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MELDUNG/1874: Vorteilsnahme mit geringer Halbwertzeit (SB)



Erkan Tepers Dopingsperre hilft David Price nicht weiter

Für den britischen Schwergewichtler David Price kommt die Nachricht, daß sein Bezwinger Erkan Teper nach ihrem Kampf am 17. Juli positiv auf eine verbotene Substanz getestet wurde, einer unverhofften Wiederbelebung seiner darniederliegenden Karriere gleich. Wenngleich der 32jährige Brite aus dem Team Sauerland eigenen Angaben zufolge nicht glücklich über diese aus mißlichen Umständen geborene Wendung ist, öffnet sie ihm doch eine Tür, die ihm vor der Nase zugeschlagen worden war. Für den derzeit besten deutschen Akteur der Königsklasse aus Ahlen sieht es hingegen düster aus. Sein spektakulärer Sieg über Price wurde zu einem Kampf ohne Wertung umdeklariert, man nahm ihm den dabei gewonnenen Titel des Europameisters ab, und er wird dem Vernehmen nach zwei Jahre gesperrt, was für einen immerhin schon 33jährigen Boxer wie ihn besonders verhängnisvoll sein könnte.

Was in ihm steckt, hatte Teper bereits bei seinen Erfolgen gegen Michael Sprott und Martin Rogan, die beide in der ersten Runde die Segel streichen mußten, wie auch im März 2015 bei seinem deutlichen Punktsieg gegen den technisch versierten Franzosen Johann Duhaupas unter Beweis gestellt. Mit der überzeugenden Leistung im Kampf gegen Price, der bereits in der zweiten Runde geschlagen am Boden lag, katapultierte sich der neue Europameister in den Kreis jener Schwergewichtler, deren Namen stets genannt wurde, wenn von hochkarätigen Optionen die Rede war. Dies mag verdeutlichen, wie katastrophal neben dem sportlichen Rückschlag auch die finanziellen Einbußen Erkan Tepers sind.

Für David Price stellt die Dopingsperre seines Kontrahenten insofern keine Rehabilitation dar, als Tepers Qualitäten wie seine enorme Schlagwirkung, robuste Standfestigkeit und Gefährlichkeit gerade in der Nahdistanz schon länger bekannt waren. Was den Ahlener im Ring auszeichnet und zu einem der attraktivsten Akteure seiner Gewichtsklasse in Europa und darüber hinaus gemacht hat, dürfte durch die Einnahme welcher Substanzen auch immer im Vorfeld nicht nennenswert gesteigert worden sein.

Das Debakel des 2,02 m großen Briten im Kampf um den vakanten europäischen Titel in Ludwigsburg läßt sich nicht mit verbotenen Praktiken des Gegners erklären. Wenn Price, dessen Bilanz auf 19 Siege und zwei Niederlagen korrigiert wurde, seine Karriere wieder aufnehmen und erneut den Titel des Europameisters ins Visier nehmen möchte, so geschieht dies unter denselben boxerischen Voraussetzungen, die sich zuvor als unzulänglich erwiesen haben. Der Vorteil, es beim Griff nach diesem Gürtel nicht mehr mit einem Gegner vom Format Erkan Tepers aufnehmen zu müssen, wird dadurch zunichte gemacht, daß der in 22 Kämpfen ungeschlagene Robert Helenius jüngst durch einen Sieg über den Deutschen Franz Rill neuer Europameister geworden ist. Der genau zwei Meter große Finne schlägt ebenso gewaltig wie Teper zu und scheint auf dem Weg zu sein, nach seiner zweijährigen Zwangspause wieder zu seiner Verfassung früherer Tage aufzulaufen, die ihn zu einem namhaften internationalen Schwergewichtler gemacht hatte.

Promoter Kalle Sauerland bestätigt die Pläne des Briten, in den Ring zurückzukehren, und gibt sich überzeugt, daß Price daraufhin ein führender Platz in den Ranglisten zustehe. Im kommenden Jahr werde er zweifellos eine neue Chance bekommen, um den Titel des Europameisters zu kämpfen. Es sei schon frustrierend, sechs Monate der Karriere verloren zu haben. Dabei habe David zweifellos das Zeug, weiter aufzusteigen und Großes in diesem Sport zu vollbringen.

Daß es eine gute Idee ist, sich mit Helenius zu messen, darf jedoch bezweifelt werden. Vernünftiger wären wohl einige Auftritte mit weniger gefährlichen und vor allem kleineren Gegnern wie Dereck Chisora oder Michael Sprott, bei denen Price wieder Tritt fassen und Zuversicht schöpfen könnte. Er hat zweimal vorzeitig gegen Tony Thompson und zuletzt gegen Erkan Teper verloren, die zu bezwingen eine notwendige Voraussetzung gewesen wäre, sich an die führenden Akteure heranzuwagen. [1]

Nachdem David Price vom Sender ESPN zum Nachwuchstalent des Jahres 2012 gekürt worden war und 2013 seine Serie auf neun vorzeitig gewonnene Profikämpfe ausgebaut hatte, erklärte man ihn zum aussichtsreichsten britischen Schwergewichtler neben Tyson Fury. Im Januar 2013 holte man den Veteranen Tony Thompson nach Liverpool, wo er das bis dahin namhafteste Opfer des aufstrebenden Briten abgeben sollte. Price mußte jedoch bereits in der zweiten Runde die Segel streichen, worauf er wenige Monate später an gleicher Stelle in einer Revanche erneut auf Thompson traf. Der US-Amerikaner verkraftete einen frühen Niederschlag und fiel in der Folge derart über den Lokalmatador her, daß dieser sich in der fünften Runde geschlagen geben mußte.

Price wechselte zum Berliner Promoter Sauerland, der ihm in aller Ruhe einen zweiten Anlauf verschaffen wollte. Das zog sich jedoch so lange hin, daß die Frage laut wurde, was aus dem ehemals vielversprechenden Briten geworden war. Ein Kampf um den vakanten Titel des Europameisters gegen den in vierzehn Auftritten ungeschlagenen Teper schien sich als Ausweg anzubieten, der freilich geradewegs in das nächste Verhängnis führte. In einem von Beginn an einseitigen Gefecht trieb der Ahlener seinen Gegner durch den Ring, da Price ihn weder durch Klammern noch seinen schwachen Jab bremsen konnte. Zudem steckte Teper alles problemlos weg, was der Brite aufzubieten hatte, und holte ihn in der zweiten Runde von den Beinen, worauf Price für eine kurze Spanne bewußtlos liegenblieb.

Ungeachtet seiner imposanten Statur verfügt der Brite offensichtlich über schlechte Nehmerqualitäten, die ihm gegen Robert Helenius wohl ebenso zum Verhängnis würden wie im Kampf mit irgendeinem anderen Gegner der ersten oder zweiten Garnitur. Ob ihn sein Promoter noch einmal geraume Zeit mit schwachen Kontrahenten füttert oder auf schnellem Weg die nächste Nagelprobe anpeilt, wird sich zeigen. Wenngleich es David Price zu wünschen wäre, daß er am Ende doch sein Talent zur Entfaltung bringt, ist vorerst nicht abzusehen, auf welche Weise ihm das gelingen könnte.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/12/david-price-continue-career/#more-203648

30. Dezember 2015


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