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MELDUNG/1406: Sergio Martinez schlägt seine Zelte in Miami auf (SB)




Der Argentinier bereitet sich auf Miguel Cotto vor

Sergio Martinez, der in Argentinien geboren ist und in Spanien lebt, hat seine Zelte in Miami aufgeschlagen. Halbwegs zwischen Madrid und New York ist Südflorida mit seinem milden Klima der ideale Ort, sich auf die Titelverteidigung am 7. Juni im Madison Square Garden vorzubereiten. Und da sein Trainingslager in derselben Zeitzone wie die Ostküstenmetropole im Norden liegt, erspart sich der WBC-Champion im Mittelgewicht Probleme mit dem Jetlag, die im Falle einer kurzfristigen Anreise zu seinem Kampf kaum zu vermeiden wären.

Vor Jahresfrist gehörte Martinez zum Kreis der weltbesten Boxer aller Gewichtsklassen. Nach seiner letzten Titelverteidigung gegen Martin Murray mußte der 39jährige dem Verschleiß einer langen Karriere Tribut zollen, eine Knieverletzung sowie weitere Blessuren ärztlich behandeln lassen und eine ausgiebige Genesungspause einlegen. Zweifel, ob er bei seiner Rückkehr an frühere Leistungen anknüpfen kann, schlägt der Weltmeister aus dem Feld: Blicke man wie er auf 19 Jahre in diesem Sport zurück, sei der Boxring ein zweites Zuhause. Auch wenn ihn seine Verletzungen geraume Zeit außer Gefecht gesetzt hätten, habe er nie aufgehört, ein Boxer zu sein.

Daß er als amtierender Weltmeister bei seinem Auftritt im Madison Square Garden fast schon als Außenseiter eingestuft wird, verunsichert den Argentinier nicht. Er brennt darauf, alle Skeptiker zu widerlegen, die seinem Gegner Miguel Cotto bessere Chancen einräumen, das Duell für sich zu entscheiden. Während Martinez nur einmal an dieser traditionsreichen Stätte geboxt und dabei Matthew Macklin vor zwei Jahren in der elften Runde bezwungen hat, stehen für den Puertoricaner bereits sieben Siege und eine Niederlage in New York zu Buche. Kein Wunder, daß der Herausforderer dort seinen bevorzugten Kampfplatz verortet und auf den Rückhalt des Publikums bauen kann.

Bei der Kampagne zur Bewerbung ihres Kräftemessens wird Cotto denn auch stets an erster Stelle genannt und darf am Kampfabend sogar nach Martinez einmarschieren, als sei er der Titelverteidiger. All das ist dem Umstand geschuldet, daß der populäre Puertoricaner das Interesse des Publikums anheizen, die Ränge füllen und die Verkaufszahlen im Bezahlfernsehen ankurbeln soll. Der Argentinier nimmt das gelassen hin und macht geltend, daß er die Rolle des Gastes häufig erlebt und stets genossen habe. Wenn nur eine Minderheit hinter ihm steht und ihn die Mehrheit der Zuschauer mit einem Pfeifkonzert empfängt, sporne ihn das zusätzlich an, die Stimmung zu drehen und die Menge für sich zu gewinnen. Die Konstellation könne daher gar nicht besser sein.

Während für Martinez 51 Siege, zwei Niederlagen und zwei Unentschieden zu Buche stehen, hat Cotto 38 Kämpfe gewonnen und vier verloren. Da der frühere Champion in drei Gewichtsklassen noch nie im Mittelgewicht geboxt hat, wurde ein Limit vereinbart, das ein Pfund unter der Obergrenze dieser Klasse liegt. Das schränkt den Argentinier geringfügig ein, doch ruht die Last der Umstellung vor allem auf Cotto, der unter für ihn ungewohnten Verhältnissen antritt.

Ausschlaggebend für den Kampfverlauf wird ohnehin etwas anderes sein. Da der Weltmeister seine Gegner regelrecht zu umkreisen und aus ständig wechselnden Vektoren anzugreifen pflegt, rechnet er damit, daß Cotto versuchen wird, ihm den Weg abzuschneiden und Körpertreffer zu landen. Der Herausforderer werde jedoch dem ständigen Druck nicht standhalten und früher oder später der hohen Schlagfrequenz zum Opfer fallen, so der Argentinier. Er werde Cotto sein Tempo aufzwingen, ihn in die Enge treiben und schließlich auf die Bretter schicken. Dieser Kampf werde nicht über volle zwölf Runden gehen.

Was den weiteren Verlauf seiner Karriere betrifft, denkt Martinez vorerst nicht über die beiden Auftritte hinaus, die sein Vertrag mit dem Sender HBO nach dem Kampf gegen Cotto noch vorsieht. Danach werde er den Ball stoppen und das gesamte Feld in Augenschein nehmen, wie man im argentinischen Fußball zu sagen pflegt. Ob er dann weitermacht oder seinen Rücktritt erklärt, werde sich zeigen. Um seiner Familie willen werde er jedenfalls nicht zulassen, daß ihn ein jüngerer Gegner an den Seilen festnagelt und mit Schlägen traktiert, wie das bislang in seiner Karriere noch nie vorgekommen sei. [1]

Mit seiner Prognose zur beiderseitigen Kampfesweise verrät Martinez kein Geheimnis. Cottos Trainer Freddie Roach stimmt mit dem Argentinier überein, daß Körpertreffer das Mittel der Wahl für den Herausforderer sind. Im Unterschied zum Titelverteidiger geht Roach allerdings davon aus, daß es seinem Schützling gelingen wird, den Champion auf diese Weise zu schwächen und ihn schließlich niederzustrecken. Wenn dieser Trainer, der trotz seiner Parkinson-Krankheit nach wie vor zu den renommiertesten der Zunft gehört, so etwas sagt, muß man ihn ernst nehmen. Miguel Cotto, der den Zenit seines Könnens längst überschritten zu haben schien, erlebt seit seinem Wechsel zu Freddie Roach jedenfalls einen zweiten Frühling.

Wenngleich der Trainer nicht verrät, wie sein Boxer die Kreise des Weltmeisters stören und ihn stellen soll, zeigt er sich doch zuversichtlich, daß Cotto irgendwann nahe genug an den Argentinier herankommt, um einen kampfentscheidenden Treffer zu landen. Martinez sei sehr schnell, könne aber wie jeder Gegner entzaubert werden, so Roach. Sofern Miguel sich auf den Körper des Champions konzentriere und beweglich auf den Beinen bleibe, werde er vorzeitig gewinnen.

Ob das gelingen wird, ist allerdings fraglich, da man auf diese Weise einen schwächeren Gegner zu Boden bringen, aber den unablässigen Schlägen eines erfahrenen Weltmeisters wie Martinez schwerlich Paroli bieten kann. Gelingt es Cotto nicht, fleißig mit seinem Jab zu arbeiten und dem Argentinier den Weg abzuschneiden, wird dieser ihn schwindlig boxen. Folgt Martinez der angekündigten Strategie, wird er ähnlich wie bei seinem Sieg über Julio Cesar Chavez im Jahr 2012 mit einem schnellen Wechsel zwischen Angriff und Zurückweichen dem Gegner kein statisches Ziel bieten. Das schließt nicht aus, daß der Argentinier die Taktik variiert und bei sich bietender Gelegenheit den direkten Niederschlag sucht. [2]

Man darf jedenfalls gespannt sein, wie die beiderseitigen Kampfesweisen ineinandergreifen, die einen hochklassigen und spektakulären Verlauf in Aussicht stellen. Sollte Cotto unterliegen, fällt er wohl in eine Art Sicherheitsnetz. Oscar de la Hoya hat jedenfalls angekündigt, daß er dem Puertoricaner auch im Falle einer Niederlage die Gelegenheit geben würde, den ausgeschlagenen Kampf gegen Saul Alvarez doch noch möglich zu machen.


Fußnoten:

[1] http://www.miamiherald.com/2014/05/12/4111799/boxer-sergio-martinez-training.html

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/05/roach-cotto-can-ko-sergio-martinez-by-concentrating-on-the-body/#more-176127

15. Mai 2014