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MELDUNG/1883: Der Tragödie zweiter Teil (SB)



Vincent Feigenbutz verliert Revanche gegen Giovanni de Carolis

Giovanni de Carolis hat Vincent Feigenbutz bei ihrer Revanche in Offenburg durch technischen K.o. in der 11. Runde besiegt und ist damit regulärer Weltmeister der WBA im Supermittelgewicht. Während der 31jährige Italiener seine Bilanz auf 24 Siege und sechs Niederlagen verbesserte, stehen für den elf Jahre jüngeren Karlsruher, der beim Berliner Promoter Sauerland Event unter Vertrag steht, nun 21 gewonnene und zwei verlorene Auftritte zu Buche. Feigenbutz war zuvor Interimsweltmeister des Verbands. Da der bisherige Superchampion Andre Ward ins Halbschwergewicht aufgestiegen ist, ließ die WBA den Russen Fjodor Tschudinow in diese Position nachrücken, wodurch dessen bisheriger Titel vakant wurde.

Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen am 17. Oktober mußte Feigenbutz in der ersten Runde zu Boden gehen, setzte sich jedoch am Ende nach Punkten durch (115:113, 115:113, 114:113). Da das Ergebnis umstritten war, wurde ein Rückkampf vereinbart, um für klare Verhältnisse zu sorgen. Der Karlsruher hatte damals als Grund für seine relativ schwache Vorstellung eine Grippeerkrankung in der Woche vor dem Kampf angeführt und versprochen, bei der zweiten Gelegenheit eindeutig die Oberhand zu behalten. Er wollte als jüngster deutscher Weltmeister aller Zeiten Geschichte schreiben und Graciano Rocchigiani ablösen, der 1988 im Alter von 24 Jahren einen vakanten Titel im Supermittelgewicht gewonnen hatte.

Der klar favorisierte Feigenbutz geriet jedoch von Beginn an ins Hintertreffen, da De Carolis sofort die Initiative ergriff und die ersten Runden dominierte, wogegen der Karlsruher zunächst kein Mittel fand. Er kam erst im vierten Durchgang besser zur Geltung und traf seinen Gegner mit einer schweren Rechten, so daß sich seine überlegene Schlagwirkung allmählich auszuzahlen schien. Gegen Ende der sechsten Runde trug der Italiener eine Rißwunde nahe des rechten Auges davon, die ihn jedoch nicht davon abhielt, dank seiner höheren Schlagfrequenz anschließend wieder die Oberhand zu gewinnen.

In der elften Runde führte Giovanni de Carolis bei allen drei Punktrichtern (98:92, 96:94, 96:94), als er den entscheidenden Schlag landen konnte. Von einer Rechten des Italieners am Kopf getroffen, mußte Feigenbutz beinahe zu Boden gehen und taumelte auf weichen Beinen in die Seile. Dort traktierte ihn De Carolis mit einer Serie weiterer Schläge, darunter einer Rechten am Hinterkopf, als sich der Karlsruher abgewendet hatte. Da sich Feigenbutz nicht mehr verteidigte, ging Ringrichter Gustavo Padilla dazwischen und nahm ihn nach 32 Sekunden des Durchgangs aus dem Kampf.

Wie Giovanni de Carolis im anschließenden Interview sagte, sei dies der Lohn jahrelanger Arbeit. Man könne sich stets verbessern, aber im Augenblick sei er natürlich sehr zufrieden. Nachdem Promoter Kalle Sauerland einen dritten und entscheidenden Kampf ins Gespräch gebracht hatte, erklärte sich der Italiener sofort dazu bereit: Er sehe kein Problem darin, da er ein Kämpfer sei. [1]

War schon das Ergebnis des ersten Kampfs umstritten, so galt das nicht minder für die Revanche. Wie Kritiker einwandten, habe der Italiener bereits beim ersten Treffer in der entscheidenden Sequenz auf den Hinterkopf geschlagen. Daraufhin sei Feigenbutz zunächst nach vorn getaumelt und habe sich dann umgedreht, worauf ihn ein zweiter regelwidriger Schlag getroffen habe, so daß er nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich gegen die folgenden relativ schwachen Treffer zu wehren.

Folgt man dieser Version, hätte der Ringrichter den Kampf unterbrechen, dem Karlsruher mehrere Minuten Erholungszeit einräumen und den Italiener mit einem Punktabzug bestrafen müssen. Treffer am Hinterkopf, die im Englischen als "rabbit shots", also Fangschläge, bezeichnet werden, sind wegen ihrer oftmals verheerenden Wirkung streng untersagt. Der Verband wäre unter diesen Umständen gehalten, das Ergebnis zu annullieren oder einen dritten Kampf anzuordnen. [2]

Dessen ungeachtet trat unübersehbar zu Tage, daß Vincent Feigenbutz noch längst nicht über die boxerischen Mittel verfügt, auch nur einen vergleichsweise ungefährlichen, aber erfahrenen Gegner wie den Italiener, der an Nummer vierzehn der WBA-Rangliste geführt wurde, in die Schranken zu weisen. Der Karlsruher wirkte über weite Strecken ratlos und eingeschüchtert, obgleich De Carolis reicht überschaubar zu Werke geht. Feigenbutz kann zwar wuchtig zuschlagen, wartet aber zu lange ab, bis sich eine passende Gelegenheit bietet. [3]

Schon nach dem ersten Kampf gegen den Italiener stand die Frage im Raum, ob der junge Boxer nicht vorschnell als kommender Champion hofiert und überfordert werde. Das scheint sich nun bestätigt zu haben, so daß sein sportliches Umfeld gut beraten wäre, auf verantwortungsbewußte Weise jenen besonnenen Aufbau nachzuholen, den man offenbar im Bestreben versäumt hat, auf schnellstem Weg einen neuen Weltmeister zu produzieren.

Weder Feigenbutz noch De Carolis gehören in die erste Etage des Supermittelgewichts, da sie von hochklassigen Kontrahenten wie Andre Ward, den Brüdern Andre und Anthony Dirrell wie auch Fjodor Tschudinow regelrecht auseinandergenommen würden. Dem Karlsruher bleibt angesichts seiner jungen Jahre noch viel Zeit, umfassende boxerische Fähigkeiten zu entwickeln. So gesehen möchte man ihm wünschen, daß es nicht zu einem dritten Kampf gegen Giovanni de Carolis kommt, in dem er entweder restlos demontiert und damit weit in seiner Entwicklung zurückgeworfen wird oder womöglich doch mit der Brechstange gewinnt und als Weltmeister keinen Grund mehr sieht, die eigenen Fähigkeiten in Zweifel zu ziehen, um sie von Grund auf zu verbessern.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14547447/dereck-chisora-wins-again-looks-title-fight

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/01/feigenbutz-vs-de-carolis-fight-results-overturned/#more-203903

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/01/de-carolis-tkos-feigenbutz-in-11th/#more-203877

11. Januar 2016


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