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MELDUNG/1183: Last der Verantwortung auf den Schultern Abrahams (SB)




Neben seiner Karriere steht auch die Zukunft des Boxstalls auf dem Spiel

Der Magdeburger Supermittelgewichtler Robert Stieglitz war von 2009 bis 2012 Weltmeister der WBO in dieser Gewichtsklasse. Im August 2012 verlor er den Titel im Kampf gegen Arthur Abraham, der sich vor heimischer Kulisse in Berlin nach Punkten durchsetzte. Sieben Monate später nahm Stieglitz in Magdeburg erfolgreich Revanche, da sein Gegner bereits nach der dritten Runde wegen eines zugeschwollenen Auges die Segel streichen mußte. Robert Stieglitz sieht derzeit keine Notwendigkeit für einen dritten und entscheidenden Kampf, zumal er inzwischen bei Sat.1 einen Fernsehvertrag unterschrieben hat, während Abraham bei der ARD zu sehen ist. Will sich der Berliner seinerseits den Gürtel zurückholen, muß er seinen kommenden Kampf gewinnen, um zum Pflichtherausforderer des Weltmeisters aufsteigen.

Am Samstag kämpft der 33jährige einmal mehr um seine sportliche Zukunft, da er im Falle einer erneuten Niederlage die Boxhandschuhe an den Nagel hängen müßte. Weil sein Gegner Willbeforce Shihepo aus Namibia als klarer Außenseiter eingestuft wird, kann sich Abraham keinen weiteren Rückschlag leisten. Der drei Jahre jüngere Shihepo hat nur 20 seiner 26 Profikämpfe gewonnen und gilt daher als eine Hürde, die unbedingt und möglichst souverän genommen werden muß. Noch ein Rückschlag wäre eine Katastrophe, dann müßte er aufhören, sagt der ehemalige IBF-Weltmeister im Mittelgewicht und WBO-Champion im höheren Limit in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt [1]. Er würde es akzeptieren, wenngleich es natürlich außerordentlich bitter und enttäuschend wäre, sich eingestehen zu müssen, daß er nicht mehr zur Weltklasse gehört.

Den Hauptkampf der Veranstaltung von Sauerland Event in Schwerin bestreiten Europameister Jürgen Brähmer und der Italiener Stefano Abatangelo im Halbschwergewicht. Für den Titelverteidiger und Lokalmatador geht es darum, sich mit einer überzeugenden Vorstellung für einen Kampf um die Weltmeisterschaft zu empfehlen, der Ende des Jahres oder Anfang 2014 über die Bühne gehen könnte. Womöglich noch reizvoller für das Publikum dürfte jedoch das Duell zwischen dem Bulgaren Kubrat Pulew und Tony Thompson aus den USA sein, dessen Sieger zum Pflichtherausforderer Wladimir Klitschkos bei der IBF avanciert.

Arthur Abraham muß sich mit einem Auftritt im Vorprogramm bescheiden, doch liegt es in seiner Hand, seine vordem enorme Popularität beim deutschen Boxpublikum wieder aufzufrischen. An eine Niederlage will er gar nicht denken, da er sich andernfalls in Watte packen müßte, so der Schützling Trainer Ulli Wegners. Im Kampf gegen Stieglitz am 23. März war sein linkes Auge so zugeschwollen, daß der Ringarzt einschritt und dringend einen Abbruch empfahl. Dieses Ende sei unschön gewesen, doch bleibe das Augenlicht wichtiger als alles andere.

Den provozierenden Einwand seines Gesprächspartners, er habe auch vor dem Abbruch nicht den Eindruck erweckt, er wolle den Titel um jeden Preis verteidigen, weist Abraham als "Blödsinn" zurück. Er starte immer langsam in den Kampf und greife erst später rückhaltlos an, woran er in diesem Fall durch unglückliche Umstände gehindert worden sei. Auch daß er nicht auf seinen Trainer höre und es versäume, den Gegner frühzeitig mit seiner Schlagwirkung einzuschüchtern, will der Berliner so nicht gelten lassen. Er habe es ja versucht, doch sei ihm das nicht gelungen. Deshalb habe er beschlossen, auch diesmal darauf zu vertrauen, daß sich der Gegner nach einiger Zeit abgearbeitet hätte und ruhiger würde. Leider sei er dabei allzu entspannt zu Werke gegangen.

Er fühle sich in seinem Stolz und in seiner Ehre verletzt, da im Ring weder Geld und Ruhm noch Glanz und Gloria zählten. Wenn man im Ring stehe, gehe es nur um Stolz und Ehre und um den Sieg. Deshalb vertraue er fest darauf, ein drittes Mal Weltmeister zu werden, den Titel zwei oder drei Jahre zu verteidigen und dann zufrieden abtreten zu können. Wenn man sich die Hand bricht, der Fuß umknickt oder das Auge zuschwillt, könne man das nicht ändern. Eine wirkliche Niederlage sei das nicht. Nur wer verliere, weil seine Leistung einfach nicht mehr stimmt, solle besser zurücktreten.

Im Super-Six-Turnier verdiente Abraham für vier Kämpfe, wovon er drei verlor, über fünf Millionen Euro. Jetzt erhält er weit unter einer Million, da sein Status erheblich gesunken ist. Sollte es zu einer Einigung mit Stieglitz kommen und der Kampf bei der ARD ausgetragen werden, würde die Börse so aufgeteilt, daß der Anteil des Berliners wiederum nicht allzu üppig ausfiele. Damit könne er leben, erklärt der ehemalige Weltmeister, zumal er zu Beginn seiner Karriere auch schon für 5000 Euro geboxt und seither sehr viel erreicht habe, wofür er dankbar sei. Geld sei ihm nicht wichtig, zumal er als Weltmeister wieder automatisch viel mehr verdienen würde.

Die Mutmaßung, sein Boxstall halte nur noch deshalb zu ihm, weil er der wichtigste Quotenbringer sei, weist Abraham empört als Lüge zurück. Würde man dort nicht an ihn glauben, gäbe es keine Grundlage zur Zusammenarbeit mehr. Natürlich sei ihm bewußt, welche Verantwortung er trage, da der Fernsehvertrag mit der ARD im nächsten Jahr endet und es derzeit nicht nach einer Verlängerung aussieht. Ein Weltmeister Arthur Abraham könnte die Verantwortlichen der ARD überzeugen, Boxen weiter im Programm zu lassen. Ohne die ARD, das weiß der Berliner, könnte niemand mehr die Boxer finanzieren. Das wäre wohl das Ende, wie man es beim Hamburger Universum-Boxstall erlebt habe. Nachdem das ZDF im Sommer 2010 ausgestiegen war, sei das Unternehmen von der Bildfläche verschwunden. Das dürfe mit Sauerland Event niemals geschehen. Das deutsche Publikum schätze diesen Sport, weil er Adrenalin pur sei. Ihm selbst gehe es genauso, da er das Boxen liebe und ihm nichts anderes so große Freude bereite.

Fußnote:

[1] http://www.welt.de/sport/boxen/article119202944/Noch-eine-Niederlage-dann-muss-ich-aufhoeren.html

22. August 2013