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MELDUNG/588: Mayweather siegt und macht sich keine Freunde (SB)



Victor Ortiz als WBC-Champion im Weltergewicht entthront

Nach 16 Monaten Pause ist Floyd Mayweather jun. in den Ring zurückgekehrt, der zu den weltbesten Akteuren der mittleren Gewichtsklassen gehört. Sein in sportlicher Hinsicht nicht ganz von der Hand zu weisender Anspruch, der beste Boxer der Gegenwart zu sein, paart sich mit Verhaltensweisen im Ring und in seinem sonstigen Auftreten, die ihn nicht gerade zu einem Sympathieträger machen. Der 34jährige US-Star traf im MGM Grand der Spielerstadt Las Vegas auf den zehn Jahre jüngeren WBC-Weltmeister im Weltergewicht, Victor Ortiz, der im April Andre Berto entthront hatte.

Mayweather hatte im Vorfeld dieser Herausforderung unterstrichen, wie ernst er die anspruchsvolle Aufgabe nehme, sich mit einem deutlich jüngeren Gegner zu messen. Er habe ein besonders langes Trainingslager absolviert und werde in Bestform antreten. Darüber hinaus hatte der Defensivkünstler angekündigt, er wolle diesmal aggressiv zu Werke gehen und strebe einen Niederschlag an. Diese Vorhersage sollte sich erfüllen, da Mayweather durch K.o. in der vierten Runde gewann und seine makellose Profibilanz auf 42 Siege verbesserte. Victor Ortiz wurde bereits bei seiner ersten Titelverteidigung entthront und weist nun 29 gewonnene und drei verlorene Kämpfe sowie zwei Unentschieden auf.

Der Ruf Mayweathers, zu den umstrittensten Figuren des Boxsports zu gehören, fand neue Nahrung durch die ebenso spektakulären wie fragwürdigen Umstände des Niederschlags. Der US-Amerikaner präsentierte sich von Beginn an in ausgezeichneter Verfassung und dominierte die Auftaktrunde mit seiner ansatzlos geschlagenen Rechten, während er Ortiz immer wieder ins Leere laufen ließ. Die nahtlose Verbindung von Defensivkünsten und gefährlichen Angriffen machte dem Titelverteidiger zu schaffen, der im zweiten Durchgang versuchte, seinen sechs Kilo leichteren Gegner mit seiner überlegenen Physis in die Seile zu drängen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch an der Beweglichkeit Mayweathers, der sich ein ums andere Mal entzog und dabei seine gefährlichen Konter landete. Dieses Bild wiederholte sich in der folgenden Runde, da der Herausforderer nicht nur aktiver agierte, sondern auch treffsicher blieb.

Zum Auftakt der vierten Runde erhöhte Mayweather den Druck und setzte einige Kombinationen durch, die das Gesicht seines Gegners anschwellen ließen. Gegen Mitte der Runde kam Ortiz jedoch besser zur Geltung und brachte an den Seilen mehrere Treffer ins Ziel. Im Eifer des Gefechts setzte er jedoch seinen Kopf regelwidrig ein, wofür ihn Ringrichter Joe Cortez mit einem Punktabzug bestrafte. Ortiz entschuldigte sich sofort bei seinem Gegner und war offenbar der Ansicht, daß der Kampf noch nicht wieder freigegeben sei. Diesen Augenblick der Unachtsamkeit nutzte Mayweather sofort, dem Weltmeister einen linken Haken zu verpassen. Ortiz nahm die Deckung immer noch nicht hoch und schaute sich hilfesuchend nach dem Ringrichter um, der die Situation jedoch nicht im Blick hatte, da er gerade zum Supervisor hinblickte.

Wäre Mayweather ein fairer Boxer, hätte er sich angesichts dieser Verwirrung zurücknehmen können. Statt dessen setzte er mit einer vollen Rechten nach, die den Titelverteidiger auf die Bretter schickte. Ortiz war so benommen, daß er nicht mehr rechtzeitig auf die Beine kam und ausgezählt wurde. Er war nicht ganz unschuldig an diesem unerwarteten Ausgang des Kampfs, da er es unterließ, sich wie vom Reglement gefordert jederzeit zu verteidigen. Ringrichter Cortez war ebenfalls beteiligt, da er seinen Blick vom Geschehen abwandte und im entscheidenden Augenblick nicht auf der Höhe des Geschehens war. Mayweather wiederum stellte einmal mehr unter Beweis, daß er rücksichtslos den eigenen Vorteil sucht.

Daß bei ihm in dieser Hinsicht kein Blatt Papier zwischen Wort und Tat paßt, unterstrich das nachfolgende Interview. Mayweather ließ nicht den geringsten Anflug von Bedauern erkennen, sondern pochte auf die Regeln. Er habe Ortiz getroffen und den Kampf beendet. Sollte sein Gegner eine Revanche wünschen, stehe er dafür zur Verfügung. Vermutlich war es diese Abgebrühtheit, die den Analysten Larry Merchant vom Sender HBO auf die Palme brachte. Er appellierte vergeblich an den Sportsgeist Mayweathers, wobei es zu einer lautstarken Auseinandersetzung kam.

Sich Freunde zu machen, ist offenbar ein Anliegen, das für Floyd Mayweather keine Rolle spielt. Dabei ist nicht zu erkennen, daß er womöglich den Gestus des überheblichen Provokateurs gezielt einsetzt, um jenen Part zu übernehmen, der das Publikum am meisten reizt. Wer die Vorgeschichte Mayweathers und seines an Skandalen und Konflikten reichen Familienclans kennt, kann sich auch nach dem jüngsten Auftritt in Las Vegas kaum des Eindrucks erwehren, daß Floyd Mayweather jun. der unangefochtene Mittelpunkt seines eigenen Universums ist.

Victor Ortiz, der allen Grund gehabt hätte, mit den Umständen seiner Niederlage zu hadern, enthielt sich hingegen jeder Bezichtigung. Er habe sich für seinen Kopfstoß entschuldigt, während der Kampf vom Ringrichter unterbrochen worden sei. Im nächsten Augenblick habe ihn ein schwerer Treffer niedergestreckt. Offenbar sei es zu einem Mißverständnis mit den Referee gekommen, dem er keine Schuld gebe.

19. September 2011