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PORTRAIT/091: Evander Holyfields Geburtstag - Abschied mit 50 Jahren? (SB)




Hängt der Exweltmeister die Boxhandschuhe endgültig an den Nagel?

Evander Holyfield, der heute 50 Jahre alt geworden ist, hat seine Karriere in der Vergangenheit wiederholt für beendet erklärt. Er ist jedoch immer wieder in den Ring zurückgekehrt, um den schwindenden Glanz früherer Triumphe aufzupolieren und nicht zuletzt seine finanziellen Verhältnisse aufzubessern, da sein aufwendiger Lebensstil die immensen Einkünfte besserer Zeiten restlos zu verschlingen drohte. Diesmal soll der Rücktritt nach beinahe drei Jahrzehnten im professionellen Boxgeschäft unwiderruflich sein, zumal der letzte erhoffte Strohhalm in Gestalt eines Titelkampfs gegen einen der Klitschkos von den Ukrainern definitiv entzogen wird.

Nachdem Holyfield bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles eine Bronzemedaille im Halbschwergewicht gewonnen hatte, wechselte er ins Profilager. Dort trat er im Cruisergewicht an, kämpfte sich unaufhaltsam nach oben und wurde 1986 dank eines Sieges über Dwight Muhammad Qawi erstmals Weltmeister in diesem Limit. In der Folge gelang es ihm, die Titel der Verbände WBA, WBC IBF zusammenzuführen. Im April 1988 war Holyfield damit der einzige unumstrittene Weltmeister dieser Klasse, in der es erst 18 Jahre später wieder zu einer solchen Konstellation kommen sollte.

Im Juli 1988 bestritt Evander Holyfield seinen ersten Kampf im Schwergewicht, wo er sich mit einer Serie von Siegen wie insbesondere jenem im Kampf gegen Michael Dokes in den Ranglisten nach oben arbeiteten konnte. James "Buster" Douglas, der durch seinen sensationellen Erfolg gegen Mike Tyson Champion aller drei damals wichtigen Verbände im Schwergewicht geworden war, aber am 25. Oktober 1990 völlig außer Form gegen Holyfield antrat, gewährte diesem nahezu widerstandslos den Sprung in den höchsten Rang der Königsklasse.

Nach drei erfolgreichen Titelverteidigungen gegen George Foreman, Larry Holmes und Bert Cooper unterlag Holyfield am 13. November 1992 in einem hochklassigen Kampf dem ungeschlagenen Riddick Bowe nach Punkten und erklärte daraufhin zum ersten Mal seinen Rücktritt. Wenig später revidierte er diese Entscheidung, nahm sich Emanuel Steward zum Trainer und quälte sich zu einem Sieg über Alex Stewart. Am 6. November 1993 präsentierte er sich jedoch im Rückkampf gegen Bowe in wesentlich besserer Verfassung und gewann knapp nach Punkten. Da sich Bowe zuvor geweigert hatte, den WBC-Titel gegen Lennox Lewis zu verteidigen und den Gürtel zurückgegeben hatte, wurde Holyfield damit Champion der WBA und IBF.

Er verlor die beiden Titel am 22. April 1994 gegen den als Außenseiter gehandelten Michael Moorer, worauf bei ihm ein angeborener Herzfehler diagnostiziert wurde. Holyfield bestritt die Diagnose, trug jedoch dreizehn Monate lang keine Kämpfe aus. Dann kehrte er mit einem Sieg über Ray Mercer in den Ring zurück, worauf er jedoch Riddick Bowe am 4. November 1995 in einem Nichttitelkampf unterlag. Am 9. November 1996 kam es endlich zu dem seit Jahren geplanten Kampf gegen Mike Tyson um den WBA-Titel. Holyfield trat als krasser Außenseiter an, hielt sich aber sehr gut und trug nicht zuletzt mit Unterstützung des Ringrichters in der elften Runde den Sieg davon. Der Rückkampf am 28. Juni 1997 endete dann mit dem bekannten Eklat: Der Kampf wurde nach der dritten Runde abgebrochen, da Tyson seinem fortgesetzt klammernden Gegner ein Stück aus dem rechten Ohr gebissen hatte.

Am 8. November 1997 bezwang Holyfield den damaligen IBF-Titelträger Michael Moorer und vereinigte damit wieder die Titel zweier Verbände. In der Folge ging er Lennox Lewis zunächst aus dem Weg, setzte sich gegen Vaughn Bean durch und trat schließlich am 13. März 1999 in New York doch noch gegen den Briten an. Obwohl dieser nach Meinung aller Experten klar überlegen war, bekam Holyfield, der wie so oft in den USA hofiert wurde, ein zweifelhaftes Unentschieden geschenkt. Im November 1999 gewann Lewis jedoch die Revanche in Las Vegas nach Punkten, worauf Evander Holyfield nie wieder an seine früheren Glanzzeiten anknüpfen konnte.

Zwar entthronte er am 12. August 2000 den vergleichsweise schwachen John Ruiz als Weltmeister der WBA und wurde damit zum vierten Mal Champion im Schwergewicht, doch war dies ungeachtet mancher damaligen Jubelfeiern von geringer Bedeutung. Den Rückkampf gegen Ruiz verlor er März 2001 nach Punkten, ein dritter Kampf im Dezember desselben Jahres endete unentschieden. Es folgte ein Sieg durch "technische Entscheidung" gegen den früheren Weltmeister Hasim Rahman am 1. Juni 2002, doch dann eine klare Punktniederlage gegen Chris Byrd im Kampf um den vakanten IBF-Titel am 14. Dezember 2002. Ungeachtet weiterer Niederlagen James Toney und und Larry Donald weigerte sich Holyfield Ende 2004 zurückzutreten, worauf er in den USA gesperrt wurde, um ihn "vor sich selbst zu schützen".

Im Juni 2006 trat der inzwischen 43jährige am 18. August 2006 in Texas gegen den Aufbaugegner Jeremy Bates an und setzte sich problemlos durch. In der Folge gewann er gegen Fres Oquendo, Vinny Maddalone und Lou Savarese, verlor dann aber am 13. Oktober 2007 in Moskau gegen den WBO-Champion Sultan Ibragimow. Am 20. Dezember 2008 unterlag er Nikolai Walujew im Kampf um den Titel der WBA umstritten nach Punkten. Über ein Jahr später bezwang der inzwischen 47jährige am 10. April 2010 Francois Botha in Las Vegas und am 7. Mai 2011 Brian Nielsen am in Dänemark, beide ehemals namhafte Schwergewichtler ohne aktuelle Konkurrenzfähigkeit. Holyfield kann auf eine Karriere mit 44 Siegen, zehn Niederlagen und zwei Unentschieden zurückblicken, woran sich aller Voraussicht nach selbst bei ihm nichts mehr ändern dürfte.

"Der Sport war gut zu mir, und ich hoffe, ich war auch gut für den Sport", sagte Holyfield gegenüber Sports Illustrated. "Ich werde am Freitag 50 Jahre alt und habe im Sport alles erreicht, was ich wollte." Als letzte Hintertür hielt er sich die Klitschkos offen und erklärte, er würde selbst in diesem Alter immer noch gegen sie kämpfen. Er könne sie schlagen, sie wollten es aber nicht: "Ich kann aber niemanden zum Kampf zwingen."

"Keiner der Brüder boxt gegen Evander", unterstrich der Manager der Klitschkos, Bernd Bönte, noch einmal. Beide würden Holyfield zerstören, hätten aber zu großen Respekt vor seiner Lebensleistung, da er eines ihrer Idole sei. Das sei wesentlich wichtiger als das Geld, das man mit diesem Kampf verdienen könnte, zu dem es daher niemals kommen werde.

19. Oktober 2012