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MELDUNG/1047: Nun soll Tony Thompson auch Deontay Wilder prüfen (SB)




Hohe Hürde für den Hoffnungsträger des US-Schwergewichts

Wie der Geschäftsführer der Golden Boy Promotions, Richard Schaefer, angekündigt hat, will er seinen ungeschlagenen Schwergewichtler Deontay Wilder zu einem Kampf gegen Tony Thompson in den Ring schicken. Als Hauptkämpfer auf dem Sender CBS soll Wilder neue Zielgruppen im US-amerikanischen Free-TV ansprechen. Auf dem Papier ist der 27jährige nicht nur wegen des Altersunterschieds von vierzehn Jahren klarer Favorit. Er hat seine 27 Profikämpfe ausnahmslos gewonnen und darüber hinaus sämtliche Gegner vorzeitig besiegt. Verglichen mit dem größten Hoffnungsträger der US-amerikanischen Schwergewichtsszene wirkt der Veteran Thompson mit seiner Bilanz von 37 Siegen und drei Niederlagen wie ein in die Jahre gekommenes Opfer, das man auf die Schlachtbank führt. Zieht man jedoch in Betracht, mit welchen Gegnern sich die beiden bislang gemessen haben, sieht die Sache schon anders aus.

Ende Februar demonstrierte Tony Thompson eindrucksvoll, wie sehr sich aufstrebende Boxer verrechnen können, wenn sie ihn als Kanonenfutter zur Beförderung ihrer Karriere engagieren. In Liverpool schickte er den ambitionierten Lokalmatador David Price bereits in der zweiten Runde auf die Bretter und sorgte damit für einen spektakulären Ausgang ihres Duells. Der 29jährige Price, mit 2,03 m Größe ein Riese von Gestalt, bezog nach 15 Siegen seine erste Niederlage im Profilager, die seinem Höhenflug einen gehörigen Dämpfer verpaßte. Thompson machte seine 41 Lebensjahre und die körperliche Unterlegenheit durch Erfahrung und kluges Konterboxen mehr als wett. Als der Brite im zweiten Durchgang über ihn herfiel, wich er an den Seilen stehend plötzlich seitlich aus und fällte den Gegner mit einem rechten Haken aufs Ohr. Price kam zwar wieder auf die Beine, doch schwankte er derart, daß ihn der Ringrichter zum Entsetzen des Publikums aus dem Kampf nahm.

Thompson, der seit seiner verheerenden Niederlage gegen Wladimir Klitschko im Juli 2012 nicht mehr gekämpft hatte und von vielen längst abgeschrieben worden war, hatte sich offensichtlich gut auf den riesigen Gegner vorbereitet und seine Konterchance augenblicklich genutzt. Wenngleich man durchaus von einem Glückstreffer sprechen kann, setzte er doch ein begrüßenswertes Signal im Schwergewicht, das in zunehmendem Maße von Riesen bevölkert wird, die selbst die Klitschkos noch um einige Zentimeter übertreffen. David Price, der im Profilager nur zweimal über die Runden gegangen war, wurde allzu sehr an seiner imposanten Statur und den wuchtigen Schlägen gemessen, mit denen er körperlich unterlegene Kontrahenten niedergemacht hatte. Thompson erteilte ihm die Lektion, daß zu einem Boxer der Spitzenklasse eben doch viel mehr gehört, als sich der Brite auf seinem Siegeszug an Fertigkeiten angeeignet hatte.

Deontay Wilder, der erst im Alter von 20 Jahren und damit ungewöhnlich spät zu boxen begann, gewann nur drei Jahre später bei den Olympischen Spielen 2008 in Beijing eine Bronzemedaille. Nach dem Wechsel ins Profilager wurde der 2,01 m große Hüne vier Jahre lang von seinem Promoter Golden Boy behutsam aufgebaut, sprich von namhaften Gegnern ferngehalten, die seiner sorgsam gezimmerten Karriere abträglich gewesen wären. Anfang August 2012 feierte er seinen 25. Sieg in Folge, als er den aus Trinidad und Tobago stammenden 35jährigen Kertson Manswell in Alabama bereits in der ersten Runde besiegte. Der 114 Kilo schwere Gegner hatte immerhin schon mit so namhaften Leuten wie Ruslan Tschagajew, Bermane Stiverne, Mike Perez und Alexander Ustinow im Ring gestanden, diesmal jedoch so schnell wie nie zuvor verloren.

Nach seinem Sieg führte Deontay Wilder den raschen Erfolg insbesondere auf seine Schnelligkeit und vorzügliche Beinarbeit zurück, die ihn zu einem der beweglichsten Schwergewichtler überhaupt machten. Hinzu komme seine enorme Schlagwirkung, die ein gottgegebenes Talent sei. Bei soviel Selbstbewußtsein konnte er sich natürlich eine Ansage an die Adresse der Klitschkos nicht verkneifen, die vorerst unerreichbar für ihn sind. Die Ukrainer sollten nur nicht zu schnell zurücktreten, sondern auf ihn warten. Promoter Oscar de la Hoya, der einst ein Boxer von Weltklasse war, die nun von seinem phänomenalen Vermarktungsgeschick noch übertroffen wird, lobte Deontay Wilder über den grünen Klee. Dieser erinnere ihn an eine Schwergewichtsversion des legendären Tommy Hearns. Er bringe die Führhand fast so schnell wie ein Leichtgewichtler, doch wenn er mit der Rechten treffe, sei alles vorbei. Wilder sei unglaublich und eine Gefahr für die gesamte Szene, geriet De la Hoya ins Schwärmen.

Mitte Dezember 2012 entschied Deontay Wilder die Frage, wer der aussichtsreichste US-amerikanische Schwergewichtler sei, eindeutig für sich. Er benötigte in einem Kampf zweier ungeschlagener Boxer in Los Angeles keine drei vollen Runden, um seinen Landsmann Kelvin Price auf die Bretter zu schicken. Damit hatte er nicht nur alle Auftritte vorzeitig gewonnen, sondern dabei nie länger als vier Runden im Ring gestanden. Hingegen zog der 37 Jahre alte Price zum ersten Mal in vierzehn Kämpfen den kürzeren.

Nach diesem Erfolg verkündete Wilder, er wolle nun alle weiteren ungeschlagenen Landsleute besiegen, um sich am Ende als herausragender Kandidat durchzusetzen und als Herausforderer der Klitschkos zu etablieren. Namentlich nannte er dabei den 30 Jahre alten Bryant Jennings, der bislang 16 Profikämpfe gewonnen hat. Ende Januar war es dann allerdings der wesentlich schwächer eingeschätzte Matthew Greer, mit dem Wilder bei einem Abstecher nach Mexiko in nur zwei Runden kurzen Prozeß machte. Damit erzielte er einen weiteren ungefährdeten Sieg, doch hatte ihn dieser Gegner auch vor keine nennenswerten Probleme gestellt.

Wenngleich nichts gegen einen geruhsamen Aufbau Wilders spricht, ist es für ihn allmählich an der Zeit, sich anspruchsvolleren Herausforderungen zu stellen. Der 27jährige hat bislang nur gegen dritt- und viertklassige Schwergewichtler gekämpft, wobei Kelvin Price sein einziger Gegner aus den Top 100 war. Bevor er sich an Tony Thompson heranwagt, sollte er besser noch einen weiteren Aufbaukampf bestreiten, diesmal aber womöglich mit einem versierteren Kontrahenten, der nicht gleich in den Anfangsrunden die Segel streichen muß.

15. März 2013