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MELDUNG/227: Kubaner Erislandy Lara und Yordanis Despaigne souverän (SB)



Erstklassige Amateurausbildung trägt im Profilager Früchte

Der letzte professionelle Boxkampf wurde in Kuba im Dezember 1961 ausgetragen. Wenig später untersagte Fidel Castro per Dekret den Profisport mit der durchaus nachvollziehbaren Begründung, er mache wenige auf Kosten vieler reich. Obgleich daraufhin zahlreiche erfahrene Boxer das Land verließen, stieg Kuba dennoch zur weltweit führenden Nation im Amateurboxen auf. Unter den Vätern dieses Erfolgs ist allen voran der legendäre Trainer Alcides Sagarra zu nennen, der von 1964 an die Nationalmannschaft systematisch aufbaute. Ihm stand zunächst Andrej Tscherworenko zur Seite, der später in die Sowjetunion zurückkehrte.

Kuba brachte viele bedeutende Boxer hervor. Teófilo Stevenson wurde von 1972 bis 1980 dreimal in Folge Olympiasieger im Schwergewicht, und ein vierter Triumph blieb ihm nur deshalb versagt, weil sich sein Land am Boykott der Spiele 1984 in Los Angeles wie auch der folgenden 1988 in Seoul beteiligte. So fand Stevenson erst 1992 in Barcelona, wo die kubanische Staffel nicht weniger als sieben Finalkämpfe für sich entscheiden konnte, einen würdigen Nachfolger in Felix Savón, der ebenfalls dreimal nacheinander Gold gewann, was außer den beiden Kubanern weltweit nur dem Ungarn László Papp gelang.

Teófilo Stevenson galt als einer der besten Schwergewichtsboxer seiner Zeit. Als ihm US-Promoter eine Million Dollar pro Kampf boten, lehnte er dieses Ansinnen mit den Worten ab: "Was ist eine Million Dollar gegen die Liebe meines Volkes!" Die kubanischen Sportidole blieben auch nach Ende ihrer aktiven Karriere dem Boxsport erhalten und bekleideten hohe Funktionen im Verband oder leiteten die Ausbildung des Nachwuchses.

Auch bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney dominierten die Boxer Kubas. Mit vier Goldmedaillen und zweimal Bronze lagen sie am Ende deutlich vor Rußland und Kasachstan, wobei sie alle vier Finalkämpfe gewannen, in denen sie vertreten waren. Zudem hatten sie im Halbfinale zwei fragwürdige Niederlagen hinnehmen müssen, gegen die sie vergebens Protest einlegten. Bei früheren Olympiaden, Weltmeisterschaften und Panamerikanischen Spielen waren die Kubaner aus politischen Gründen massiv benachteiligt wurden, weshalb ihr Verdacht, man habe sie erneut um verdiente Siege gebracht, zweifellos gerechtfertigt war.

Vier Jahre später war die Ausbeute der Kubaner in Athen sogar noch besser, wo sie mit fünf Goldmedaillen, zweimal Silber und einmal Bronze wiederum an der Spitze lagen. Unter den kubanischen Olympiasiegern befanden sich Yan Barthelemy Varela, Yuriorkis Gamboa und Odlanier Solís Fonte, die auch als Leistungsträger für 2008 vorgesehen waren. In Peking trat jedoch eine kubanische Staffel an, in der kein einziger der fünf Olympiasieger von 2004 stand. Während Mario Kindelan seine Karriere beendet hatte, setzten sich Solís, Gamboa und Barthelemy ins Ausland ab und unterschrieben Profiverträge beim Hamburger Arena-Boxstall. Doppelolympiasieger Guillermo Rigondeaux wurde aus dem Aufgebot verbannt, nachdem seine Abwanderung mit Exweltmeister Erislandy Lara im Juli 2007 kläglich gescheitert war. Im Frühjahr 2008 machte sich Lara erneut aus dem Staub und kam ebenfalls bei Arena unter, während Rigondeaux zurückblieb, weil er seine Familie nicht im Stich lassen wollte. Im Februar 2009 setzte sich auch Rigondeaux endgültig ab. Er lebt heute in Los Angeles, wo er von Freddie Roach trainiert wird und fünf Profikämpfe gewonnen hat.

Erislandy Lara, der 2005 in China Amateurweltmeister im Weltergewicht geworden war, macht als Profiboxer im Halbmittelgewicht Karriere. Er ist inzwischen in dreizehn Kämpfen ungeschlagen, von denen er acht vorzeitig gewonnen hat. Vor wenigen Tagen bekam der Veteran Willie Lee die Überlegenheit des Exilkubaners zu spüren, dem er von Beginn des Kampfes an nichts entgegenzusetzen hatte. Nach einer Kombination ging er frühzeitig zu Boden und kam noch einmal mühsam auf die Beine. Lara boxte konzentriert weiter und traf wenig später mit einer linken Geraden und einem linken Aufwärtshaken. Lee war erneut angeschlagen, worauf der Kubaner nachsetzte und weitere Treffer landen konnte, die den Ringrichter veranlaßten, den ungleichen Kampf bereits nach 108 Sekunden der ersten Runde abzubrechen.

In einem anderen Kampf mit kubanischer Beteiligung traf der 30 Jahre alte Yordanis Despaigne im Halbschwergewicht auf den ebenfalls ungeschlagenen Frank Paines. Dieser hatte elf Kämpfe gewonnen und dabei zehn Gegner vorzeitig besiegt, war dabei aber durchweg gegen namenlose Kontrahenten angetreten. Mit einem Sieg über Despaigne, der zwar erst sechs Profikämpfe bestritten hatte, aber in der Rangliste des WBC bereits in den Top 10 geführt wurde, hoffte Paines, einen großen Sprung nach vorn zu schaffen, was ihm jedoch gründlich mißlang. Wie sich rasch herausstellte, war er dem Kubaner nicht gewachsen, der ihn zehn Runden lang dominierte, ohne sich übermäßig anstrengen zu müssen.

Despaigne war nicht nur physisch überlegen, sondern stellte seinen Gegner auch konditionell und technisch klar in den Schatten. Hätte der Kubaner weniger zurückhaltend geboxt, wäre ein vorzeitiger Sieg sicher möglich gewesen. Bereits in der zweiten Runde ging Paines nach einem kurzen linken Haken zu Boden, worauf Despaigne noch etliche gute Treffer folgen ließ, ohne jedoch mit letzter Konsequenz nachzusetzen. In mehreren ereignisarmen Runden demonstrierte der Kubaner sein Können und sammelte fleißig Punkte, bis eine Rißwunde über seinem rechten Auge, verursacht durch einen unabsichtlichen Kopfstoß Paines, im fünften Durchgang für Turbulenzen sorgte. Yordanis Despaigne konnte jedoch weiterboxen, wenngleich er sich fortan damit begnügte, seinen Vorsprung locker auszubauen. Am Ende standen 96:93, 100:89 und 99:90 für ihn zu Buche, die ihm unangefochten den siebten Sieg seiner Profikarriere bescherten.

22. August 2010