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PORTRAIT/073: Oscar de la Hoya verkörpert den amerikanischen Traum (SB)


Der "Golden Boy" gibt das endgültige Ende seiner Karriere bekannt

Der frühere Weltmeister Oscar de la Hoya hat in Los Angeles seinen Rücktritt erklärt. Auf dem Parkplatz des Staples Center, nur wenige Meilen von seinem Geburtshaus entfernt, verkündete der 36 Jahre alte US-Amerikaner nach viermonatiger Denkpause seinen Abschied vom Boxring. Er war der erste Boxer, der in sechs verschiedenen Klassen, vom Juniorleicht- bis zum Mittelgewicht, einen Weltmeistertitel gewann. Er siegte in 39 Kämpfen, sechsmal verlor er, zuletzt am 6. Dezember 2008 gegen Manny Pacquiao von den Philippinen. "Da habe ich gemerkt, daß ich nicht mehr auf dem höchsten Niveau mithalten kann. Eine Fortsetzung meiner Karriere wäre meinen Fans gegenüber unfair", sagte De La Hoya, der dank seiner sportlichen Klasse, seines blendenden Aussehens und insbesondere seiner Geschäftstüchtigkeit zum erfolgreichsten Boxer der letzten 20 Jahre aufstieg. "Boxen war die Liebe meines Lebens, meine Leidenschaft und das, wozu ich geboren wurde", sagte er mit der Wehmut des außergewöhnlichen Sportstars, dessen Ära unwiderruflich zu Ende gegangen ist.

"Oscar war ein Phänomen. In den letzten zehn Jahren hat er den Boxsport im Alleingang gerettet", würdigte ihn der Sportjournalist Steve Springer einmal mit einer Formulierung, die der Bedeutung des "Golden Boy" für die überaus erfolgreiche Vermarktung seiner Ringauftritte Rechnung trug. Sagenhafte 696 Millionen Dollar Einnahmen aus Kämpfen und 14,1 Millionen Bestellungen im Bezahlfernsehen sind Rekorde, die in absehbarer Zeit kaum gebrochen werden dürften.

Unter der Heerschar von Schaulustigen und mehr als hundert Journalisten, die ihm zur Mittagszeit noch einmal ihre Aufwartung machten, war ihm sein Vater Joel sichtlich der wichtigste Gratulant. Dieser war in jungen Jahren selbst ein recht erfolgreicher Boxer gewesen und hatte seinem fünfjährigen Sohn einst die ersten Boxhandschuhe geschenkt. Oscar de La Hoya krönte seine glänzende Amateurlaufbahn 1992 in Barcelona mit dem Olympiasieg im Leichtgewicht und erfüllte damit ein Versprechen, das er zwei Jahre zuvor seiner krebskranken Mutter Cecelia auf dem Sterbebett gegeben hatte.

Nachdem er von 225 Amateurkämpfen nur fünf verloren hatte, stieg der "Golden Boy" mit dem Ruhm des einzigen Finalsiegs eines US-Boxers bei dieser Olympiade im Gepäck nach dem Wechsel ins Profilager zum Liebling nicht nur der mexikanischen Einwanderer und der riesigen hispanischen Gemeinde in Los Angeles und dem Südwesten, sondern des gesamten US-amerikanischen Boxgeschäfts auf. Er blieb zwischen 1992 und 1999 ungeschlagen, wobei er dank seines Promoters Bob Arum und insbesondere der darauffolgenden Selbstvermarktung auch in finanzieller Hinsicht auf seine Kosten kam. Mit zehn Weltmeistertiteln in sechs Gewichtsklassen schrieb er Sportgeschichte und füllte dabei nicht nur die eigenen Taschen, sondern auch die seiner Gegner. Im Dezember 2001 gründete er die "Golden Boy Promotion", mit der er die eigenen Auftritte in Szene setzte, aber auch namhafte andere Boxer wie derzeit Shane Mosley oder Ricky Hatton unter Vertrag nahm.

Dreimal stand Oscar de la Hoya auch deutschen Boxern gegenüber. 1991 scheiterte er bei der Amateurweltmeisterschaft in Sydney bereits in der Vorrunde an Marco Rudolph aus Cottbus. Ein Jahr später drehte er im olympischen Finale von Barcelona den Spieß um. "Er hatte mich in Sydney unterschätzt und war in Barcelona vielleicht der beste Boxer aller Klassen", erinnerte sich Marco Rudolph später.

Auch Felix Sturm trat einmal gegen Oscar de la Hoya an und unterlag ihm am 5. Juni 2004 in Las Vegas höchst umstritten nach Punkten. "Sicher, er war der stärkste Gegner, gegen den ich bis dahin geboxt hatte", sagte Sturm im Rückblick, "aber er brauchte auch Pausen und nutzte seine ganze Erfahrung, um den Kampf langsam zu machen." Damals brauchte der US-Star dringend einen Titel, um ein längst geplantes Duell der Superlative aufzuwerten, und so war der Leverkusener der Leidtragende, den die meisten Experten als Sieger gesehen hatten.

Wie es heißt, habe Oscar de la Hoya beim Kampf gegen Felix Sturm wie immer einen alten Lebensmittelgutschein der Fürsorge in der Sporttasche gehabt. Seit Beginn seiner Profikarriere blieb er dieser Angewohnheit treu, um seine Herkunft nie zu vergessen. Der Sohn mexikanischer Einwanderer, der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen war, galt auch nach seinem Aufstieg zu einem der populärsten Sportler des US-Sports in seinem Auftreten als volksnah und ein Star zum Anfassen. Er machte nicht wie viele andere erfolgreiche Boxer durch Eskapaden und einen protzigen Lebensstil von sich reden, sondern schrieb ein Buch, beteiligte sich an einem Sportklub, war als Sänger hispanischer Lieder sehr beliebt und engagierte sich in sozialen Projekten.

Wie kaum ein anderer Sportler aus einer Einwandererfamilie verkörperte er den amerikanischen Traum des Aufstiegs aus eigener Kraft zum wichtigsten Repräsentanten seine Sparte und erfolgreichen Geschäftsmann, der seinem Beinamen Ehre und alles zu Gold machte, was er anfaßte. Obgleich er in den letzten Jahren den Zenit seiner physischen Möglichkeiten längst überschritten hatte, war es nicht nur in finanzieller Hinsicht für jeden Boxer ein Zugewinn, mit ihm in den Ring zu steigen.

"Ich verspreche es mir, meiner Familie, ich verspreche es jedem: Das war's", versicherte Oscar de la Hoya, der seine Karriere schon mehrfach für beendet erklärt hatte, aber immer wieder für einen angeblich allerletzten Kampf in den Ring zurückgekehrt war. Diesmal, so scheint es, macht er Ernst mit dem Leben nach dem Boxen.

19. April 2009