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MELDUNG/597: Sergio Martinez gehen die angemessenen Gegner aus (SB)



Argentinier dominiert gegenwärtig das Mittelgewicht

Der Argentinier Sergio Martinez gilt derzeit als Maß aller Dinge im Mittelgewicht. Im vergangenen Jahr gelang ihm mit einem Sieg gegen Kelly Pavlik der sportliche Durchbruch. Damals wurde der Weltmeister der Verbände WBC und WBO aus Youngstown, Ohio, als weltbester Boxer seiner Gewichtsklasse eingeschätzt, weshalb die überraschende Niederlage gegen Martinez einer Sensation gleichkam. Die vielfach kolportierte Annahme, das Glück werde den Argentinier bald wieder verlassen und seinen Aufstieg als Eintagsfliege ausweisen, sollte sich als eine der eklatantesten Verkennungen des Boxgeschäfts in der jüngeren Zeit erweisen. Im November 2010 mußte mit Paul Williams ein weiterer namhafter US-Amerikaner die Segel vor Martinez streichen, der kurzen Prozeß mit ihm machte und ihn bereits in der zweiten Runde ins Reich der Träume schickte. Als die WBC-Führung den Argentinier Ende vergangenen Jahres aufforderte, seinen Titel gegen Interimschampion Sebastian Zbik zu verteidigen, nahm er auf Anraten des führenden US-Boxsenders HBO, dem der deutsche Gegner offenbar nicht attraktiv genug war, davon Abstand. Daraufhin erkannte ihm der Verband den Titel ab, beförderte ihn aber in der Folge zum sogenannten Diamantchampion.

Am 1. Oktober verteidigt Martinez seinen Gürtel in Atlantic City gegen Darren Barker, der den Titel des Europameisters für diesen Kampf niedergelegt hat und als klarer Außenseiter eingestuft werden muß. Der 36jährige Argentinier spricht denn auch weniger von seinem Gegner, als vielmehr dem Wunsch, künftig bedeutende und lukrative Kämpfe zu bestreiten. Der 36jährige hat nicht ewig Zeit, auf die wirklich großen Börsen zu warten, und spielt deshalb sogar mit dem Gedanken, sich mit Manny Pacquiao zu messen und ihm den Rang des weltbesten Boxers aller Gewichtsklassen streitig zu machen. Dafür müßte er allerdings ins Weltergewicht zurückzukehren, obwohl er dieser Gewichtsklasse mittlerweile längst entwachsen ist. Da es im Mittelgewicht für ihn keine Gegner mehr gebe, müsse er bis auf 68 kg heruntergehen und dabei seine Gesundheit aufs Spiel setzen. Er wolle beweisen, daß er der Beste sei, und Pacquiao keine Ausreden mehr lassen.

Sergio Martinez brachte zuletzt vor acht Jahren 69 kg auf die Waage. Seither hat er kräftig zugelegt und wiegt zwischen seinen Kämpfen mehr als 80 kg. So viel Gewicht zu reduzieren, wäre nicht nur seiner Gesundheit abträglich, sondern auch in sportlicher Hinsicht riskant. Während er Gefahr liefe, sehr geschwächt in diesen Kampf zu gehen, ist das Weltergewicht für Manny Pacquiao, obgleich er dort Weltmeister ist, ein Limit, das er normalerweise mehr oder minder deutlich unterschreitet. Der Philippiner könnte also in bester körperlicher Verfassung gegen den Argentinier antreten, während dieser mit dem Gewicht womöglich auch seine Schlagwirkung verlieren würde.

Am Ring sitzen wird WBO-Weltmeister Dmitri Pirog, der seinen Titel vor wenigen Tagen souverän gegen Gennadi Martirosian verteidigt und die Hoffnung auf ein Duell mit Martinez noch nicht ganz aufgegeben hat. Wenngleich die bisherigen Gespräche zwischen den beiderseitigen Beratern gescheitert sind, spricht sich Promoter Art Pelullo für eine neue Verhandlungsrunde aus. Wie er argumentiert, wäre dies der größte und beste machbare Kampf im Mittelgewicht. Er versuche schon seit einem Jahr, diese Option auf den Weg zu bringen, die auch Dmitri Pirog uneingeschränkt befürworte. Der Berater des Argentiniers habe behauptet, daß Dmitri noch nicht bekannt genug sei. Er halte das für eine Ausflucht, da die Gegenseite offenbar einen solchen Kampf nicht zu riskieren wage.

Auch Martinez sei unbekannt gewesen, als er in die USA kam. Obgleich er zuvor einmal unentschieden gekämpft und einmal verloren hatte, habe man ihm den Titelkampf nicht verwehrt. Dmitri Pirog sei in Besitz des WBO-Gürtels und habe einige aufsehenerregende Siege gefeiert, darunter den spektakulären K.o. gegen Danny Jacobs, der bei HBO zu sehen war. Daher sei es an der Zeit für Martinez, gegen Dmitri zu kämpfen, weil die beiden die besten Mittelgewichtler der Welt seien.

Auf einen baldigen Kampf um die Weltmeisterschaft hofft der irische Mittelgewichtler Andy Lee, der in Atlantic City im Vorprogramm gegen Brian Vera antritt. Auf dem Papier sind die Verhältnisse eindeutig: Während der Ire 26 Auftritte gewonnen und nur einen verloren hat, stehen für seinen Gegner neben 19 Erfolgen bereits fünf Niederlagen zu Buche. Da Lee und Martinez mit Lou DiBella denselben Promoter haben, konnte es im nächsten Jahr zu einem irisch-argentinischen Duell kommen.

Zunächst muß Andy Lee jedoch mit Brian Vera fertig werden, der ihm die einzige Niederlage seiner Profikarriere beigebracht hat. Wie der 27jährige Ire versichert, habe er aus den taktischen Fehlern der ersten Begegnung gelernt. Damals sei er einfach noch unreif und zu sehr damit beschäftigt gewesen, jede Runde zu gewinnen, anstatt den Überblick zu behalten. Er habe sich zu einer wilden Prügelei hinreißen lassen, die dann zu seine Lasten ging. Diesmal stehe seine Zukunft auf dem Spiel, und Trainer Emanuel Steward sei jeden Tag mit ihm im Gym gewesen, um die bestmögliche Vorbereitung zu gewährleisten.

Andy Lee nahm 2004 an den Olympischen Spielen teil und wechselte 2006 ins Profilager. Inzwischen ist er in den Ranglisten so weit nach oben gerückt, daß ihm viele Optionen offenstehen. Er will sich jedoch unbedingt mit Martinez messen, den er zu Recht für den gefährlichsten und zugleich prominentesten Boxer seine Gewichtsklasse hält. Mit dem Argentinier in den Ring zu steigen, wäre zwar höchst riskant, beförderte ihn aber im Falle des ja immerhin nicht auszuschließenden Sieges mit einem Schlag ins Rampenlicht der Branche.

29. September 2011