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PORTRAIT/106: Carl Froch ringt sich zum Abschied durch (SB)



Nach langem Zögern beendet der Brite seine Karriere

Der frühere Weltmeister dreier Verbände im Supermittelgewicht Carl Froch hat seine Karriere für beendet erklärt. Als einer der besten britischen Boxer aller Zeiten wird er sicher eines nicht allzu fernen Tages Einzug in die internationale Ruhmeshalle des Boxsports halten. Er sei unglaublich stolz darauf, was er in diesem Sport erreicht habe. Jetzt sei jedoch der rechte Augenblick gekommen, die Boxhandschuhe an den Nagel zu hängen, so Froch. Er habe nichts mehr zu beweisen, und sein Vermächtnis spreche für sich selbst.

Nach seinem Wechsel ins Profilager 2002 brauchte Carl Froch zwei Jahre, um sich die Titel des Britischen und Commonwealth-Meisters zu sichern. 2008 eröffnete sich ihm die erste Chance, Weltmeister zu werden, die er vor heimischem Publikum in Nottingham zu nutzen verstand. Der Lokalmatador setzte sich in einem erbitterten Kampf nach Punkten gegen den starken Kanadier Jean Pascal durch, der später Champion im Halbschwergewicht wurde, und sicherte sich den Gürtel des WBC. Für seine erste Titelverteidigung reiste der Brite in die USA, wo er auf Jermain Taylor traf, der früher alle vier Gürtel im Mittelgewicht besessen hatte. Froch wurde niedergeschlagen und lag bei zwei Punktrichtern im Rückstand, als er den US-Amerikaner vierzehn Sekunden vor Ende der letzten Runde auf die Bretter schickte.

Nach diesem spektakulären Erfolg nahm der Brite am Super-Six-Turnier des Senders Showtime teil und setzte sich zum Auftakt in Nottingham knapp nach Punkten gegen Andre Dirrell durch. Schien Froch dabei von der Gunst der Punktrichter zu profitieren, so verhielt es sich bei seinem folgenden Auftritt umgekehrt. Er bekam es in Dänemark mit Mikkel Kessler zu tun, der nach einer wahren Schlacht allzu deutlich die Oberhand behielt. Den dritten Turnierkampf bestritt der Brite in Helsinki gegen den Berliner Arthur Abraham, der bei der Niederlage nach Punkten chancenlos war. Im Halbfinale setzte sich Froch im Juni 2011 in Atlantic City gegen den früheren Champion Glen Johnson durch, doch sechs Monate später mußte er sich im Finale, das an gleicher Stelle stattfand, dem Kalifornier Andre Ward geschlagen geben.

Froch erholte sich auch von diesem Rückschlag, besiegte vor ausverkauftem Haus in Nottingham den amtierenden IBF-Weltmeister Lucian Bute in der fünften Runde und brachte damit einen weiteren Gürtel in seinen Besitz. Nachdem er Yusaf Mack in nur drei Runden das Nachsehen gegeben hatte, traf er im Mai 2013 zu einer Revanche mit Mikkel Kessler zusammen. In der Londoner O2 Arena behielt der Brite nach Punkten die Oberhand und holte sich auch den Titel der WBA.

Zum Abschluß seiner Karriere bestritt Carl Froch zwei Kämpfe gegen seinen jungen Landsmann George Groves, der sich bereits zum designierten Nachfolger erklärt hatte. Im ersten Duell, das im November 2013 stattfand, mußte Froch einen Niederschlag in der ersten Runden überstehen und lag nach Punkten im Rückstand, als er das Blatt in der neunten Runde mit einem Volltreffer wendete. Da weithin Kritik laut wurde, Ringrichter John Foster habe den Kampf zu schnell abgebrochen, bot sich eine Revanche an. Als die Rivalen am 31. Mai 2014 vor 80.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion erneut aufeinandertrafen, setzte sich Carl Froch in der achten Runde durch.

Das wäre ein günstiger Zeitpunkt für den Rücktritt gewesen, doch der Brite zögerte vierzehn Monate lang, da er von einem letzten Auftritt unter den Lichtern von Las Vegas träumte. Er versteifte sich zunächst auf Julio Cesar Chavez, verletzte sich dann im Training und begrub schließlich diesen Plan, als der Mexikaner im April an Andrzej Fonfara scheiterte. Nachdem Bernard Hopkins wie auch James DeGale als mögliche Alternativen genannt worden waren, Froch beide Titel am grünen Tisch verloren und Gennadi Golowkin sein Interesse bekundet hatte, in England gegen ihn anzutreten, rang sich der Brite endlich dazu durch, einen Schlußstrich zu ziehen und ohne weiteren Kampf zurückzutreten. [1]

Am 2. Juli feierte Carl Froch, für den 33 Siege und zwei Niederlagen zu Buche stehen, seinen 38. Geburtstag. Nun hat er die weise Entscheidung getroffen, als Multimillionär, renommierter Sportler und bei guter Gesundheit den Hut zu nehmen. Da er seine Ecken und Kanten hatte, mitunter unverblümt Stellung nahm und im Zweifelsfall das machte, was er für angebracht hielt, legte man ihm manchen Stein in den Weg. Den Kampf gegen Jean Pascal verfolgten über drei Millionen Zuschauer beim Sender ITV, doch seine erste und noch dramatischere Titelverteidigung gegen Jermain Taylor wurde nicht einmal live übertragen. [2]

Froch konnte sich Runde um Runde zum Schlagabtausch stellen, aber auch einen Gegner mit einem einzigen Schlag fällen. Er steckte selber jede Menge Schläge ein und stand gegen Jermain Taylor und im ersten Kampf gegen George Groves auf verlorenem Posten, als er das Blatt unverhofft wendete. Wenngleich er Auftritte in seiner Heimatstadt bevorzugte, scheute er Reisen ins Ausland nicht. Er wird als mutiger und unverwüstlicher Boxer in guter Erinnerung bleiben.

Froch wird künftig für den britischen Sender Sky Sports als Analyst tätig sein, der einen Exklusivvertrag mit Matchroom Boxing abgeschlossen hat und daher viele bedeutende Kämpfe mit britischer Beteiligung überträgt. Wie der ehemalige Weltmeister dazu erklärte, sei Sky Sports die Heimat des Boxens und habe ihn während seiner gesamten Karriere begleitet. Er freue sich darauf, diesem Team anzugehören und den Fans die besten Kämpfer, Auftritte und Analysen zu präsentieren. Wenngleich nichts den Nervenkitzel im Ring übertreffe, bekomme er doch die Gelegenheit, sich fortan der zweitbesten Beschäftigung zu widmen, die er sich vorstellen könne.

Der Generaldirektor von Sky Sports, Barney Francis, würdigte Froch als eine Legende des britischen Boxsports und wahren Champion, den der Sender mit offenen Armen empfange. Mit seiner Detailkenntnis und Erfahrung werde er den Zuschauern eine neue Qualität kommentierter Übertragungen nahebringen.

Promoter Eddie Hearn, unter dessen Regie Carl Froch die letzten elf Kämpfe seiner Laufbahn bestritten hatte, charakterisierte den Supermittelgewichtler abschließend als Boxer, der nie einem Gegner aus dem Weg gegangen sei und dem zahlenden Publikum stets einen Gegenwert geboten habe. Froch sei eine inspirierende Persönlichkeit, von der er eine Menge gelernt habe. Als Kämpfer, der nie die Starthilfe eines Olympiaprogramms genossen, sondern sich jeden Penny mit harter Arbeit verdient habe, gebühre ihm uneingeschränkter Respekt. Carl Froch sei ein untadeliges Vorbild und ein wunderbarer Botschafter des britischen Boxsports in aller Welt gewesen.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13252642/former-super-middleweight-champion-carl-froch-announces-retirement-boxing

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13252703/carl-froch-walk-away-boxing-true-champion-retirement-writes-steve-bunce

15. Juli 2015


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