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MELDUNG/1569: Nur noch ein Schatten besserer Tage (SB)




George Groves müht sich zum Sieg gegen Denis Douglin

Bevor die rund 20.000 Zuschauer in der ausverkauften Londoner ExCel Arena vom Hauptkampf des Abends, dem Duell der britischen Schwergewichtler Tyson Fury und Dereck Chisora, maßlos enttäuscht wurden, hatte bereits George Groves eine durchwachsene Kostprobe seines derzeitigen Könnens gegeben. Der Supermittelgewichtler bekam es in einem Aufbaukampf mit dem weithin unbekannten Denis Douglin zu tun, der als problemlos lösbare Aufgabe galt. Groves, der in den Ranglisten dreier Verbände in den Top 10 geführt wird (WBC 1, WBA 6, IBF 10) und Pflichtherausforderer des WBC-Weltmeisters ist, wollte mit einem überzeugenden Auftritt demonstrieren, daß er bereit für den amtierenden Champion Anthony Dirrell aus den USA ist.

Entgegen seiner Ankündigung, er werde kurzen Prozeß mit diesem Gegner machen, hatte der Favorit enorme Probleme, sich unbeschadet aus der Affäre zu ziehen. Obgleich Douglin ein technisch limitierter Boxer ist, traf er Groves mit seinen vergleichsweise langsamen Schlägen fast nach Belieben, so daß der Kampf zum Zeitpunkt des Abbruchs nahezu ausgeglichen war. In der siebten Runde geriet der Außenseiter schwer in Bedrängnis, verteidigte sich aber immer noch verbissen, als Ringrichter Victor Loughlin nach 2:54 Minuten des Durchgangs das Gefecht für beendet erklärte.

Der Referee läuft in solchen Situationen stets Gefahr, zu früh oder zu spät abzubrechen, zumal der in die Enge getriebene und angeschlagene Boxer die eigene Verfassung naturgemäß kaum einschätzen kann. Da Douglin jedoch noch verteidigungsfähig wirkte und die vorerst rettende Pause wahrscheinlich erreicht hätte, blieb das ungute Gefühl zurück, Groves habe bei der ersten sich bietenden Gelegenheit den vorzeitigen Sieg geschenkt bekommen. Während dieser seine Bilanz auf 21 gewonnene und zwei verlorene Auftritte verbesserte, stehen für Denis Douglin nun 17 Siege und vier Niederlagen zu Buche.

Wie schon in seinem letzten Kampf wirkte George Groves nach den beiden K.o.-Niederlagen gegen seinen Landsmann Carl Froch gealtert, schwächer und unentschlossener als in der Vergangenheit. Hatte er früher so beherzt und variantenreich angegriffen, daß er eine Gefahr für jeden Supermittelgewichtler der höchsten Kategorie war, so scheint ihm diese Zuversicht inzwischen abhanden gekommen zu sein.

Wieso George Groves nach den beiden vorzeitigen Niederlagen in Titelkämpfen gegen Carl Froch sofort einen Ausscheidungskampf gegen den mittelmäßigen Christopher Rebrasse bekam, dessen Sieger nächster Pflichtherausforderer des amtierenden Champions wurde, bleibt das Geheimnis des World Boxing Council. Für gewöhnlich bemühen sich die Verbände darum, solche Entscheidungen halbwegs regelkonform und nachvollziehbar zu treffen. Daß ein Boxer zweimal nacheinander an ein und demselben Weltmeister scheitert, der ihn überdies jedesmal auf die Bretter schickt, ist so ungewöhnlich nicht. Ihm aber bereits im folgenden Schritt eine Tür zum nächsten Titelkampf zu öffnen, entbehrt jeder Plausibilität.

George Groves scheint darauf zu brennen, mit WBC-Weltmeister Anthony Dirrell in den Ring zu steigen, da er offenbar glaubt, daß dies der schnellste Weg zum langersehnten Titel für ihn ist. Nach dem mageren Punktsieg über Christopher Rebrasse im September und dem mühsamen Gefecht mit Denis Douglin am vergangenen Wochenende in London wirkt der Brite jedoch nicht wie ein Herausforderer, der eine Chance gegen den Champion hätte. Der US-Amerikaner ist in 28 Kämpfen ungeschlagen, wobei einer seiner Auftritte mit einem Unentschieden endete. Er ist technisch versiert und entfaltet vor allem mit seiner Linken eine enorme Schlagwirkung, der Groves kaum gewachsen sein dürfte.

Wenngleich man dem Briten durchaus zutrauen kann, eines Tages erfolgreich um einen Titel im Supermittelgewicht zu kämpfen, ist Anthony Dirrell derzeit der denkbar ungünstigste Gegner für ihn. Groves droht eine weitere Niederlage, die noch vernichtender ausfallen könnte als die letzten beiden gegen Carl Froch. Damit wäre er endgültig entzaubert und in den höchsten Rängen kein Thema mehr. Der Brite sollte lieber den mühsamen Umweg nehmen und sich Schritt für Schritt wieder dorthin voranarbeiten, wo er vor den Niederlagen gegen Froch stand.

WBO-Champion Arthur Abraham, der als schwächstes Glied in der Kette der Weltmeister gilt, wäre wohl besser für Groves geeignet. Auch gegen den Berliner stünde der Brite in seiner aktuellen Verfassung vermutlich auf verlorenem Posten, doch fiele die Niederlage womöglich weniger drastisch aus. Da George Groves jedoch ebenfalls bei Sauerland Event unter Vertrag steht, ist ohnehin ungewiß, ob diese Variante überhaupt in Erwägung gezogen würde. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/11/groves-in-for-a-tough-time-against-anthony-dirrell/#more-185075

3. Dezember 2014