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MELDUNG/570: Erfurter Nachlese - Talentschmiede im Vorprogramm (SB)



Siege für Britsch, Nader und Graf - Hein gescheitert

Mochte das Motto des Erfurter Abends "Nacht der Jäger" bei sportfremden Fernsehzuschauern kurzfristig für Irritationen gesorgt haben, so war Eingeweihten doch klar, worum es dabei ging. Im Kampf um den regulären WBA-Titel im Schwergewicht setzte sich der Russe Alexander Powetkin aus dem Sauerland-Boxstall nach Punkten gegen Ruslan Tschagajew von Universum durch und verschaffte sich damit eine gute Ausgangsposition, um Jagd auf Superchampion Wladimir Klitschko zu machen. Ebenfalls auf der Pirsch blieb der Finne Robert Helenius, der vorzeitig gegen den weißrussischen Exweltmeister Sergej Liachowitsch die Oberhand behielt und damit seine Ambitionen unterstrich, in die höchsten Ränge der Aspiranten auf einen Titelkampf vorzustoßen.

Wenngleich diese beiden Duelle natürlich die unangefochtenen Höhepunkte der hochkarätigen Veranstaltung waren, bot Sauerland Event doch auch im Vorprogramm etliche attraktive Begegnungen auf. Allen voran ist in dieser Nachlese der junge Mittelgewichtler Dominik Britsch zu nennen, auf dessen Talent Trainer Ulli Wegner große Stücke hält. Der 23jährige Neckarsulmer hatte am 16. Juli im Münchner Olympia-Eisstadion den US-Amerikaner Ryan Davis besiegt und sich den Intercontinentaltitel der IBF gesichert. In 23 Profikämpfen ungeschlagen, rückte Britsch dank dieses Erfolgs an Nummer 13 der IBF-Weltrangliste vor.

In Erfurt traf er auf den 37jährigen ehemaligen britischen Meister Steven Bendall, der die Erfahrung von 35 absolvierten Kämpfen mitbrachte, jedoch seit mehr als zwei Jahren nicht mehr im Ring gestanden hatte. Britsch tat sich schwer gegen den Routinier, der ihm in der zweiten Runde eine Cutverletzung unter dem Auge beibrachte, die den Neckarsulmer in der Folge sichtlich einschränkte. Er machte zwar wie gewohnt Druck, lief dabei aber wiederholt in Konter des Briten, der recht gesetzt zu Werke ging, aber von seiner Erfahrung zehrte. Dominik Britsch wirkte nicht so agil wie bei seinen letzten Auftritten, was damit zusammenhängen mochte, daß er in diesen Jahr bereits den fünften Kampf bestritt.

Nachdem Bendall wegen fortgesetzten Abduckens in der fünften Runde einen Punktabzug hinnehmen mußte und allmählich Konditionsprobleme erkennen ließ, kam der Neckarsulmer besser zu Geltung. Allerdings brachte er nicht die erforderliche Schlagwirkung auf, um den Briten vorzeitig zu besiegen. Wie er im nachfolgenden Interview berichtete, habe er sich gut gefühlt und im großen und ganzen einen ordentlichen Auftritt über die Bühne gebracht. Bendall sei einer seiner zähesten Gegner gewesen und habe ihm durch sein häufiges Klammern die Arbeit beträchtlich erschwert. Weitergebracht habe ihn der Kampf jedenfalls, meinte Britsch, der natürlich damit rechnen muß, im Verlauf seines Aufstiegs in die vorderen Ränge des Mittelgewichts immer häufiger unbequeme Gegner vor die Fäuste zu bekommen.

Während Ulli Wegner bei aller gebotenen Manöverkritik sicher zufrieden war, daß sich sein Schützling durchgebissen hatte und auf der Siegerstraße geblieben war, sah das für seinen Trainerkollegen Karsten Röwer und dessen Halbschwergewichtler Artur Hein ganz anders aus. Der gebürtige Kasache hatte sich im April mit einem schmeichelhaften Unentschieden von dem Franzosen Tony Averlant getrennt und wollte im Rückkampf beweisen, daß mehr in ihm steckt. Er begann engagiert und machte einige Runden lang eine gute Figur, brach dann jedoch erneut konditionell ein und mußte schwere Treffer einstecken. Als er in der elften Runde verteidigungsunfähig wirkte, warf Röwer zum Zeichen der Aufgabe das Handtuch, um die Gesundheit seines Schützlings zu schonen. Da man sich zwölf Wochen lang intensiv auf diesen Kampf vorbereitet hatte, suchte der Trainer gar nicht erst nach einer diesbezüglichen Entschuldigung, sondern bilanzierte kompromißlos, daß es bei Hein für höhere Ziele offenbar nicht reiche.

Wesentlich besser schnitt der österreichische Mittelgewichtler Marcos Nader ab, der auch seinen zwölften Profikampf gewann. Allerdings gelang es dem 21jährigen nicht, seinen italienischen Gegner Gianmario Grassellini vorzeitig auf die Bretter zu schicken, obgleich dieser des öfteren ein leichtes Ziel bot. Als der Kampf nach der siebten Runde abgebrochen wurde, war dies einer Rißwunde geschuldet, die der Italiener davongetragen hatte. Wie Nader einräumte, habe er durchaus versucht, den sichtlich angeschlagenen Kontrahenten auszuschalten, und ihn ja auch am Kopf getroffen, wie die Cutverletzung zeige. Ein Niederschlag sollte es diesmal eben nicht sein.

Einen vorzeitigen Sieg feierte hingegen David Graf im Cruisergewicht, der zwar erst vier Kämpfe bestritten, aber alle vorzeitig gewonnen hat. Natürlich bekommt er es in dieser frühen Phase seiner Laufbahn mit handhabbaren Gegnern zu tun, was auch für den Ungarn Victor Szalai galt, der ihn vor keine nennenswerten Probleme stellte. Der 22jährige wird mit seinen Aufgaben wachsen, wobei es seinem Umfeld obliegt, dafür zu sorgen, daß die Entwicklung im Gleichschritt von Anforderung und Können voranschreitet.

31. August 2011