Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1725: Nur noch ein Schatten besserer Tage (SB)



Umstrittener Punktsieg Robert Guerreros gegen Aaron Martinez

Robert Guerrero, der einst seinem Kampfnamen "The Ghost" alle Ehre machte und Weltmeister in vier Gewichtsklassen wurde, ist nur noch ein Schatten besserer Tage. Der 32jährige unterlag im Mai 2013 Floyd Mayweather klar nach Punkten, worauf er sich ein Jahr später gegen den Japaner Yoshihiro Kamegai durchsetzte, dabei jedoch mehr Schläge einstecken mußte, als ihm lieb sein konnte. Als er im März 2014 wieder in den Ring stieg, verlor er nach einem turbulenten Schlagabtausch gegen den regulären WBA-Weltmeister Keith Thurman.

In Carson, Kalifornien, traf er nun in einem Kampf des Weltergewichts über zehn Runden auf den zweitklassigen Aaron Martinez, der drei seiner letzten vier Auftritte verloren hatte. Durch einen überzeugenden Sieg gegen diesen paßförmigen Kontrahenten hoffte Guerrero, seinen ramponierten Ruf wieder etwas aufzupolieren und damit noch einmal in Reichweite lukrativer Duelle mit namhaften Akteuren seiner Gewichtsklasse zu kommen.

Da er offenbar glaubte, seinem Gegner sofort Respekt einflößen zu können, suchte Guerrero den offenen Schlagabtausch, was ihm schlecht bekam. Bereits in der ersten Runde zeichnete sich eine Schwellung an seiner linken Augenpartie ab und in der dritten blutete er aus der Nase, als er mit dem Rücken an den Seilen kämpfte. Gegen Ende des vierten Durchgangs kam Martinez mit einer Kombination aus Uppercuts und kurz angesetzten Körpertreffern durch, die den Favoriten zu Boden schickten. Guerrero raffte sich wieder auf, doch wäre es wohl um ihn geschehen gewesen, hätte ihn nicht der Pausengong gerettet. Auch in der fünften Runde machte Martinez die bessere Figur, doch versäumte er es in dieser Phase, den Druck zu erhöhen und eine vorzeitige Entscheidung herbeizuführen, da er sich wohl verausgabt hatte.

Guerreros Vater und Trainer Ruben Garcia schärfte seinem Boxer in der Pause eindringlich ein, den wilden Schlagabtausch zu meiden und in der Mitte des Rings aus der Distanz zu boxen. Als Robert Guerrero diesen Rat befolgte, gewann er endlich die Oberhand. Wenngleich es Martinez in der siebten Runde noch einmal gelang, den Gegner an den Seilen zu stellen und mit heftigen Schlägen zu bearbeiten, konnte er keinen Druck wie in der ersten Hälfte des Kampfs mehr ausüben. Er lockte Guerrero des öfteren, sich ihm zu stellen, worauf sich dieser jedoch nicht mehr einließ. [1]

Nach diesem durchwachsenen Verlauf des Gefechts erwartete man gespannt ein knappes Ergebnis, wobei offenbar viele Zuschauer in Martinez den Sieger sahen. Bei dem Punktrichter Max DeLuca lag der Außenseiter denn auch mit 95:94 in Front, während Eddie Hernandez 95:94 zugunsten Guerreros gewertet hatte. Völlig indiskutabel war ein 97:92, das Jerry Cantu dem Favoriten schenkte. Das Publikum quittierte das Urteil mit lautstarken Mißfallensäußerungen, und die Experten dürften sich in der Einschätzung einig gewesen sein, einem der schwächsten Auftritte beigewohnt zu haben, die man bei dem früheren Weltmeister je erlebt hatte. [2]

Während Robert Guerrero damit seine Bilanz auf 33 Siege, drei Niederlagen und ein Unentschieden verbesserte, stehen für den zuvor als krassen Außenseiter gehandelten Aaron Martinez nunmehr 19 gewonnene und vier verlorene Auftritte sowie ein unentschieden gewerteter Kampf zu Buche.

Wie Robert Guerrero nach seinem knappen Erfolg erklärte, habe ihn seine Ecke dazu angehalten, mit dem Jab zu arbeiten und den Gegner auszuboxen, was er dann ja auch getan habe. Er wisse selber nicht, warum er immer wieder den Schlagabtausch suche. Vielleicht liege es daran, daß er einfach das direkte Handgemenge zu sehr liebe. Wenngleich man Guerrero zugute halten kann, daß er die Probleme nicht bei anderen sucht, kann das doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß er im Grunde gegen einen mittelmäßigen Gegner verloren und den knappen Sieg lediglich geschenkt bekommen hat. Daß dieser Auftritt seinem Ansehen förderlich war, darf jedenfalls bezweifelt werden.

Vermutlich wäre er besser beraten gewesen, nach der Niederlage gegen Keith Thurman im März eine längere Pause einzulegen. Damals hatte er viel einstecken müssen, darunter auch einen Niederschlag in der neunten Runde. Als er 2012 ins Weltergewicht aufgestiegen war und dort Selcuk Aydin besiegt hatte, wirkte er wesentlich besser als nun gegen Martinez, der deutlich schwächer als Aydin einzuschätzen ist.

Dessen ungeachtet wiederholte Guerrero die Forderung nach bedeutenden Auftritten. Floyd Mayweather und Manny Pacquiao, deren Namen er des öfteren genannt hat, kann er getrost vergessen, da die beiden außerhalb seiner Reichweite ihre Kreise ziehen oder die Boxhandschuhe ohnehin bald an den Nagel hängen. Vielleicht käme der Sieger des Kampfs zwischen Adrien Broner und Shawn Porter in Frage, die am 20. Juni in Las Vegas aufeinandertreffen. Auch Amir Khan wäre unter Umständen eine Option, sofern ihn Floyd Mayweather bei seinem Auftritt im September abermals nicht berücksichtigt. Dann würde der Brite erneut einen Gegner ohne Schlagwirkung suchen und könnte durchaus auf Guerrero verfallen. Wenngleich Khan auch Keith Thurman, Juan Manuel Marquez, Tim Bradley und Marcos Maidana erwähnt hat, ist doch kaum anzunehmen, daß er tatsächlich mit einem dieser Kontrahenten in den Ring steigen würde, die gefährlich zuschlagen können. [3] Sollte Robert Guerrero noch einmal die Chance bekommen, sich mit einem namhaften Akteur dieser Gewichtsregion zu messen, dann nur in der Rolle des designierten Schlachtopfers.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13025157/robert-guerrero-rebounds-earn-split-decision-aron-martinez

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/06/guerrero-vs-martinez-early-results/#more-194322

[3] http://www.boxingnews24.com/2015/06/robert-guerrero-now-its-time-to-move-on-to-the-big-fights/#more-194335

8. Juni 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang