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MELDUNG/1488: Letzte Ausfahrt Bosporus (SB)




Revanche zwischen Odlanier Solis und Tony Thompson vereinbart

Im Oktober kommt es zu einer Revanche der beiden Schwergewichtler Odlanier Solis und Tony Thompson, deren Verlierer wohl nie wieder für einen Kampf um die Weltmeisterschaft in Frage kommt. Wenngleich sich auch der Sieger nur geringe Hoffnungen machen kann, noch einmal als Herausforderer bei einer freiwilligen Titelverteidigung verpflichtet zu werden, steht ihm doch zumindest der eine oder andere halbwegs einträgliche Auftritt in Aussicht. Solis, der 20 Kämpfe gewonnen und zwei verloren hat, wird in der aktuellen WBC-Rangliste an Nummer 13 geführt. Dieselbe Position nimmt Thompson bei der WBO ein, für den 39 Siege und fünf Niederlagen zu Buche stehen.

Als die Kontrahenten im März im türkischen Tekirdag zum erstenmal aufeinandertrafen, setzte sich der 42jährige Thompson knapp nach Punkten durch. Diese enge Entscheidung war jedoch eher ein Gastgeschenk an Promoter Ahmet Öner, dessen Boxer Odlanier Solis eindeutiger im Hintertreffen war, als es im Ergebnis zum Ausdruck kam. Der acht Jahre jüngere Kubaner wirkte mit seinen rund 117 kg schlecht vorbereitet und konditionsschwach, so daß er von seinem Gegner regelrecht ausgeboxt wurde. Noch steht nicht fest, wo der Rückkampf ausgetragen wird, doch wäre es keine Überraschung, wenn er erneut in der Türkei über die Bühne ginge.

Ahmet Öner zufolge sind die Verträge unterzeichnet, so daß man die Vorbereitung in Angriff nehmen könne. Solis müsse nun zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist, so der Promoter des Kubaners. Er könne Thompson durchaus besiegen, doch habe der erste Kampf gezeigt, daß eine entsprechende Einstellung und das nötige Durchhaltevermögen unverzichtbar sind. Für beide Boxer gehe es bei dieser letzten Chance um alles oder nichts. Da sie noch in den Top 15 gelistet sind, könne sich der Gewinner weiter nach vorn arbeiten und eine erneute Titelchance bekommen, während der Verlierer wohl besser seine Karriere beenden sollte. [1]

Bei der einstimmigen Punktniederlage gegen Carlos Takam im Juni kam Thompson mit dem unablässigen Druck und der hohen Schlagfrequenz des Gegners nicht zurecht. Der Franzose boxt inzwischen so gut, daß er den meisten führenden Schwergewichtlern Probleme bereiten könnte. Er trifft am 27. Oktober in Moskau auf Alexander Powetkin, der Ende Mai den Kölner Manuel Charr klar dominiert und in der siebten Runde besiegt hat. Dank dieses Erfolgs sicherte sich Powetkin den vakanten internationalen Titel des WBC. Carlos Takam hält derzeit den Silbergürtel des WBC, so daß der Sieger des Kampfs zu den Anwärtern auf die Herausforderung des amtierenden Weltmeisters gehören wird.

Im Kampf mit Odlanier Solis dürfte Tony Thompson leichteres Spiel haben, da nicht abzusehen ist, daß der Exilkubaner je wieder in angemessener körperlicher Verfassung antreten wird. Als er bei den Olympischen Spielen 2004 die Goldmedaille im Schwergewicht für die kubanische Mannschaft gewann, gehörte er zu den herausragenden Amateurboxern seiner Zeit. Zudem wurde er dreimal Weltmeister und blieb bei diesen hochkarätig besetzten Turnieren ebenso ungeschlagen wie bei seinem Olympiasieg in Athen. Anfang 2007 setzte er sich bei einem Trainingsaufenthalt in Venezuela zusammen mit Yuriorkis Gamboa und Jan Barthelemy, die bei der Olympiade ebenfalls Goldmedaillen gewonnen hatten, von seiner Mannschaft ab. Da Solis nicht nur in Europa, sondern auch in Mittelamerika und den USA heiß begehrt war, kam es über Mittelsmänner zu einem Feilschen, bei dem hohe Summen über den Tisch gegangen sein sollen.

Allerdings waren die Meinungen geteilt, ob es überhaupt klug wäre, den Kubaner vertraglich einzubinden, da er offenbar seinen Ruf als Lebemann mit weiteren Exzessen zu bestätigen schien. Ahmet Öner, der das Rennen um die drei Kubaner gemacht hatte, focht das nicht an. Solis erlag jedoch rasch den Verlockungen des Konsums und setzte fortan nur noch auf sein enormes Talent, mit dem seine Lebensführung als Profiboxer nicht Schritt halten konnte. Er schien auf Trainingsfleiß zu verzichten, als sei das ein bloßer Notbehelf untalentierter Konkurrenten.

Der Kubaner erzielte schnelle Siege gegen allenfalls zweitklassige Kontrahenten und arbeitete sich so zum Herausforderer Vitali Klitschkos empor, dem er am 19. März 2011 in Köln bereits in der ersten Runde aufgrund einer schweren Knieverletzung unterlag, die drei Operationen und eine mehr als einjährige Zwangspause nach sich zog. Seither hat er selten geboxt und alle gefährlichen Gegner gemieden, bis er auf Tony Thompson traf. Ursprünglich eher ein Cruiser- als ein Schwergewichtler, hätte er sich dank seines außergewöhnlichen Könnens zweifellos in der Weltspitze etabliert, wäre ihm nicht unterwegs die Behendigkeit und Kondition abhanden gekommen.

Über 20 Kilo schwerer als auf dem Höhepunkt seiner Amateurlaufbahn, scheint Odlanier Solis körperlich nicht mehr in der Lage zu sein, einen temporeichen Kampf durchzustehen und beständig Druck zu machen. Daher dürfte Thompson schlichtweg zu erfahren und zu schnell sein, als daß ihn der behäbige Kubaner besiegen könnte, sofern dieser nicht alle Skeptiker mit einer phänomenalen Vorbereitung eines Besseren belehrt.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/08/odlanier-solis-vs-tony-thompson-2-in-the-words-for-october/#more-180626

20. August 2014