Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/1415: Wen schützt der tiefe Graben im Halbschwergewicht? (SB)




Fonfara nötigt Stevenson einen Gang über zwölf Runden ab

Nach eigener Einschätzung ist der kanadische WBC-Champion Adonis Stevenson gegenwärtig der führende Boxer im Halbschwergewicht. Seine mühsame Titelverteidigung gegen den Polen Andrzej Fonfara in Montreal war jedoch nicht gerade ein Beleg für unangefochtene Dominanz, da ihm der Herausforderer einen Gang über volle zwölf Runden abnötigte, der mit einem Punktsieg des Lokalmatadors endete (115:110, 115:110, 116:109). Stevenson wurde seiner Favoritenrolle gerecht, mußte aber wesentlich härter als erwartet arbeiten, um den Sieg davonzutragen.

Zunächst sah alles nach dem angekündigten kurzen Prozeß aus, mit dem sich der Titelverteidiger des als klaren Außenseiter gehandelten Polen entledigen wollte. Bereits in der ersten Runde lag Fonfara nach einem linken Haken zum Kopf am Boden, doch kam er rechtzeitig wieder auf die Beine und konnte den Kampf fortsetzen. Nach einem Körpertreffer im fünften Durchgang machte der Herausforderer ein zweites Mal Bekanntschaft mit den Brettern, wofür er sich in der neunten Runde mit einer Kombination revanchierte, nach der Stevenson zu Boden ging. Der Kanadier wirkte in dieser Phase angeschlagen und müde, so daß er sich nur durch ständiges Klammern aus der Affäre ziehen konnte und die rettende Pause erreichte.

Nach diesem Warnschuß setzte der Champion in den folgenden beiden Runden alles daran, für klare Verhältnisse zu sorgen. Der Pole geriet in die Defensive und versuchte nur noch, Schlimmeres zu verhindern, was ihm auch insofern gelang, als Stevenson nicht mehr über die Mittel verfügte, eine vorzeitige Entscheidung herbeizuführen. So verbesserte Stevenson schließlich seine Bilanz auf 24 Siege und eine Niederlage, während für Fonfara nun 25 gewonnene und drei verlorene Auftritte zu Buche stehen.

Andrzej Fonfara, der nach einem vorzeitigen Sieg gegen Skyler Thompson im Jahr 2009 positiv auf eine verbotene Substanz getestet worden war, hatte seither dreizehn Kämpfe in Folge gewonnen. Da er jedoch über keine sonderlich ausgeprägte Schlagwirkung verfügt und Stevenson seit April 2011 stets ohne Votum der Punktrichter ausgekommen war, hätte kaum jemand dem Polen zugetraut, zwölf Runden mit dem WBC-Weltmeister zu überstehen. [1]

Wie der Kanadier in der anschließenden Pressekonferenz erklärte, habe er sich eine Verletzung an der Schlaghand zugezogen. Nachdem ihn der Herausforderer heftig getroffen habe, sei es ihm jedoch in der Folge gelungen, sich um so besser in Szene zu setzen. Er sei jederzeit bereit, mit Bernard Hopkins oder Sergej Kowaljow in den Ring zu steigen. Die Entscheidung überlasse er seinem Berater Al Haymon, der ein Duell mit einem der beiden auf den Weg bringen werde.

Diese Äußerung überraschte, nachdem man gerade miterlebt hatte, welche Mühe es den Kanadier kostete, mit Fonfara fertig zu werden. Er konnte an diesem Abend von Glück reden, daß ihm nicht Kowaljow gegenüberstand. Der WBO-Weltmeister fordert ihn schon geraume Zeit zur Klärung der Frage auf, wer derzeit im Halbschwergewicht die Nase vorn hat. Stevenson schien jedoch in der Vergangenheit wenig geneigt, dieses Risiko einzugehen, und ist seit seinem Wechsel von HBO zu Showtime ohnehin auf der sicheren Seite, da die erbitterte Rivalität der Sender einen tiefen Graben zwischen ihm und dem Russen gezogen hat, der so schnell nicht überbrückt werden dürfte.

Nach Einschätzung vieler Kommentatoren ist damit klar, daß Sergej Kowaljow derzeit das Halbschwergewicht anführt und Stevenson mit Bernard Hopkins um den zweiten Platz kämpft, sollte es denn wie geplant im Herbst zu diesem Duell mit dem Weltmeister der WBA und IBF kommen. War vor dem Kampf gegen Fonfara davon die Rede, daß Stevenson kurzen Prozeß mit dem 49jährigen Hopkins machen werde, ist die Stimmung inzwischen umgeschlagen. Im April hat Bernard Hopkins seine Gürtelsammlung aufgestockt, als er Beibut Schumenow das Nachsehen gab. Allerdings galt der Kasache als schwächster der vier Weltmeister, so daß Hopkins sich beträchtlich steigern müßte, um den jüngeren und agileren Stevenson zu besiegen.

Bernard Hopkins geht davon aus, daß der Sieger seines Kampfs gegen Stevenson der unbestrittene Weltmeister im Halbschwergewicht sein wird. Mit den Gürteln der Verbände WBA, WBC und IBF in seinem Besitz, schere ihn Kowaljows WBO-Titel nicht. Viele Boxfans dürften jedoch inzwischen der Auffassung sein, daß es sich genau umgekehrt verhält und der unüberbrückbare Graben zwischen den verfeindeten Fraktionen der Branche Hopkins und Stevenson vor Sergej Kowaljow schützt. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxen.de/news/ist-stevenson-bereit-fuer-hopkins-32243

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/05/adonis-stevenson-bernard-can-be-next/#more-176901

26. Mai 2014