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MELDUNG/1836: Zu leicht für große Sprünge? (SB)



Wassyl Lomatschenko wird im Federgewicht meist übersehen

Dem 27 Jahre alten Ukrainer Wassyl Lomatschenko stünde eine triumphale Profikarriere mit immensen Einkünften offen, navigierte er als Boxer im Federgewicht nicht unter dem Radar allgemeiner Wahrnehmung, welche die leichtesten Limits kaum wahrnimmt. Er gehört zu den besten Amateurboxern aller Zeiten, wurde er doch Europameister 2008, Olympiasieger 2008 und Weltmeister 2009 im Federgewicht sowie Weltmeister 2011 und Olympiasieger 2012 im Leichtgewicht, bevor er mit einer beeindruckenden Bilanz von 396 Siegen und nur einer Niederlage seine Amateurlaufbahn beendete.

Im August 2013 wechselte er ins Profilager, wo er von dem US-Promoter Top Rank Boxing unter Vertrag genommen wurde. Er zog ins kalifornische Marina del Rey um und bestritt am 12. Oktober 2013 seinen ersten Profikampf in Las Vegas gegen den Mexikaner Jose Luis Ramirez Garcia, der auf Platz sieben der WBO-Rangliste geführt wurde. Lomatschenko gewann sein Profidebüt bereits in der vierten Runde und brachte dem Gegner die erste vorzeitige Niederlage seiner Karriere bei.

Am 1. März 2014 trat der Ukrainer in San Antonio gegen den damaligen WBO-Weltmeister Orlando Salido an, der bereits 52 Profikämpfe bestritten hatte und vom Magazin The Ring auf Platz zwei der Weltrangliste geführt wurde. Nach zwölf Runden wurde Salido zum 2:1-Punktsieger erklärt, womit Lomatschenko seine erste Profiniederlage hinnehmen mußte. Als er am 21. Juni 2014 erneut um den vakanten WBO-Titel im Federgewicht kämpfte, besiegte er den US-Amerikaner Gary Russell nach Punkten und wurde damit bereits in seinem dritten Profikampf Weltmeister, was vor ihm nur dem Thailänder Saensak Muangsurin 1975 im Halbweltergewicht gelungen war.

In der Folge verteidigte der Ukrainer seinen Titel erfolgreich gegen Chonlatarn Piriyapinyo aus Thailand und den Puertoricaner Gamalier Rodriguez, worauf er nun in Las Vegas auf den 24jährigen Mexikaner Romulo Koasicha traf. Höhepunkt des Abends war aus Perspektive des Publikums freilich der Kampf im Weltergewicht zwischen WBO-Champion Timothy Bradley und Brandon Rios, in dem sich der klar überlegene Weltmeister in der zehnten Runde durchsetzte. In boxerischer Hinsicht lieferte hingegen Lomatschenko das eigentliche Meisterstück des Abends ab, da er seinen überforderten Gegner zu einem Sparringspartner degradierte, an dem er sein Können demonstrierte.

Romulo Koasicha, der 25 Kämpfe gewonnen sowie vier verloren hatte und an Nummer sieben der WBO-Rangliste geführt wurde, versuchte durchaus, zu marschieren und Druck zu machen, war der Schnelligkeit und technischen Überlegenheit des Ukrainers jedoch nicht gewachsen. Der in der Rechtsauslage boxende Champion schlug mitunter Kombinationen aus vier schnellen Schlägen, bevor der Außenseiter registrierte, daß er getroffen wurde. Von der dritten Runde an war das Gesicht des Mexikaners deutlich gezeichnet, der alle Kopftreffer robust wegsteckte, jedoch durch Schläge zum Körper sichtlich gebremst wurde.

Lomatschenko spielte Runde für Runde mit seinem Gegner, den er nach Belieben traf, fast ohne seinerseits Treffer abzubekommen. Vom siebten Durchgang an erhöhte der Weltmeister die Wucht seiner Schläge, mit denen er den Mexikaner nun in die Seile trieb und dort heftig traktierte. In der zehnten Runde waren es schließlich drei Körpertreffer, die Koasicha auf ein Knie sinken ließen, worauf er nach 2:35 Minuten von Ringrichter Robert Byrd ausgezählt wurde. [1]

Wassyl Lomatschenko, für den nun fünf Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, erzählte anschließend im Interview mit dem Sender HBO, wieviel Spaß ihm sein Auftritt gemacht habe. Er hätte den Herausforderer wohl schon früher ausschalten können und sei sich jedenfalls sicher gewesen, daß am Ende ein Körpertreffer den Ausschlag geben werde. Dies bestätigte auch Koasicha mit der Aussage, daß ihm die Schläge an den Kopf nichts ausgemacht hätten, wohl aber jene zum Körper. Der Weltmeister sei ungewöhnlich schnell und äußerst trickreich.

Um sich beim Publikum einen Namen zu machen, muß der Ukrainer bekanntere Gegner als Romulo Koasicha besiegen, der sich erstmals in seiner Karriere vorzeitig geschlagen geben mußte. Lomatschenko möchte die Titel im Federgewicht vereinigen, was jedoch derzeit kaum möglich sein dürfte. Sein Promoter Bob Arum würde ihn gern Anfang kommenden Jahres mit Guillermo Rigondeaux zusammenführen, dem kürzlich seine beiden Titel im Superbantamgewicht wegen zu langer Inaktivität aberkannt worden sind. Das wäre ein spektakulärer Kampf zweier außergewöhnlicher Boxer, da auch der Kubaner zweimal Olympiasieger war und im Profilager zu den besten Akteuren aller Gewichtsklassen gezählt wird.

Eine andere Möglichkeit böte der Aufstieg ins Superfeder- oder Leichtgewicht, wo der Ukrainer auf populäre Gegner wie Orlando Salido, Nicholas Walters, Felix Verdejo, Terry Flanagan oder Jorge Linares treffen könnte. Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage, ob Wassyl Lomatschenkos technische Exzellenz jemals angemessen gewürdigt wird, sofern er nicht aggressiver zu Werke geht und seine Gegner frühzeitiger auf die Bretter schickt, wie es die Zuschauerschaft bevorzugt. Über einen Vergleich mit den 1,9 Millionen für Timothy Bradley und den 800.000 Dollar für Brandon Rios läßt sich abschätzen, wo Lomatschenko mit seiner Börse von 750.000 Dollar derzeit in der Branche rangiert. Das ist sehr viel für einen Boxer des Federgewichts, wie die mageren 35.000 Dollar zeigen, die sein Gegner Koasicha an diesem Abend erhielt. Der Sprung zu einem Großverdiener ist jedoch noch sehr weit und wird auf die Dauer nicht in der Klasse bis 57,153 kg zu schaffen sein.


Fußnote:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14077738/vasyl-lomachenko-outclasses-romulo-koasicha-ko-victory

9. November 2015


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