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MELDUNG/1894: Kampfverlauf auf den Kopf gestellt (SB)



Dominic Breazeale gewinnt gegen verletzten Amir Mansour

Im Vorprogramm des Kampfs um den vakanten WBC-Titel im Weltergewicht, den der favorisierte Danny Garcia durch einen Punktsieg über Robert Guerrero für sich entscheiden konnte, kam es in Los Angeles zu einem interessanten Duell im Schwergewicht. Im Staples Center traf der aufstrebende Dominic Breazeale auf den Veteranen Amir Mansour, wobei die körperlichen und boxerischen Unterschiede zwischen den beiden Akteuren maßgeblich zum besonderen Reiz dieses Auftritts beitrugen.

In der einen Ecke der 30jährige ehemalige Quarterback des Footballteams der University of Northern Colorado, Dominic Breazeale, mit einem Gardemaß von 2,01 m und rund 115 kg Gewicht von imposanter Statur. Er hatte spät zum Boxen umgesattelt, wo er als Amateur der US-amerikanischen Staffel bei den Olympischen Spielen 2012 in London angehörte und im Profilager in 16 Kämpfen ungeschlagen war, von denen er vierzehn vorzeitig gewonnen hatte. Legt man seinen sportlichen Werdegang zugrunde, kann man ihm eine fast schon idealtypische und gesellschaftlich anerkannte Karriere attestieren.

In der anderen Ecke der bereits 43jährige Amir Mansour, mit einer Größe von 1,85 m und einem Gewicht von 99 kg körperlich klar unterlegen. Er hatte bereits 1997 sein Debüt im Profilager gegeben, jedoch zwischen 2001 und 2010 eine Haftstrafe wegen Drogendelikten verbüßt. Nach seiner Rückkehr in den Ring kämpfte er sich bis auf Platz sieben der WBO-Rangliste vor. Im Dezember 2011 wurde er jedoch unter dem Vorwurf, er habe gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen, zu vierzehn Monaten Gefängnis verurteilt, von denen er sieben absitzen mußte. Mansour, der in Wilmington, Delaware, lebt, trat mit einer Bilanz von 22 Siegen, zwei Niederlagen sowie einem Unentschieden an. Gewissermaßen der soziale Gegenentwurf seines Kontrahenten, stieg er als Außenseiter in den Ring, den man unausgesprochen als Kanonenfutter des Mustersportlers zu verwerten gedachte.

Als die beiden dann loslegten, stellte sich rasch heraus, wer der bessere Boxer war. Ungeachtet seiner körperlichen Nachteile in diesem Kampf, griff der in der Rechtsauslage kämpfende Mansour den Riesen unablässig an und trieb ihn in der zweiten Runde mit einer Serie schwerer Treffer in die Seile. Zur Mitte des dritten Durchgangs schickte er Breazeale mit einem präzisen rechten Haken auf die Bretter. Sichtlich angeschlagen kam der Favorit wieder auf die Beine und überstand die verbliebene Zeit bis zur Pause, wobei er kurz vor dem Gong sogar noch einen kurzen Gegenangriff zustande brachte.

Von einer Wende war jedoch auch weiterhin nichts zu sehen, da Mansour nach wie vor den Ton angab. In der fünften Runde sah es wiederum schlecht für Breazeale aus, der in den Seilen lehnend diverse Schläge zu Kopf und Körper einstecken mußte. Plötzlich kam er seinerseits mit einer Rechten durch, die seinen Gegner sichtlich in Mitleidenschaft zog. Wie sich herausstellte, hatte sich Mansour bei diesem Treffer einen Kieferbruch zugezogen, der es ihm unmöglich machte, den Kampf fortzusetzen. Das teilte er nach Ende der Runde dem Ringrichter Raul Caiz mit, der den Kampf daraufhin für beendet erklärte.

Breazeale wußte zunächst nicht, wie ihm geschah, und räumte hinterher ein, daß ihn das Abwinken seitens des Referees völlig überrascht habe. Immerhin zeige dieses Ende, daß er doch gehörig Dampf in den Fäusten habe. Was den Niederschlag in der dritten Runde angehe, habe er nicht zu ersten Mal in seiner Karriere am Boden gelegen. Er habe einfach nur seine Hand an der falschen Stelle gehalten, aber gewußt, daß er aufstehen und weitermachen könne, da er in großartiger Form gewesen sei. So etwas passiere auch den Besten, zumal er eine Kämpfernatur sei und sich am liebsten in den Schlagabtausch stürze. Ihm sei andererseits aber schon klar gewesen, daß er sich an seine taktische Marschroute halten und diesen Gegner ausboxen müsse. [1]

Wenngleich es plausibel anmutet, daß man sich im Team des Kaliforniers darauf vorbereitet hatte, den kleineren Gegner mittels der überlegenen Reichweite auf Abstand zu halten, war davon im Kampf selbst wenig zu sehen. Breazeale bekam es mit dem bislang gefährlichsten Kontrahenten seiner Karriere zu tun, den er weder bremsen noch einschränken konnte. Das unverhoffte Ende war um so bedauerlicher, als Amir Mansour bis dahin klar dominiert und zum Zeitpunkt des Abbruchs bei allen drei Punktrichtern in Führung gelegen hatte. Breazeale bekam eine Börse von 100.000 Dollar, während Mansour lediglich 55.000 Dollar erhielt.

Welche Rolle Amir Mansour zugedacht ist, hatte sich schon bei seinem vorangegangenen Auftritt in einer durchaus vergleichbaren Konstellation abgezeichnet. Mitte Oktober 2015 traf er auf den 1,98 m großen und in 16 Kämpfen ungeschlagenen Gerald Washington, dem nach vier Runden die Luft ausging. Während ihm der zehn Jahre ältere Mansour mit unablässigem Druck und zahlreichen Körpertreffern zusetzte, hielt sich Washington nur noch mit Weglaufen, Klammern und Schieben über Wasser. Dennoch summierten sich die teilweise absurden Wertungen der Punktrichter zu einem Unentschieden. Durch dieses Fehlurteil blieb Gerald Washington ungeschlagen, was wohl auch der hintergründige Zweck der Wertung war.


Fußnote:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14634088/dominic-breazeale-stops-amir-masour-five-rounds

25. Januar 2016


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