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MELDUNG/1466: Tyson Fury tritt die Flucht nach vorn an (SB)




Nie wieder Dereck Chisora - statt dessen Alexander Ustinow

Der britische Schwergewichtler Tyson Fury hat nach der verletzungsbedingten Absage seines Landsmanns Dereck Chisora einen recht namhaften Ersatz für den heutigen Kampf in Manchester ins Boot geholt. Er trifft auf den Weißrussen Alexander Ustinow, der noch vor wenigen Tagen als Sparringspartner Chisoras im Einsatz war und daher in Übung ist. Während der 25jährige Brite in 22 Profikämpfen ungeschlagen ist, stehen für seinen 37 Jahre alten Gegner 29 gewonnene Auftritte und eine Niederlage zu Buche. Der 2,06 m große Fury bekommt es mit einem Widersacher zu tun, der nur vier Zentimeter kleiner und mit rund 136 kg wesentlich schwerer ist. Ustinow war zunächst ein erfolgreicher Kickboxer und blieb nach seinem Wechsel zum Profiboxen lange unbesiegt, bis er sich am 29. September 2012 in einem Ausscheidungskampf der IBF um die Führungsposition in der Rangliste dem Bulgaren Kubrat Pulew geschlagen geben mußte, der beim Berliner Promoter Sauerland Event unter Vertrag steht. Bei seinem letzten Auftritt im Ring setzte sich der Weißrusse im November 2013 in Neuseeland nach Punkten gegen David Tua durch.

Wie Fury hervorhebt, trete er ohne jede besondere Vorbereitung gegen Ustinow an. Weder habe er dessen Körpermaße mit einem Sparringspartner simuliert, noch frühere Kämpfe des Gegners studiert. Er werde einfach loslegen und die Sache wie eine Hinterhofkeilerei erledigen. Es hätte ihm freigestanden, einen beliebigen Aufbaugegner als Ersatz zu wählen, doch da er sich auf einen guten Mann vorbereitet habe, sei Ustinow ein erstklassiger Test. Der Weißrusse sei nicht nur schwerer, sondern könne auch eine bessere Bilanz vorweisen, die mehr vorzeitige Siege enthalte, als er selber Kämpfe bestritten habe. Einer von beiden werde auf den Brettern liegenbleiben, und wenn er Ustinow einen Volltreffer verpaßt habe, sei der Kampf gelaufen. Gelinge ihm das nicht, werde er wahrscheinlich das Opfer sein, doch da man ihn ohnehin aus dem Boxsport verdrängen wolle, werde man den Störenfried eben auf diese Weise los.

Kubrat Pulew hat zwar vorgemacht, wie man den gigantischen Ustinow schlagen kann, doch hatte er dabei enorme Probleme zu bewältigen, ehe er sich in der elften Runde entscheidend durchsetzte. Zudem ist der Bulgare ein wesentlich besserer Boxer als Fury, der sich bislang vor allem dank körperlicher Überlegenheit behaupten konnte. Überdies verfügt der Brite über keine sonderlich gute Schlagwirkung, so daß ihm Ustinow auch in dieser Hinsicht überlegen sein dürfte. Der Weißrusse hat recht bekannte Gegner wie Monte Barrett, Michael Sprott, Denis Bachtow und David Tua besiegt, wobei er am besten zur Geltung kommt, wenn er einem nicht allzu wendigen und technisch anspruchslosen Kontrahenten gegenübersteht. Fury wurde im letzten Jahr von dem ehemaligen Cruisergewichtler Steve Cunningham niedergeschlagen und kann nur hoffen, daß seine Nehmerqualitäten seither erheblich gewachsen sind. [1]

Natürlich hätte Tyson Fury auch warten können, bis Dereck Chisora seine Verletzung auskuriert hat. Offenbar entnervt nach den beiden Absagen David Hayes und dem Ausfall Chisoras, tritt er nun die Flucht nach vorn an und bricht dabei die Brücken hinter sich ab. Dereck Chisora habe seine Chance gehabt und werde keine zweite bekommen, schließt Fury dieses Kapitel endgültig ab. Der Londoner sei nicht einmal glaubwürdig genug, ihm die Schuhe zuzubinden, geschweige denn den Ring mit ihm zu teilen. Wie David Haye sei auch Chisora ein Möchtegernstar, der lieber das Weite suche, als vernichtet zu werden. Fury spart nicht mit üblen Beschimpfungen, die wiederzugeben man sich ersparen kann. [2]

Sein kühner Plan sieht vor, Ustinow aus dem Weg zu räumen, Deontay Wilder zu überspringen und den amtierenden WBC-Weltmeister Bermane Stiverne direkt herauszufordern. Das wird keinesfalls funktionieren, da der Brite derzeit an Nummer 10 der WBC-Rangliste steht und höchstens für eine freiwillige Titelverteidigung des Kanadiers in Frage käme. Der Verband hat jedoch angeordnet, daß Stiverne sofort eine Pflichtverteidigung gegen Wilder bestreiten muß und der Sieger im nächsten Schritt gegen Bryant Jennings oder Mike Perez antritt, die heute in New York aufeinandertreffen.

Wenngleich nicht auszuschließen ist, daß Tyson Fury seinen Weg geht und nie wieder auf Chisora angewiesen ist, mutet das Gegenteil wahrscheinlicher an. Verliert er gegen Ustinow oder im nächsten Schritt einen anderen gefährlichen Gegner, steht er mit leeren Händen da. Dann wäre Dereck Chisora ein möglicher Rettungsanker, mit einem in England populären Duell nicht nur gutes Geld zu verdienen, sondern die Karriere wieder aufzubauen. Daß Fury solchen Kalkulationen nichts abgewinnen kann, hat zweifellos etwas für sich. Die Art und Weise, wie er seine Rivalen mit den abfälligsten Kraftausdrücken beschimpft und inzwischen erklärt, daß sowieso alle Welt gegen ihn sei, nimmt jedoch längst aberwitzige Züge an.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/07/fury-once-i-detonate-on-ustinov-hes-not-getting-up/#more-179433

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/07/fury-i-want-stiverne-after-ustinov-chisora-lost-his-chance-of-ever-fighting-me-again/#more-179421

26. Juli 2014