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MELDUNG/1475: Die Heimkehr des verlorenen Sohns (SB)




Andre Dirrell begeistert nach langer Abwesenheit

Vor fünf Jahren gehörte Andre Dirrell zum Teilnehmerfeld des spektakulären Super-Six-Turniers, das Promoter Kalle Sauerland entworfen und gemeinsam mit dem Sender Showtime realisiert hatte. Je drei Supermittelgewichtler aus Europa und den USA traten in mehreren Durchgängen gegeneinander an, um am Ende den weltbesten Akteur dieser Gewichtsklasse zu küren. Dirrell, den man eher als Außenseiter eingeschätzt hatte, hielt sich dabei bemerkenswert gut: Er unterlag 2009 dem Briten Carl Froch in Nottingham nur umstritten nach Punkten und setzte sich durch Disqualifikation gegen Arthur Abraham durch. Danach verließ er vorzeitig das Turnier und bestritt in den folgenden Jahren lediglich drei unbedeutende Kämpfe.

Nun ist der 30 Jahre alte Andre Dirrell nach einer ausgiebigen Pause von 18 Monaten mit einem Paukenschlag in den Ring zurückgekehrt. In Shelton, das im Bundesstaat Washington liegt, besiegte er Vladine Biosse bereits in der fünften Runde. Dirrell, der damit 22 Siege und eine Niederlage auf dem Konto hat, präsentierte sich in glänzender Verfassung. Er wirkte noch schneller und stärker als in der Vergangenheit, wobei insbesondere hervorzuheben ist, daß sein Gegner als ausgesprochenes Eisenkinn galt. In der vierten Runde trieb er Biosse mit Kombinationen in die Seile, wo er ihm vier Uppercuts nacheinander verpaßte, die alle ihr Ziel trafen. Im nächsten Durchgang drang er dann weiter so heftig auf seinen Gegner ein, daß Ringrichter Jeff Macaluso einschreiten und den ungleichen Kampf beenden mußte. [1]

Mit seinen geschwinden Manövern, den blitzschnellen Schlägen und deren enormer Wirkung erinnerte Dirrell an Floyd Mayweather, so daß er sich in dieser Verfassung vor keinem Rivalen im Supermittelgewicht zu verstecken braucht. Vor wenigen Wochen kostete es den hoch eingeschätzten Callum Smith enorme Mühe, sich gegen den robusten Vladine Biosse durchzusetzen. Verglichen mit diesem zähen Ringen mutete Dirrells Vorstellung gegen denselben Kontrahenten eine ganze Klasse besser an.

Wie der Sieger nach seiner erfolgreichen Rückkehr sagte, sei er stolz, auf ESPN eine großartige Vorstellung gegeben zu haben. Nach 18 Monaten Pause sei es doch sehr gut gelaufen. Es habe sich nach neuem Geld und Ruhm angefühlt, so daß er nun all die großen Namen da draußen aufs Korn nehmen könne. Sein erstes Ziel sei Carl Froch. Hätte er den Briten an diesem Abend vor sich gehabt, wäre es diesmal anders gelaufen als damals vor dessen Heimpublikum. [2]

Da Dirrell bei seinem jüngsten Auftritt einen noch besseren Eindruck als seinerzeit in Nottingham hinterließ, kann man seine Auffassung insoweit teilen, als Carl Froch sicherlich in enorme Schwierigkeiten käme, würden sich ihre Wege noch einmal kreuzen. Der US-Amerikaner ist jünger und schneller, wirkt gereifter und hat seine Schlagwirkung deutlich verbessert. Zum Kampf gegen den Weltmeister der Verbände WBA und IBF wird es jedoch kaum kommen, da der Brite bei seinen letzten Kämpfen gegen den Dänen Mikkel Kessler und seinen Landsmann George Groves, dem er bei ihrer Revanche im Londoner Wembley-Stadion vor 80.000 Zuschauern gegenüberstand, ein Vermögen verdient hat.

Carl Froch wird wohl nur noch ein oder zwei lukrative Kämpfe bestreiten und dann seine Karriere beenden, wobei ein Duell mit dem Mexikaner Julio Cesar Chavez jun. im Januar geplant ist. Andre Dirrell, der keinen Titel mitbringt und sich erst wieder an die Spitze heranarbeiten muß, dürfte für den Briten nicht zur Diskussion stehen. Derzeit wird Dirrell aufgrund seiner langen Abwesenheit in den Ranglisten nicht geführt. Sein Berater Al Haymon wird ihm mit Sicherheit einige gute Kämpfe verschaffen, die ihn in die Top 5 führen können. Doch selbst wenn es ihm gelänge, in absehbarer Zeit Pflichtherausforderer zu werden, könnte ihm der Brite immer noch aus dem Weg gehen. [3]

So verständlich die Begeisterung der US-Kommentatoren über die beeindruckende Vorstellung Andre Dirrells ist, muß der 30jährige doch zunächst noch einige Etappen bewältigen, die seinen Wiederaufstieg befördern. Er wird es dabei mit wesentlich gefährlicheren Gegnern als Vladine Biosse zu tun kommen, die seinen Anspruch ernsthaft prüfen, alles und jeden aus dem Weg räumen zu können.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/08/dirrell-i-want-all-the-big-names-out-there/#more-179854

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/08/dirrell-stops-biosse-in-5th-round-calls-out-froch/#more-179812

[3] http://www.boxen-heute.de/artikel/6270-nach-tko-sieg-in-washingtonandre-dirrell-will-carl-froch-vor-die-faeuste-bekommen.html

5. August 2014