspirieren? Als bloße Ausnahmekarriere sicher nicht, deren Faszination Perspektiven vorgaukelt, wo Ausweglosigkeit das soziale Feld beherrscht. Eine erfolgreiche Boxerin, die alle Rivalinnen aus dem Feld geschlagen hat, verkörpert ja das Konkurrenzprinzip in Reinkultur, das dem Sieg weniger zu Lasten zahlloser Verlierer huldigt.

18. Dezember 2007