Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1794: Ein Ruhmesblatt sieht anders aus (SB)



Adonis Stevenson macht kurzen Prozeß mit Tommy Karpency

Adonis Stevenson hat den Titel des Verbands WBC im Halbschwergewicht in Toronto zum sechsten Mal erfolgreich verteidigt. Der Herausforderer Tommy Karpency hatte ihm erwartungsgemäß wenig entgegenzusetzen und mußte sich dem Lokalmatador bereits in der dritten Runde durch technischen K.o. geschlagen geben. Während der 37jährige Kanadier damit seine Bilanz auf 27 Siege und eine Niederlage ausbaute, werden für seinen Kontrahenten aus Pennsylvania nunmehr 25 gewonnene und fünf verlorene Auftritte sowie ein Unentschieden notiert.

Karpency, der im November 2014 für eine faustdicke Überraschung gesorgt hatte, als er den früheren Weltmeister Chad Dawson besiegte, war gegen Stevenson heillos überfordert. Der Titelverteidiger räumte denn auch nach seinem schnellen Sieg unumwunden ein, daß er mit einem vorzeitigen Erfolg gerechnet habe. Wenngleich der US-Amerikaner anfangs recht gut mithalten konnte, mußte er nach einer Linken des Champions bereits in der ersten Runde mit sichtlich weichen Knien eine kritische Situation überstehen.

Kurz vor Ende des zweiten Durchgangs landete Karpency nach einem schweren Treffer erstmals auf den Brettern, wovon er sich zu Beginn der dritten Runde offensichtlich noch nicht vollständig erholt hatte. Stevenson setzte sofort nach und schickte den Gegner ein zweites Mal zu Boden, der zwar rechtzeitig wieder auf die Beine kam, aber derart verteidigungsunfähig wirkte, daß Ringrichter Hector Afu den Kampf nach 21 Sekunden für beendet erklärte. Im Überschwang seines raschen Triumphs drehte der Weltmeister mehrere Runden im Ring, um sich von den Zuschauern ausgiebig feiern zu lassen.

Im anschließenden Interview erwiderte der Kanadier auf die unvermeidliche Dauerfrage, wann er denn seine Kräfte endlich mit Sergej Kowaljow messen werde, es sei nun an der Zeit, dieses Duell über die Bühne gehen zu lassen. Der Russe ist Superchampion der WBA sowie Weltmeister der WBO und IBF, wobei er nicht allein wegen seiner Gürtelsammlung als führender Akteur der Gewichtsklasse gilt. Kowaljow hat keinen Gegner gescheut, die besten Kontrahenten besiegt und schon seit Jahren ein Duell mit Stevenson gefordert.

Der WBC-Champion steht jedoch bei dem einflußreichen Berater Al Haymon unter Vertrag, dessen Kunst und Durchsetzungsvermögen nicht zuletzt darin besteht, seine Boxer von Aufgaben fernzuhalten, die eine Nummer zu groß für sie sein könnten. So gesehen handelt Haymon im Interesse seiner wachsenden Klientel, was freilich in letzter Konsequenz auf eine Art zunehmend von einer zentralen Regie ausgesteuerten Profiliga mit inszenierten Verläufen hinausliefe.

Nach seinem allzu leichten Sieg erging sich Stevenson in einer Tirade gegen Kowaljow, dem er vorwarf, sich im April unmittelbar vor der vom WBC anberaumten Versteigerung der Austragungsrechte an ihrem geplanten Kampf zurückgezogen zu haben. Der Russe sei für ihn eine leichte Beute, tönte Stevenson, wobei er behauptete, jederzeit zu einem Kampf um die Vereinigung ihrer Titel bereit zu sein. [1]

Daß er sich ungeachtet wachsender Kritik an der Wahl seiner Gegner den an Nummer neun der WBC-Rangliste plazierten Tommy Karpency ausgesucht hatte oder ihn von Al Haymon aussuchen ließ, spricht freilich eine andere Sprache. Solange sich die Gelegenheit dazu bot, mied der Kanadier den aufstrebenden Russen unter dem Vorwand, dieser müsse sich seine Sporen erst noch verdienen, Dann wechselte Stevenson zu Al Haymon, der mit dem Sender Showtime zusammenarbeitet. Da Kowaljow einen laufenden Vertrag mit HBO zu erfüllen hat, zog sich seine Promoterin Kathy Duva im Frühjahr vor der Versteigerung zurück, da es absehbar zu keiner Einigung in der Frage des übertragenden Senders gekommen wäre. Da ihr aber die finanziellen Mittel fehlten, um Haymons millioneschwere Investoren bei der Versteigerung zu überbieten und damit den Sender bestimmen zu können, sehe sie einen Ausstieg als die einzig angemessene Option an. Die Konkurrenten HBO und Showtime haben seit Jahren nicht mehr zusammengearbeitet, wovon der überaus lukrative Kampf zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao die große Ausnahme war. [2]

Stevenson müßte folglich schon bei HBO gegen Kowaljow kämpfen, wozu es mit Sicherheit nicht kommen wird. Wenn der Kanadier daher lautstark verkündet, er sei jederzeit zu diesem Duell bereit, so in der Gewißheit, daß ihn niemand beim Wort nehmen kann. Der Russe hat unter anderem Bernard Hopkins in einem Kampf zweier Weltmeister klar besiegt und dem Altmeister dessen beide Gürtel abgenommen. Er hat den früheren Champion Jean Pascal in die Schranken gewiesen und war zum Duell mit seinem Landsmann Artur Beterbijew in Moskau bereit, von dem dessen Lager jedoch Abstand nahm. Demgegenüber hat sich Adonis Stevenson an Herausforderern schadlos gehalten, die ihm von vornherein nicht das Wasser reichen konnten. Das ist allgemein bekannt und wird auch von den Kommentatoren in diesem Sinne kritisiert, wenngleich der Kanadier ein ums andere Mal das Gegenteil behauptet und Kowaljow aus sicherer Entfernung auffordert, sich doch endlich zum Kampf zu stellen.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13634852/adonis-stevenson-defeats-tommy-karpency-defend-light-heavyweight-title

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/09/spence-stops-van-heerden/#more-198962

14. September 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang