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MELDUNG/1807: Nostalgischer Widerhall unter Polen (SB)



Tomasz Adamek dominiert Przemyslaw Saleta

In Lodz ging ein Duell zweier polnischer Schwergewichtler über die Bühne, das zumindest für einen von beiden eher nostalgische Züge aufwies. Für seinen Auftritt in der Atlas Arena holte Tomasz Adamek, der einst Weltmeister im Halbschwer- und Cruisergewicht gewesen war, die Boxhandschuhe noch einmal vom Nagel. Der in New Jersey lebende Pole kehrte nach einjähriger Pause in den Ring zurück. Adamek, für den 49 Siege und vier Niederlagen zu Buche standen, traf auf seinen Landsmann Przemyslaw Saleta, der mit 44 gewonnenen und sieben verlorenen Kämpfen aufwarten konnte. Saleta hatte 2006 seinen Abschied genommen, jedoch 2013 den sportlichen Ruhestand unterbrochen, um sich mit Andrew Golota zu messen. In diesem Duell zweier polnischer Schwergewichtler, deren beste Tage weit zurücklagen, setzte sich Saleta in der sechsten Runde durch. Seither hatte er keinen Kampf mehr bestritten, so daß auch sein Duell mit Adamek einem Veteranentreffen glich.

In Polen fand sich dafür ein interessiertes Publikum, während man anderswo allenfalls neugierig war, wie gut sich der inzwischen 39jährige Tomasz Adamek gehalten hat. Er hatte für den Auftritt einen Vertrag mit seiner langjährigen Promoterin Kathy Duva von Main Events abgeschlossen, die ihrerseits mit dem Sender Polsat handelseinig geworden war, der den Kampf übertrug, Auch Duva wußte nicht, ob Adamek im Falle eines Sieges über den bereits 47 Jahre alten Saleta seine Karriere fortsetzen oder es bei einer einmaligen Reminiszenz belassen würde. Das sei ganz allein seine Entscheidung und nicht ihre, betonte die Promoterin. Jedenfalls sei dieses Duell in Polen sehr reizvoll, weil beide Boxer dort nach wie vor einen guten Namen hätten.

Adamek, der bei seinen letzten beiden Auftritten Niederlagen gegen Wjatscheslaw Hlaskow und Artur Szpilka bezogen hatte, stieg dennoch als Favorit in den Ring. Schließlich hatte Saleta in den letzten neun Jahren nur einen einzigen Kampf bestritten, so daß man ihn schwerlich als aktiven Boxer bezeichnen konnte. Er war einst ein guter, wenn auch nicht überragender Schwergewichtler, wovon in Lodz freilich kaum noch etwas zu sehen war. Das gab Tomasz Adamek freie Bahn, in dem auf zehn Runden angesetzten Duell ganz nach Belieben seine Treffer zu setzen und sich rasch wieder zurückzuziehen, ohne im Gegenzug allzu viele Schläge abzubekommen. Diese Kampfesweise war für ihn schon in der Vergangenheit charakteristisch, da er als relativ leichter Akteur in der Königsklasse mehr als andere auf Technik und Beweglichkeit setzen mußte.

Gegen Przemyslaw Saleta kam er damit ausgezeichnet zur Geltung, wobei die Frage schwer zu beantworten ist, zu welchen Teilen dies der Behäbigkeit des Gegners auf der einen und dem eigenen Können auf der anderen Seite geschuldet war. Wenngleich man Adamek daher einen erfrischenden Auftritt attestieren kann, machte er doch andererseits nicht den Eindruck, als habe er sich gegenüber den letzten Niederlagen wesentlich verbessert. Saleta, der gegen seinen jüngeren Landsmann kein Land sah, beschloß nach der fünften Runde, es dabei bewenden zu lassen, worauf Ringrichter Leszek Jankowiak den Kampf für beendet erklärte. Damit verbesserte sich Tomasz Adamek auf 50 Siege und vier Niederlagen, während Saleta neben 44 Erfolgen die achte Niederlage mit in den sportlichen Ruhestand nimmt. [1]

Sollte Adamek diesen Erfolg zum Anlaß nehmen, seine unterbrochene Karriere fortzusetzen, würde sich erneut die Frage stellen, ob er angesichts seiner Körpermaße nicht im Cruisergewicht besser aufgehoben wäre. Da er zu diesem Zweck jedoch etliche Pfunde loswerden müßte, ist so gut wie ausgeschlossen, daß er sich diese Ochsentour noch einmal antut. Der Erfolg wäre ohnehin ungewiß, da das Cruisergewicht heute mit gefährlichen Akteuren besetzt ist, die schneller als der Pole sind oder wirksamer zuschlagen können.

Davon abgesehen wären die Aussichten im Schwergewicht günstiger, noch die eine oder andere ansehnliche Börse mitzunehmen. Dort müßte sich Adamek allerdings an zweitklassige Aufbaugegner oder namhafte Kontrahenten wie Chris Arreola, Eddie Chambers, Travis Walker oder Steve Cunningham halten, die den Zenit ihres Könnens überschritten haben. Auch dieses Unterfangen wäre für den Polen riskant, könnte aber bei maßvoller Gegnerwahl dazu führen, sich wieder in den Ranglisten zu positionieren.

Adamek, der 2009 ins Schwergewicht aufgestiegen war, setzte sich dort gegen Andrew Golota, Jason Estrada, Chris Arreola, Michael Grant, Vinny Maddalone und Kevin McBride durch, worauf er den langersehnten Titelkampf bekam. Am 10. September 2011 war Endstation, als ihn der damalige WBC-Weltmeister Vitali Klitschko klar dominierte und vorzeitig besiegte. Im Unterschied zu 2009, als es im Schwergewicht noch düster aussah, ist das Niveau inzwischen doch erheblich gestiegen, so daß der Pole eine wesentlich stärkere Konkurrenz vor sich hätte, die ihm den Weg versperrt. Wladimir Klitschko und Deontay Wilder, aber auch Alexander Powetkin, Tyson Fury, Kubrat Pulew, Bryant Jennings, Carlos Takam oder Lucas Browne wären wohl eine Nummer zu groß für Adamek. Ein erneuter Titelkampf ist für ihn daher so gut wie unerreichbar, was einer möglichen Fortsetzung seiner Karriere von vornherein Grenzen setzt.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/09/tomasz-adamek-defeats-przemyslaw-saleta/#more-199659

30. September 2015


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