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PORTRAIT/069: Die Queen ehrt Joe Calzaghe (SB)


Waliser erhält höchste Auszeichnung vor dem Ritterschlag


Die britische Königin Elizabeth II. hat den dreifachen Weltmeister Joe Calzaghe zum Commander of the British Empire ernannt und ihm damit die höchste Auszeichnung vor dem Ritterschlag zuteil werden lassen. Der 36 Jahre alte Waliser war am 8. November in New York gegen Roy Jones jr. auch in seinem 46. Profikampf ungeschlagen geblieben.

Eine Entscheidung, ob er seine erfolgreiche Karriere fortsetzen wird, hat Calzaghe aber immer noch nicht getroffen. "Ich bin kein junger Hüpfer mehr. Bis jetzt sehe ich noch nicht wie ein Boxer aus und will das nicht unbedingt ändern", sagte er. "Es muß schon etwas wirklich Besonderes kommen, um mich wieder in den Ring zu bringen. Ich habe alle großen Namen geschlagen. In meinen letzten Kämpfen habe ich alles erreicht, was ich erreichen wollte. Ich werde mich nach Weihnachten entscheiden."

Bei seinem letzten Auftritt besiegte Joe Calzaghe vor 14.152 Zuschauern im New Yorker Madison Square Garden in einem weiteren Prestigeduell den drei Jahre älteren Exweltmeister Roy Jones jr. aus den USA im Halbschwergewicht einstimmig nach Punkten. In einem spektakulären Kampf schlug Roy Jones den Waliser bereits in der ersten Runde zu Boden und erinnerte dabei an seine Glanzzeit in den 1990er Jahren. Mit steigender Rundenzahl gewann Calzaghe jedoch zunehmend die Oberhand und feuerte wie schon bei seinem Sieg gegen Bernard Hopkins im Frühjahr einen Schlaghagel nach dem anderen ab. In der siebten Runde fügte er seinem Gegner einen Cut über dem Auge zu, den dieser bis Ende des Kampfes nicht in den Griff bekam.

In diesem Kampf zweier Boxlegenden ging es um Prestige und viel Geld, nicht jedoch um einen Titel. Das Publikum wollte die Wiedergeburt des berühmten Roy Jones jr. feiern, doch es wurde ein weiterer großer Tag im Leben des vor allem in den USA so lange unterschätzten Joe Calzaghe. Der weltbeste Boxer im Supermittelgewicht, der seine Titel niedergelegt hat, um zum krönenden Abschluß seiner Karriere einige Duelle im höheren Limit gegen berühmte Gegner in den USA zu bestreiten, setzte sich ein zweites Mal durch. "Ich habe in diesem Jahr zwei Legenden geschlagen: Bernard Hopkins und Roy Jones. Ich habe das Risiko auf mich genommen und bin zu ihnen in die USA gekommen", sagte Calzaghe nach dem Kampf stolz.

Joe Calzaghe wurde am 23. März 1972 in London-Hammersmith geboren. Als Amateur bestritt er rund 120 Kämpfe und war 1991 bis 1993 britischer Meister im Weltergewicht, Halbmittelgewicht und Mittelgewicht. Seine letzte Niederlage datiert aus dem Jahr 1990. Der Rechtsausleger wurde 1993 Profi im Supermittelgewicht, wobei zunächst Mickey Duff und später Frank Warren sein Promoter war.

Als nach dem Rücktritt des legendären Iren Steve Collins der WBO-Titel 1997 vakant wurde, bekam Calzaghe die Chance, gegen Chris Eubank um diesen Gürtel zu kämpfen. Eubank, selbst langjähriger WBO-Weltmeister, hatte den Titel 1995 an Collins verloren. Am 11. Oktober 1997 sicherte sich Calzaghe durch einen klaren Punktsieg über zwölf Runden die Trophäe. In der Folge besiegte er unter anderem namhafte Gegner wie Robin Reid, Richie Woodhall und 2002 auch Charles Brewer. Den Deutschen Mario Veit schlug er zweimal vorzeitig, doch traf er nie auf IBF-Weltmeister Sven Ottke, so daß die Frage offen blieb, wer von beiden damals der weltbeste Supermittelgewichtler war.

Am 3. März 2006 gelang Calzaghe der Durchbruch in den USA, als er den ungeschlagenen IBF-Champion Jeff Lacy deklassierte und damit die beiden Titel vereinigte. Nach einer erfolgreichen Titelverteidigung am 14. Oktober 2006 gegen Sakio Bika legte er den IBF-Gürtel nieder, um gegen den bekannten Peter Manfredo zu boxen, den er am 7. April 2007 vorzeitig besiegte. Damit hatte er seinen WBO-Titel zum 20. Mal erfolgreich verteidigt und blieb der am längsten amtierende Champion des Boxgeschäfts. Im nächsten Kampf traf er auf den ebenfalls ungeschlagenen dänischen WBA- und WBC-Weltmeister Mikkel Kessler, der heute als bester Boxer dieser Gewichtsklasse angesehen wird. Bei diesem lang erwarteten Duell setzte sich der Waliser am 3. November 2007 in Cardiff nach Punkten durch. Auch der starke Däne war der unerhört hohen Schlagfrequenz seines wesentlich älteren Gegners nicht gewachsen. Bei den führenden Fachzeitschriften und Experten galt Joe Calzaghe seither als daß Maß aller Dinge im Supermittelgewicht.

Der Waliser wechselte ins Halbschwergewicht, um gegen den ehemaligen Mittelgewichtsweltmeister Bernard Hopkins anzutreten. Das Duell mit den 43jährigen US-Profi am 19. April 2008 in Las Vegas war erst der zweite Kampf Calzaghes außerhalb Großbritanniens und der erste in den USA. Der Waliser ging in der ersten Runde zu Boden, doch bestimmte er später immer stärker das Geschehen und gewann nach zwölf Runden knapp mit 2:1 Richterstimmen. Am 26. September 2008 legte Calzaghe den von ihm über zehn Jahre gehaltenen WBO-Titel im Supermittelgewicht nieder und gab bekannt, daß er nach einem letzten Kampf im Halbschwergewicht gegen Roy Jones jr. seine Karriere beenden werde.

Wäre es nach Joe Calzaghe gegangen, hätte er seinen mutmaßlichen Abschiedskampf am liebsten in Cardiff ausgetragen. Um im Millennium Stadium vor seinem Heimpublikum zu boxen, hätte er leichten Herzens auf den Auftritt im berühmten Madison Square Garden verzichtet, versicherte er im Interview. Leider habe man den Sender HBO nicht dazu bewegen können, den Kampf außerhalb der USA über die Bühne zu bringen. Der Waliser gilt als ausgesprochen bodenständig, heimatverbunden und am besten im Kreis seiner Familie aufgehoben, womit er sich deutlich vom prunksüchtigen Starkult des US-amerikanischen Boxgeschäfts abhebt. Weder hat er seine Heimatstadt länger verlassen, noch im Laufe der Karriere einen namhafteren Trainer angeheuert.

Er wird von seinem Vater Enzo Calzaghe trainiert, der zeitlebens nie geboxt und ebensowenig eine reguläre Trainerausbildung durchlaufen hat. Der gebürtige Sarde war lange Jahre Musiker und Vagabund, bis er schließlich in Wales seßhaft wurde, eine Familie gründete und eine Boxschule aufmachte. Diese ist allerdings so erfolgreich, daß das renommierte Fachmagazin "The Ring" Enzo Calzaghe zum weltbesten Trainer des Jahres 2007 kürte.

3. Dezember 2008