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MELDUNG/1503: Peter Quillins wundersame Irrfahrt (SB)




Titelverzicht macht bislang keinen Sinn

Peter Quillin ist in der Stadt Grand Rapids, Michigan, zu Hause, aus der mit Stanley Ketchel, Tony Tucker, Roger Mayweather und Floyd Mayweather schon vor ihm vier Weltmeister hervorgegangen sind. Er begann im Alter von 15 Jahren zu boxen und bestritt lediglich 15 Amateurkämpfe, ehe er 2005 ins Profilager wechselte. Sein Kampfname Kid Chocolate ist in Anlehnung an den legendären Kubaner Eligio Montalvo gewählt. Quillin, der in New York City lebt und trainiert, arbeitete sich im Laufe der Jahre an die Spitze im Mittelgewicht heran und erhielt am 20. Oktober 2012 in Brooklyn die Chance, sich mit dem in 27 Kämpfen ungeschlagenen WBO-Weltmeister Hassan N'Dam N'Jikam aus Frankreich zu messen. Der Herausforderer hatte den Champion sechsmal am Boden und gewann schließlich klar nach Punkten.

Bei seiner ersten Titelverteidigung besiegte Peter Quillin am 27. April 2013 Fernando Guerrero einstimmig nach Punkten. Am 26. Oktober 2013 gewann er vorzeitig gegen Gabriel Rosado und am 19. April 2014 setzte er sich nach Punkten gegen Lukas Konecny durch. Im Kampf mit dem mutigen, aber körperlich unterlegenen Tschechen aus dem Magdeburger Boxstall SES machte Quillin allerdings keine gute Figur. Er war derart auf Sicherheit bedacht, daß das enttäuschte Publikum sein Mißfallen lautstark zum Ausdruck brachte.

Als eine Pflichtverteidigung gegen Matt Korobow anberaumt war, stellte ihm sein Promoter Golden Boy mit rund 1,4 Millionen Dollar mehr als das Dreifache seiner bislang höchsten Gage in Aussicht. Zur allgemeinen Überraschung schlug der 31jährige jedoch diese Option aus: Nach zwei vorangegangenen Aufschüben ließ er auch die letzte Frist verstreichen und legte den Titel nieder, um einer Aberkennung zuvorzukommen. Er dankte WBO-Präsident Paco Valcarcel und dem Verband für die jahrelange Unterstützung. Dieser Titel sei ein Höhepunkt in seiner Karriere gewesen, den er nie vergessen werde. Der Verzicht auf seinen Status als Champion sei eine schwierige, aber letztlich notwendige Entscheidung gewesen, da er seinen Fans Duelle mit den namhaftesten Gegnern bieten wolle. Er sehe einem aufregenden neuen Kapitel in seinem Leben entgegen. [1]

Nachdem sich zuletzt angestrebte Kämpfe gegen Miguel Cotto und Gennadi Golowkin zerschlagen haben, arbeiten Quillin und sein Management nun offenbar an einer Herausforderung von Daniel Jacobs, dem regulären Weltmeister der WBA. Daß man mit Cotto (WBC) und Golowkin (Superchampion der WBA) zwei amtierende Weltmeister als Wunschgegner ins Auge gefaßt hatte, ist verständlich. Nicht nachvollziehbar bleibt jedoch, wieso Quillin auf seinen Titel verzichtet hat, ohne den er für die hochkarätige Konkurrenz als möglicher Gegner wesentlich unattraktiver geworden ist. Ein Kampf gegen den wenig bekannten Matt Korobow wäre natürlich nicht gerade ein Glanzlicht oder Ruhmesblatt gewesen, hätte Quillin aber finanziell viel eingebracht und zumindest nicht zurückgeworfen.

Der Eindruck, Peter Quillin habe sich verpokert und versuche nun, dies als rationale Entscheidung zu kaschieren, verdichtete sich in einem aktuellen Interview mit dem ehemaligen Champion. Wie er darin behauptete, habe die WBA den Kasachen Gennadi Golowkin nur deshalb zum Superchampion gemacht, weil er kein Interesse an einer anstehenden Titelverteidigung gegen den Ranglistenersten Jarrod Fletcher hatte. Womit Golowkin das verdient habe, wollte Quillin wissen, der dabei unterschlug, daß der Kasache schon sehr lange hingehalten und erst im Juni mit dem neuen Status bedacht worden war. Grundsätzlich schien Quillin durcheinanderzubringen, daß Golowkin nicht nur eine Klasse besser als Fletcher oder Jacobs, sondern auch als Superchampion höher als der reguläre Weltmeister eingestuft ist.

Offenbar redete Quillin um den heißen Brei herum, um irgendwie plausibel zu machen, daß er doch eine kluge und weiterführende Entscheidung getroffen habe, sich nun auf den regulären WBA-Titel zu konzentrieren. Auch die weiteren Ausführungen machten wenig Sinn, da er den Verzicht auf die hohe Börse damit zu erklären versuchte, sein Team und die Golden Boy Promotions hätten davon ohnehin einen erheblichen Anteil abgegriffen. Das mag zwar zutreffen, gilt aber gleichermaßen für die wesentlich niedrigeren Gagen, mit denen er sich vorerst bescheiden muß. [2]

Da Vermutungen die Runde machten, der einflußreiche Berater Al Haymon habe Quillin aus bislang unbekannten Gründen zum Verzicht auf den Titel veranlaßt, versicherte der Boxer, er habe bei der maßgeblichen Zusammenkunft lediglich einen Händedruck, doch definitiv kein Geld von Haymon erhalten. Er setze uneingeschränktes Vertrauen in den Berater, der seine Karriere in erfolgreiche und einträgliche Gefilde steuern werde. Auch sein Team halte große Pläne für ihn bereit, so Quillin, der freilich nicht ausführen konnte, was diese denn beinhalteten. Er nannte lediglich Daniel Jacobs oder den Sieger des Kampfs zwischen Jermain Taylor und dem IBF-Weltmeister Sam Soliman als naheliegende Optionen. Sollte Quillin gegen Jacobs verlieren, was durchaus passieren kann, bleibt ihm nichts weiter als diese kleine Börse, der Händedruck Al Haymons und die unerfreuliche Aussicht, künftig noch kleinere Brötchen backen zu müssen.


Fußnoten:

[1] http://www.sportal.de/peter-quillin-legt-wbo-titel-nieder-1-2014090541943200000

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/09/quillin-golovkin-vacated-his-wba-jacobs-has-the-wba-belt/#more-181623

12. September 2014