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MELDUNG/1000: Noch ist Deontay Wilder nicht entzaubert (SB)




US-Schwergewichtler hat 27 Kämpfe vorzeitig gewonnen

Mehr als alle anderen Gewichtsklassen hat die US-amerikanische Schwergewichtsszene unter dem tendentiellen Niedergang des professionellen Boxsports gelitten. Dabei spielten eine ganze Reihe von Gründen zusammen, die in ihrer Gesamtheit die Königsklasse mit nachhaltiger Wucht in die Knie zwangen, während sich andere Limits längst wieder erholt haben und teilweise enorme Umsätze generieren. Unter dem Eindruck des über Jahre an Popularität überlegenen professionellen Wrestlings und in dessen Gefolge der Mixed Martial Arts wurde Boxen voreilig totgesagt. Hinzu kam insbesondere die Dominanz der Klitschkos, die das Schwergewicht weitgehend aus dem Fokus des US-Bezahlfernsehens nach Europa verlagert haben. Das ukrainische Brüderpaar füllt regelmäßig große Arenen und sorgt bei seinem Haussender RTL für Quoten im zweistelligen Millionenbereich, so daß weder in sportlicher, noch finanzieller Hinsicht Bedarf besteht, sich unbedingt beim US-Publikum einen Namen zu machen.

Die fehlende Attraktivität des US-amerikanischen Schwergewichts hatte insbesondere zur Folge, daß es an aufstrebendem Nachwuchs fehlte. Altstars, die schon zu Mike Tysons Zeiten bekannte Namen waren, profitierten als Wiedergänger von der mangelnden Konkurrenz im eigenen Land, scheiterten aber spätestens an den Klitschkos. Ab und an war von einem neuen amerikanischen Hoffnungsträger die Rede, doch schien dabei in aller Regel der Wunsch der Vater des Gedankens zu sein. In diesem Sinne hoch gehandelt wird derzeit Deontay Wilder, der seine 27 Kämpfe ausnahmslos gewonnen hat und dabei noch nie über die volle Rundenzahl gehen mußte. Das hört sich beeindruckend an, schrumpft aber auf Normalmaß zusammen, wenn man berücksichtigt, daß dieser Schwergewichtler bereits 27 Jahre alt ist und noch nie mit einem Gegner von Weltklasse im Ring gestanden hat.

Am vergangenen Wochenende benötigte Wilder bei einem Auftritt in Mexiko keine zwei vollen Runden, um auch mit seinem Landsmann Matthew Greer kurzen Prozeß zu machen. Anfangs passierte nicht viel, da sich Greer tief duckte, um seine deutlich geringere Reichweite zu kompensieren und an den Gegner heranzurücken. Das gelang ihm jedoch nicht, da ihn Wilder mit seinem Jab auf Abstand hielt. Etwas lebhafter wurde das Duell erst kurz vor der Pause, als der Favorit energischer zu Werke ging und seine Rechte wie auch den linken Haken einsetzte. Das beeindruckte Greer so sehr, daß er kaum noch angriff und sich bereits leicht angeschlagen über die verbliebenen Sekunden bis zum Gong rettete.

Kaum war die zweite Runde eröffnet als Wilder auch schon Druck machte und seinen Gegner frühzeitig mit Treffern traktierte, der nach 45 Sekunden erstmals zu Boden ging. Greer wollte sich noch nicht geschlagen geben, doch stand er kaum wieder auf den Beinen, als er nach einem linken Haken zum Körper, dem eine Rechte folgte, erneut auf die Bretter mußte. Danach war der Außenseiter nur noch bestrebt, die Pause zu erreichen, was ihm Wilder jedoch verwehrte. Einige Treffer später kam der dritte Niederschlag, worauf der Ringrichter einschritt und den ungleichen Kampf abbrach.

Damit erzielte Deontay Wilder einen weiteren ungefährdeten Sieg, doch hatte ihn dieser Gegner auch vor keine nennenswerten Probleme gestellt. Matthew Greer war 2011 bereits von Oscar Rivas und Denis Boitsow vorzeitig besiegt worden und hat nun drei seiner letzten vier Kämpfe verloren. Seine durchwachsene Profibilanz weist jetzt 15 Siege und neun Niederlagen auf. Wenngleich nichts gegen einen geruhsamen Aufbau Wilders spricht, ist es für ihn allmählich an der Zeit, sich anspruchsvolleren Herausforderungen zu stellen.

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Fres Oquendo bringt sich für Wladimir Klitschko ins Gespräch

Die Ankündigung Wladimir Klitschkos, er wolle seine Titel am 6. April freiwillig verteidigen und erst im Sommer gegen den russischen WBA-Champion und Pflichtherausforderer Alexander Powetkin antreten, ruft diverse Kandidaten auf den Plan. Nun hat sich auch Fres Oquendo zu Wort gemeldet, um sich dem Ukrainer als ein Gegner anzuempfehlen, wie er besser nicht sein könnte. Daß er dabei sein Licht nicht unter den Scheffel stellt und dick aufträgt, liegt auf der Hand. Im Unterschied zu seinem aufstrebenden Landsmann Deontay Wilder, von dem oben die Rede war, ist der 39jährige Oquendo ein altgedienter Haudegen, der schon mit zahlreichen namhaften Kontrahenten im Ring gestanden hat. Da er im vergangenen Jahr drei Kämpfe vorzeitig für sich entscheiden hat, ist er in der Rangliste der WBA auf Platz fünf vorgerückt.

Um sich hervorzuheben, zieht Oquendo zuallererst über Odlanier Solis her, der kursierenden Gerüchten zufolge gute Aussichten hat, von Klitschko als Gegner verpflichtet zu werden. Das Argument, der Kubaner habe seit der Niederlage gegen Vitali Klitschko vor 22 Monaten nur ein einziges Mal im Ring gestanden und dabei einen allenfalls zweitklassigen Gegner besiegt, ist freilich nicht von der Hand zu weisen. Wie Oquendo geltend macht, habe er gegen bessere Leute als Solis geboxt, worauf er Duncan Dokiwari, Clifford Etienne, Bert Cooper, David Tua, John Ruiz, Chris Byrd, James Toney, Jean-Marc Mormeck, Evander Holyfield und Oliver McCall aufzählt. Er habe sie fast alle besiegt und sei in diesen Kämpfen nie wirklich angeschlagen gewesen. Verloren habe er in seiner Karriere ausschließlich gegen Boxer, die künftig in die Hall of Fame einziehen würden.

Da Fres Oquendo 35 Profikämpfe gewonnen, aber auch schon sieben verloren hat, sollte man seine Worte besser nicht auf die Goldwaage legen. Immerhin kann er für sich geltend machen, schon einmal um die Weltmeisterschaft gekämpft zu haben. Im Duell mit Chris Byrd sei er klar der Bessere gewesen, doch habe man ihm den verdienten Titel verwehrt. Er habe hart trainiert, um sich unter die Top 5 hochzuarbeiten, und auf dem Weg dahin einige zähe Burschen bezwungen. Klitschko müsse vortreten und sich ihm stellen, wenn er kein Angsthase sei.

22. Januar 2013