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PORTRAIT/071: Zum Tod des Schweden Ingemar Johansson (SB)



"Thors Hammer" fällte den legendären Floyd Patterson

Der schwedische Exweltmeister Ingemar Johansson ist tot. Wie die Zeitung "Expressen" berichtete, starb er im Alter von 76 Jahren in der Kleinstadt Onsala. Zur Boxlegende wurde Johansson, als er im Juni 1959 in New York mit einem Sieg über den US-amerikanischen Titelverteidiger Floyd Patterson sensationell zum Weltmeister im Schwergewicht aufstieg.

Floyd Patterson war der erste Olympiasieger, der später im Profilager Weltmeister wurde, mit 21 Jahren der bis dahin jüngste Champion im Schwergewicht und er sollte der erste Weltmeister aller Klassen werden, der den Titel verlor und später wiedergewann.

Als in den USA kein Gegner mehr aufzutreiben war, der dem amtierenden Schwergewichtsweltmeister Floyd Patterson einen wirklich großen und für die Veranstalter entsprechend lukrativen Kampf liefern konnte, richtete man den Blick nach Europa, wo der Schwede Ingemar Johansson von sich reden machte. Bald sprach man nur noch von "Thors Hammer", wenn die furchtbare Rechte einen weiteren Widersacher gefällt hatte. Eddie Machen überstand die ersten drei Minuten nicht, der Brite Erskine fiel in Runde dreizehn und für den Deutschen Heinz Neuhaus kam das jähe Ende im vierten Durchgang.

Mit Ingemar Johansson trat endlich ein weißer Schwergewichtler von Format auf den Plan, der aus Sicht der Amerikaner jedoch einen entscheidenden Nachteil aufwies: Er kam aus Europa. Da wollte man denn doch lieber Floyd Pattersons Sieg erleben. Neugierig versammelten sich die Reporter im Trainingscamp des Schweden, um "Thors Hammer" mit eigenen Augen zu sehen. Doch der Herausforderer ließ es offenbar an Begeisterung für harte Arbeit fehlen und verbrachte zudem die Nächte vor dem Kampf lieber in Nachtclubs. Enttäuscht kündigte man sein rasches Ende gegen den Weltmeister an.

Am 26. Juni 1959 trafen Floyd Patterson und Ingemar Johansson im New Yorker Yankee Stadion erstmals aufeinander. In den ersten beiden Runden war nicht viel zu sehen, denn Patterson begann angesichts der berüchtigten Schlagkraft des Schweden sehr vorsichtig und kam erst in der zweiten Runde mit zwei guten Treffern durch, die den Herausforderer jedoch nicht beeindruckten. Kurz vor Ende der Runde brachte Johansson nach zwei linken Geraden erstmals seine schwere Rechte ins Ziel, worauf Patterson sichtlich irritiert zurückwich.

In der dritten Runde übernahm der Schwede plötzlich die Initiative und ließ wenig später "Thors Hammer" voll einschlagen. Floyd Patterson ging zum Entsetzen des tobenden Publikum zu Boden und kam erst bei sieben wieder auf die Beine. Doch vergeblich, denn nun befand er sich unwiderruflich auf der Verliererstraße. Jetzt hatte der Schwede freie Bahn und schlug Patterson noch sechsmal nieder, ehe der Ringrichter dem ungleichen Kampf endlich ein Ende machte. Ingemar Johansson, der Schwede, war neuer Weltmeister aller Klassen!

Es ist schwer zu sagen, wer diesen Schock länger verdauen mußte, der unterlegene Floyd Patterson oder das aus allen Wolken gefallene amerikanische Boxpublikum. Einig war man sich indessen in der Forderung nach einer Revanche, um die Krone im Schwergewicht zurückzuerobern. Allerdings war das ein Unterfangen, daß noch nie einem geschlagenen Champion aller Klassen gelungen war, so daß man es längst zu einem ungeschriebenen Gesetz des Boxsports erklärt hatte: They never come back!

Das Leben Floyd Pattersons konzentrierte sich fortan auf dieses eine Ziel: Immer wieder studierte er den Film des ersten Kampfs, sann mit seinem Mentor Cus D'Amato über Strategien nach, den körperlich überlegenen Schweden zu neutralisieren und insbesondere seiner gefährlichsten Waffe zu entgehen. Am 20. Juni 1960 füllten 31.892 Zuschauer den New Yorker Polo Ground, um die Revanche zwischen dem schwedischen Weltmeister Ingemar Johansson und dem Herausforderer Floyd Patterson zu sehen. Der Kontrast hätte kaum größer sein können: Während Patterson schweißüberströmt von den letzten Vorbereitungen in den Ring kletterte, lachte der Schwede und winkte der Menge zu.

Patterson begann die erste Runde mit gewohnter Vorsicht, stieß jedoch immer wieder die Linke ins Gesicht des Schweden, den bald eine Platzwunde über dem Auge zeichnete. Offenbar erlebte man bereits den ersten Schritt des Plans, den Weltmeister mürbe zu machen. In der zweiten Runde wechselte der Amerikaner plötzlich das Tempo und griff stürmisch an. Doch Johansson lauerte auf eine Konterchance und erwischte Patterson auf einmal schwer mit einer harten Rechten, die den Herausforderer taumeln ließ. Sollte sich etwa wiederholen, was schon ein Jahr zuvor die Katastrophe eingeleitet hatte?

Aber der Schwede setzte diesmal nicht nach, und Patterson hielt ihn weiter mit der Linken in Schach. Immer stärker blutete der Cut über dem Auge des Titelverteidigers. Dann aber, in der vierten Runde, schlug "Thors Hammer" wieder zu. Patterson rettete sich mühsam bis zur Pause. Erholt kam er wieder und deckte den Gegner in der fünften Runde augenblicklich mit einem furiosen Schlaghagel ein. Johansson mußte sich nach einem schweren Kopftreffer bis neun anzählen lassen, ehe er den Kampf wieder aufnehmen konnte. Da empfing ihn Patterson mit einem Volltreffer am Kinn, der ihn endgültig auf die Bretter schickte.

Das hatte es im Schwergewicht noch nie gegeben: Der entthronte Weltmeister war im Triumph zurückgekehrt. Floyd Patterson hatte den Thron als jüngster Champion bestiegen und feierte nun als erster ein erfolgreiches Comeback.

Der Schwede sollte noch einmal eine Chance bekommen, schließlich hatte er sich auch im zweiten Kampf gegen Patterson ausgezeichnet gehalten. Doch Ingemar Johansson verfolgte im Zuge seiner Lebensplanung längst andere Ziele, als sich voll und ganz auf das Boxen zu konzentrieren. Er drehte einen Film, kaufte sich einen Fischdampfer und gründete ein Tiefbauunternehmen. Als er am 17. März 1961 in Miami Beach ein drittes Mal mit Floyd Patterson in den Ring stieg, war er nur noch ein Schatten früherer Tage und ging sang- und klanglos unter.

2. Februar 2009