Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1856: Notnagel händeringend gesucht (SB)



Deontay Wilder macht Shannon Briggs Avancen

Spätestens seit der desaströsen Niederlage Wladimir Klitschkos gegen den boxerisch limitierten Tyson Fury, dessen Größe und Beweglichkeit den Ukrainer paralysierten, gilt Deontay Wilder mit Fug und Recht als führender Akteur des Schwergewichts. Bevor der WBC-Weltmeister dies im kommenden Jahr durch einen Sieg über Fury oder Klitschko endgültig besiegeln kann, muß er sich mit dem Pflichtherausforderer Alexander Powetkin auseinandersetzen. Dieser Kampf war ursprünglich für Januar 2016 geplant, mußte aber verschoben werden, nachdem sich der Russe bei einem zwischenzeitlichen Gefecht gegen den Polen Mariusz Wach eine Rißwunde zugezogen hatte.

Da der US-Amerikaner zuletzt im September mit Johann Duhaupas im Ring gestanden hat, ist ihm daran gelegen, die Wartezeit mit einem Auftritt zu überbrücken. Das Barclays Center in Brooklyn ist bereits für den 16. Januar gebucht, doch fehlt dem WBC-Champion nach wie vor ein Gegner, nachdem sich der Wunschkandidat Wjatscheslaw Hlaskow für einen anderen Weg zum erhofften Titelgewinn entschieden hat. Die Gespräche zwischen Hlaskows Promoterin Kathy Duva und Lou DiBella waren bereits weit fortgeschritten, doch stand eine Einigung über DiBellas Forderung nach einer Beteiligung an den künftigen Kämpfen des Ukrainers noch aus.

Inzwischen hat sich das Team Hlaskows dafür entschieden, statt dessen den IBF-Titel ins Visier zu nehmen. Dieser Verband hatte Tyson Fury unmittelbar nach dessen Sieg über Klitschko zur Auflage gemacht, in Verhandlungen mit dem Pflichtherausforderer Wjatscheslaw Hlaskow zu treten. Postwendend erklärte der Brite, er werfe den IBF-Gürtel lieber in die Mülltonne, als gegen Hlaskow zu kämpfen, der für ihn ohne jeden Wert sei. Da Fury eine sofortige Revanche gegen Klitschko vorzieht, die für ihn weitaus attraktiver ist, wird Hlaskow aller Voraussicht nach gegen Charles Martin um den vakanten IBF-Titel kämpfen. Der 29jährige aus Carson in Kalifornien ist nach der Rangliste des Verbands hinter dem Ukrainer der bestplazierte Kandidat, wobei er sich allerdings zunächst am 12. Dezember in San Antonio gegen Dominic Breazeale durchsetzen muß. [1]

Da der in 35 Kämpfen ungeschlagene Wilder händeringend einen anderen Herausforderer sucht, was in der Kürze der noch verbliebenen Zeit immer schwieriger wird, ist er auf Shannon Briggs verfallen. Der 44 Jahre alte frühere Weltmeister tritt seit geraumer Zeit als Stalker Wladimir Klitschkos auf den Plan, der ihm sogar halbwegs zugesagt hat, ihn irgendwann zu erhören. Für Briggs wäre es zwar nahezu unmöglich, sich in nur vier Wochen angemessen auf einen überragenden Gegner wir Wilder vorzubereiten, der ihm die absehbare Niederlage jedoch mit einer ansehnlichen Börse versüßen will. Der Champion lockt den Notnagel mit den Worten, nur Shannon Briggs könne die Show noch retten, und provoziert ihn zugleich mit der abfälligen Bemerkung, Briggs halte sich für größer, als er tatsächlich sei. [2]

Der nicht auf den Mund gefallene und auch vor den albernsten Auftritten nie zurückschreckende Briggs wäre tatsächlich insofern eine ideale Alternative, weil er im Grunde keine Karriere mehr vor sich hat, auf die er sorgsam achten müßte. Er setzt seit geraumer Zeit ausschließlich darauf, drittklassige Gegner zu besiegen und ansonsten einen lukrativen Titelkampf herbeizureden. Zudem wird er in der WBA-Rangliste an Nummer fünf geführt, was den absehbaren Vorwurf entkräften könnte, Wilder verlege sich auf Fallobst.

Briggs hat seit seinem Comeback im Jahr 2014 acht Kämpfe in Folge gegen schwache Kontrahenten gewonnen, die er jedoch zumeist gleich in der ersten Runde auf die Bretter schickte. Die schnellen Siege dürften zu einer wohlwollenden Einstufung in den Ranglisten beigetragen haben, wobei man dem US-Amerikaner immer noch eine ansehnliche Schlagwirkung attestieren kann. Wahrscheinlich hätte er die Gegner Anthony Joshuas mindestens genauso schnell ausgeschaltet wie der junge Brite, der beim WBC an Nummer zwei geführt wird. Bei seinem letzten Auftritt brauchte Briggs im September keine zwei vollen Runden, um Michael Marrone frühzeitig besiegen. Daher wäre er unter den gegebenen Umständen keine schlechte Wahl für Wilder, da er den Weltmeister zumindest einige Runden lang beschäftigen würde.

Allerdings könnte Shannon Briggs darauf spekulieren, einen Zahltag mit Tyson Fury zu bekommen, sofern dieser den WBA-Titel lange genug hält. Sollte der Brite jedoch die Revanche gegen Klitschko verlieren, wäre Shannon Briggs zur Stelle, um sich dem Ukrainer wie zuvor zu empfehlen. Mit diesem Kampf ließe sich zumindest in Deutschland eine Menge Geld verdienen, wo der US-Amerikaner seit den tapfer durchgestandenen zwölf Runden mit Vitali Klitschko immer noch populär ist. Womöglich ließe sich sogar ein Fußballstadion mit 50.000 Zuschauern füllen, was Wilder ihm in den USA nicht bieten könnte. Wenngleich sich der WBC-Champion einer rasant wachsenden Beliebtheit erfreut, wäre Briggs doch kein Herausforderer, mit dem zusammen er eine große Arena in New York wie das 18.000 Zuschauer fassende Barclays Center bis auf den letzten Platz belegen könnte. Man kann daher davon ausgehen, daß Briggs das Angebot zurückweisen wird, sofern es nicht ungewöhnlich lukrativ ausfällt.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14284580/vyacheslav-glazkov-opts-shot-ibf-belt-fight-deontay-wilder

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/12/deontay-wilder-wants-shannon-briggs-fight-for-january-16th/#more-202972

8. Dezember 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang