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PORTRAIT/110: Im Trommelwirbel Aaron Pryors (SB)



Früherer Champion im Halbweltergewicht in Cincinnati verstorben

Aaron Pryor, der am 20. Oktober 61 Jahre alt geworden wäre, ist in Cincinnati, Ohio, gestorben. Wie es hieß, sei der ehemalige Weltmeister der Verbände WBA und IBF im Halbweltergewicht nach längerer Krankheit einem Herzleiden erlegen. Pryor, für den am Ende seiner Karriere 39 Siege, aber nur eine Niederlage zu Buche standen, hatte 35 Gegner vorzeitig bezwungen. Zwischen 1980 und 1985 dominierte er seine Gewichtsklasse, wobei er 1982 und 1983 in zwei erbitterten Ringschlachten Alexis Arguello aus Nicaragua auf die Bretter schickte. Zudem gab er namhaften Kontrahenten wie Alfonso Frazer, Gaetan Hart, Lennox Blackmoore und Miguel Montilla das Nachsehen.

Pryor absolvierte eine glänzende Karriere als Amateurboxer, deren Höhepunkt ein Sieg über Thomas Hearns im Finale der nationalen Golden Gloves 1976 war. Im selben Jahr unterlag er bei der Qualifikation für die Olympischen Spiele dem späteren Goldmedaillengewinner Howard Davis und gehörte deswegen nicht der erfolgreichen US-Staffel an. Unmittelbar darauf wechselte er ins Profilager, wo der Geschäftsmann Buddy LaRosa, der in Cincinnati als Inhaber eines Pizzarestaurants ein Vermögen gemacht hatte, sein Manager wurde.

Mitte der 80er Jahre hatte Pryor, der in dieser Zeit zumeist in Cincinnati und der näheren Umgebung angetreten war, 24 Kämpfe in Folge gewonnen. Dann traf er auf den amtierenden WBA-Weltmeister Antonio Cervantes, der später in die Hall of Fame aufgenommen wurde. Im traditionsreichen Riverfront Coliseum überstand Pryor einen Niederschlag in der ersten Runde und bezwang Cervantes im vierten Durchgang.

Als Weltmeister traf er bei seiner sechsten Titelverteidigung auf den legendären Alexis Arguello, der sich anschickte, Champion in der vierten Gewichtsklasse zu werden, was bis dahin noch keinem Boxer gelungen war. Am 12. November 1982 kam es im Orange Bowl in Miami zu einem der bedeutendsten Kämpfe in der Geschichte des Boxsports, in dem Pryor durch K.o. in der 14. Runde den größten Sieg seiner Karriere feierte. Überschattet wurde dieser Erfolg durch eine Kontroverse um seinen Trainer Panama Lewis, der nicht lange darauf wegen verbotener Manipulationen an den Handschuhen eines seiner Boxer gesperrt werden sollte. In der Übertragung des Senders HBO war zufällig zu hören, wie Lewis den Cutman in der Pause nach der Wasserflasche fragte, die er selber angemischt habe. Wenngleich nie überprüft wurde, was Pryor vor der kampfentscheidenden Runde zu trinken bekommen hatte, wirkte er daraufhin wie verjüngt und ging mit neuem Schwung auf den ermüdeten Arguello los, der dieser Angriffswucht nichts mehr entgegenzusetzen hatte.

Nachdem Pryor seinen Titel im nächsten Kampf erfolgreich gegen Sang Hyun Kim verteidigt hatte, der die dritte Runde nicht überstand, kam es am 9. September 1983 zur mit Spannung erwarteten Revanche gegen Arguello. Wenngleich auch dieses hochklassige Duell alle Erwartungen erfüllte, hatte der Champion dabei ein etwas leichteres Spiel und setzte sich in der zehnten Runde durch. Danach erklärte er seinen Rücktritt, doch hielt diese Entscheidung nicht allzu lange vor.

Neun Monate später kehrte er in den Ring zurück und bekam den damals neu geschaffenen IBF-Titel im Halbweltergewicht zugesprochen, den er durch einen Punktsieg über Nick Furlano erfolgreich verteidigte. Im März 1985 setzte er sich auch gegen Gary Hinton durch, doch sollte dies sein letzter Titelkampf bleiben. Er hatte in dieser Zeit bereits Drogenprobleme und mußte den Gürtel schließlich wegen Inaktivität zurückgeben. Im August 1987 bezog er in Fort Lauderdale die erste und einzige Niederlage seiner Karriere, als ihn der relativ unbekannte Bobby Joe Young in der siebten Runde bezwang. Man kann wohl davon ausgehen, daß der Kampf umgekehrt ausgegangen wäre, hätte er einige Jahre früher stattgefunden. Dieser Rückschlag signalisierte indessen, daß das Ende seiner Laufbahn unwiderruflich näherrückte.

Nach wie vor drogenabhängig, wodurch er straffällig wurde wie auch unter Katarakten und Netzhautablösung litt, gewann er noch drei Kämpfe gegen die relativ schwachen Gegner Hermino Morales, Darryl Jones und Roger Choate, worauf er schließlich 1990 die Boxhandschuhe endgültig an den Nagel hängte.

Wie Pryor gegen die legendären Weltergewichtler Sugar Ray Leonard und Tommy Hearns oder Roberto Duran und Ray Mancini abgeschnitten hätte, die in derselben Ära ihre Erfolge feierten, bleibt eine akademische Frage. Wenngleich diese Kämpfe des öfteren im Gespräch waren, kamen sie aus unterschiedlichen Gründen nie zustande. Aaron Pryor wurde 1996 in die Hall of Fame aufgenommen und 1999 von The Associated Press zum besten Halbweltergewichtler des 20. Jahrhunderts gekürt. [1]

Wie der geschäftsführende Direktor der Hall of Fame in Cooperstown, Edward Brophy, in einer ersten Stellungnahme hervorhob, sei Aaron Pryor zweifellos einer der aufregendsten Boxer gewesen, die je im Ring gestanden haben. Seine aggressive Kampfesweise habe ihm enorme Popularität unter den Fans eingebracht.

Pryor war bekannt dafür, daß er seine Gegner ständig unter Druck setzte und pausenlos in hoher Frequenz schlug. Auf diese Weise machte er wett, was ihm an Schlagwirkung gegenüber gefährlichen Kontrahenten wie Arguello fehlte. Welche taktische Marschroute oder technische Variante sich seine Widersacher auch vorgenommen hatten, sie endete frühzeitig, da er ihnen augenblicklich den Kampf aufzwang, ob sie das wollten oder nicht. Er ging auf sie los, schnitt ihnen gekonnt den Weg ab, so daß sie sich ihm nicht entziehen konnten, und traktierte sie sie unablässig mit seinen trommelnden Schlägen. Mit 1,68 m war er für seine Gewichtsklasse weder besonders groß noch verfügte er über eine ausgeprägte Reichweite. Da er jedoch gar nicht erst aus der Distanz boxte, sondern unablässig die Nähe zum Gegner suchte, spielte das keine Rolle für ihn. [2]

Er wendete die längeren Arme und größeren Schwungräume seiner Kontrahenten gegen sie, indem er ihnen dicht zu Leibe rückte und seine Aktionen verkürzte. Da er ihnen weder Raum noch Luft ließ, von ihren vermeintlichen Vorteilen Gebrauch zu machen, waren die meisten nach drei bis vor Runden am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt. Pryor klebte wie Leim an ihnen und deckte sie derart mit seinen schnellen Schlägen ein, daß er auf dem Zenit seines Könnens unschlagbar und ein Alptraum für die gesamte Konkurrenz in seiner Gewichtsklasse war.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17753705/former-junior-welterweight-champ-aaron-pryor-dies-60

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/10/aaron-pryor-passes-away/#more-218947

11. Oktober 2016


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