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MELDUNG/795: Siegesserie Susianna Kentikians endet in Frankfurt an der Oder (SB)




US-Amerikanerin Melissa McMorrow entthront die Weltmeisterin

Bei einer Veranstaltung des SES-Boxstalls in Frankfurt/Oder mußte Susianna Kentikian im Kampf gegen die US-Amerikanerin Melissa McMorrow die erste Niederlage ihrer Profilaufbahn hinnehmen. Nach zehn Runden sahen zwei der drei Punktrichter die Außenseiterin in Front, während der dritte unentschieden gewertet hatte (96:94, 96:94, 95:95). Die 24jährige Hamburgerin hat damit 29 Kämpfe gewonnen, einen verloren und wurde als Weltmeisterin der Verbände WBO und WIBF im Fliegengewicht entthront. Sie behält jedoch den Gürtel der WBA, der nicht auf dem Spiel stand. Für die 30jährige Melissa McMorrow, der erst 2005 zum Profiboxen kam, stehen nun sieben Siege sowie je drei Niederlagen und Unentschieden zu Buche. Wie die beiderseitigen Bilanzen zeigen, schienen die Karten in diesem Duell eindeutig verteilt zu sein. Wenngleich die von Magomed Schaburow trainierte Titelverteidigerin vor den Qualitäten ihrer Gegnerin gewarnt hatte, war man geneigt, dies eher als eine Mischung aus gebotener Vorsicht und gezielter Werbung für den Kampf einzuschätzen.

Die US-Amerikanerin setzte jedoch vor rund 2.500 Zuschauern in der Brandenburg-Halle von Beginn auf Offensive und startete furios, um die Favoritin nicht zum Zuge kommen zu lassen. Sie suchte immer wieder den Infight und brachte im Gemenge etliche Treffer ins Ziel, während die Weltmeisterin geraume Zeit nicht in den Kampf fand. So marschierte die Kalifornierin drei Runden lang unermüdlich nach vorn, unbeeindruckt von den spärlichen Kontern ihrer Gegnerin. Erst im vierten Durchgang schien sich Kentikian allmählich besser auf die agile Herausforderin einzustellen, ohne jedoch klar die Oberhand zu gewinnen. Dies setzte sich auch in der Folge fort, bis es in der siebten Runde schließlich zum Schlagabtausch kam und McMorrow erstmals zurückweichen mußte.

Susianna Kentikian gelang es jedoch auch in dieser Phase noch nicht, das Kampfgeschehen eindeutig zu ihren Gunsten zu wenden, denn in der achten Runde kam die Mehrzahl der klaren Treffer eher von Melissa McMorrow. Erst der neunte Durchgang wurde eindeutig von der Hamburgerin bestimmt, die auch in der zehnten und letzten Runde in einem offenen Schlagabtausch die gefährlicheren Treffer landen konnte. Damit endete ein durchweg heftig umkämpftes und spannendes Duell, dessen Endphase die Zuschauer erwarten ließ, daß es knapp für die Titelverteidigerin gereicht haben sollte. Ein Teil des Publikums ließ der Enttäuschung nach Verkündung des ernüchternden Ergebnisses freien Lauf, doch herrschte insbesondere auch im Lager Susianna Kentikians tiefe Betroffenheit vor. Wenngleich technisch überlegen und in ihren überzeugenden Phasen variabel und druckvoll boxend, hatte die Hamburgerin ihrer Gegnerin doch zu lange das Feld überlassen. Die US-Amerikanerin kämpfte hochmotiviert, temporeich und angriffslustig, was sich auf den Zetteln der Punktrichter zu ihren Gunsten niederschlug.

Wie Susianna Kentikian auf der anschließenden Pressekonferenz sagte, sei sie sehr traurig und habe es zuerst gar nicht realisiert, daß sie nicht mehr Weltmeisterin ist. Es sei natürlich ein Unterschied, wenn man nach 30 Kämpfen jedes Mal Party gemacht habe und jetzt getröstet werden müsse. Der Kampf sei knapp gewesen, doch habe sie sich selbst in Führung gesehen. Sie könne aber damit umgehen und werde ihre Lehren daraus ziehen. Die Hamburgerin zollte ihrer Gegnerin Respekt, die viel Druck gemacht habe, und wünschte sich einen Rückkampf. Auch ihr Trainer Magomed Schaburow brachte eine Revanche ins Gespräch und versicherte zudem, daß ein wahrer Champion auch nach einer Niederlage stets zurückkomme.

Melissa McMorrow kommentierte ihren Triumph mit den Worten, sie habe nichts zu verlieren gehabt und sei gekommen, um zu gewinnen. Im Vorfeld sei sie wahnsinnig aufgeregt gewesen und müsse den Sieg nun erst einmal sacken lassen. Ihr Trainer und Manager Eddie Croft fügte hinzu, er habe schon 2008 das Gefühl gehabt, daß Melissa Weltmeisterin werden könne. Man gebe Susianna Kentikian gern eine Revanche. Der Magdeburger Promoter Ulf Steinforth lobte den Kampf als überzeugende Werbung für das Frauenboxen. Er habe die Titelverteidigerin nicht im Hintertreffen gesehen, respektiere aber das Urteil. Natürlich müsse unter diesen Umständen ein Rückkampf kommen, auf den sich die deutschen Boxfans zweifellos freuen würden.

Hatte Susianna Kentikian bislang Auftritte in Übersee wie etwa gegen WBC-Weltmeisterin Mariana Juárez aus Mexiko oder die Argentinierin Yésica Yolanda Bopp ins Auge gefaßt, dürften diese Pläne vorerst zurückgestellt werden. Dem Vernehmen nach haben beide Seiten einen Rückkampf ins Auge gefaßt, der in vier Monaten vermutlich erneut in Frankfurt an der Oder über die Bühne gehen könnte.

17.‍ ‍Mai 2012